NPD, AfD: Rechtes Theater und Übergriff in Erfurt

NPD-Ordner tritt Antifaschist*innen ins Gesicht
Am Vormittag des 10. Mai 2014 Veranstaltete die NPD zwei Kundgebungen im Erfurter Norden. Sie brachten etwa 50 Nazis aus halb Thüringen auf die Beine. Dagegen protestierten bis zu 100 Menschen. Vor allem ein Angriff von einem der Naziordner auf Antifaschist*innen sorgt seit dem für Aufsehen (TLZ, Störungsmelder, ND). Dem Gang der Nazis zu ihrer zweiten Kundgebung setzten sich Antifaschist*innen mit einer Sitzblockade entgegen. Einer der Naziordner sprang in die Reihen der Nazigegner*innen, versuchte mehrere von Ihnen zu treten und traf ein Mitglied des Landessprecher*innenrates der linksjugend solid Thüringen im Gesicht. So sieht dann also das bürgerliche Image der NPD aus.

An diesem Tag sorgten vor allem die Gegendemonstrant*innen für die Bedeutungslosigkeit der Naziaktionen, denn die Außenwirkung blieb für die NPD äußerst beschränkt. Dem gegenüber gelang es am Nachmittag der AfD, zumindest den Zahlen nach, mehr Menschen zu erreichen.

Populismus light

„Bernd Lucke kommt!“, mit dieser Ankündigung versuchte die selbsternannte Alternative für Deutschland (AfD) ihre potenziellen Anhänger*innen am Samstag, den 10 Mai 2014, auf den Erfurter Anger zu locken. Rund 200 meist männliche Personen waren dieser Einladung gefolgt. Sie waren gekommen, um bestätigt zu bekommen, wovon sie sowieso schon überzeugt sind: Dass sie für andere zahlen. Dass „die da Oben“ sowieso machen, was sie wollen. Dass sie selbst zu kurz kommen und ungerecht behandelt werden.

Doch sie blieben nicht allein, denn auch rund 80 Menschen machten bunt und lautstark deutlich, was sie von dem wohlstandschauvinistischen Populismus der AfD halten, nämlich nichts. Das Spektrum reichte von organisierten Gruppen wie den Falken, den Grünen, Antifas, der PARTEI bis zu Schüler*innen und Student*innen, die ein eigenes Flugblatt gegen die AfD verteilten . Auch Vertreter*innen der Partei DIE LINKE waren unter den Protestierenden, wenn auch nicht als solche erkennbar. Die Spannbreite des Protestes gegen die AfD zeigte sich auch in dem ungewöhnlichen Bild einer EU-Fahne, die neben Antifafahnen geschwenkt wurde.

Unter Pfiffen eröffnete Matthias Wohlfarth die Veranstaltung. Der auch intern höchst umstrittene Landessprecher der „Alternative für Deutschland“ in Thüringen geht nach Einschätzung des Deutschlandradio „mit christlich-fundamentalistischer Rhetorik und völkischen Ideen auf Stimmenfang“. Die Geisteswelt der Thüringer AfD zeigte sich in den folgenden Minuten auch in Kleinigkeiten. So kündigte Wohlfarth den Spitzenkandidat für die Thüringer Landtagswahl, Björn Höcke, ganz im Nazijargon als „Alten Kämpfer“ an. Und der entsprach diesem Bild, als er die Protestierenden gleich zu Beginn als Chaoten bezeichnete und ihnen ein kühles Mittagsbier zur Abkühlung empfahl. Von dort ist es zum Stammtisch nicht weit und so dankte Höcke im Anschluss unter Applaus seiner Anhänger*innen wortreich einem „mutigen Mann“, der unbequeme deutsche Wahrheiten geäußert habe: „Danke, Thilo Sarrazin.“

Nach einer vernachlässigenswerten Vorstellung der Kandidat*innen für die Kommunalwahl folgte Bernd Lucke als Hauptredner. Doch auch, wenn die Protestierenden sich alle Mühe gaben, Farbe in die Veranstaltung zu bringen (Buntes Schild: „Hier kommt der Kasperle“), blieb die vorherrschende Farbe der Veranstaltung grau. Nicht nur Bernd Luckes Anzug und die teilweise nur noch spärlich behaarten Hinterköpfe der Anorak tragenden Zuhörer*innen waren grau, auch die als Hauptrede angekündigten Ausführungen Bernd Luckes blieben zum Verdruss seiner Fans blass. So recht mochte keine Stimmung aufkommen, denn Lucke vermied es weitgehend, die Erwartungen von markigen Sprüchen auf Stammtischniveau zu bedienen. Inhaltlich verteidigte er die Souveränität Deutschlands gegen die Gefahr der Vereinigten Staaten von Europa, wie sie die so bezeichneten Altparteien herbeiführen wollen. Insbesondere die sozialen Sicherungssysteme müssten vor einem Zugriff von EU-Ausländern geschützt werden. Im Klartext: Deutsches Geld für deutsche Bürger*innen. In einem zweiten Block kritisierte Lucke die Politik der Troika, die den krisengeschüttelten Ländern in Südeuropa nicht geholfen, sondern die Situation der Menschen verschlimmert habe – eine Analyse, die man ähnlich auch auf linken Veranstaltungen hören könnte. Seine Antwort auf die Probleme sah erwartungsgemäß anders aus: Jedes Land müsse sich auf seine eigene Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren und sich dann mit dem zufriedengeben, was erwirtschaftet worden sei. Denn es könne nicht sein, dass Deutschland die „ewige Melkkuh“ sei, um die „kranken Leute Europas“ (gemeint waren die südeuropäischen Krisenländer wie Griechenland und Spanien) mit zu finanzieren. Im Klartext: Verschärfter Wettbewerb auf nationaler Ebene statt solidarischer Unterstützung.

Nun kam doch ein wenig Stimmung unter den Zuhörenden auf, denn Lucke kam zum Ende auf die angeblichen Verleumdungen durch die etablierte Politik zu sprechen, auf angebliches Totschweigen in den Medien, auf Schmähungen und Verleumdungen, denen zum Trotz alle Anhänger*innen weiterkämpfen sollten. Die eigene Opferrolle gefiel den meisten AfDlern ganz offensichtlich besser als die Feststellung, dass es den Menschen in Südeuropa nicht gut geht. Als Lucke die Bühne verließ, wurde er noch von einem Dutzend eingefleischter Fans umringt, Autogramme wurden geschrieben, Fotos fürs Familienalbum geschossen. In zwei silbernen Bussen mit getönten Scheiben entschwand Lucke und sein Team aus Bodyguards und Helfer*innen. Hinten auf der Heckklappe: Ein Aufkleber mit der Preußenflagge.

FAZIT:

  • Das Interesse an der AfD scheint geringer zu werden: Vor zwei Jahren zahlten noch 800 Menschen in Erfurt freiwillig 16,- Euro, um den ähnlich gelagerten Behauptungen von Thilo Sarrazin zu lauschen und im letzten Jahr konnte Bernd Lucke auf dem Bahnhofsvorplatz fast doppelt so viel Menschen mobilisieren
  • Die linken Gegenproteste waren breiter aufgestellt als im letzten Jahr und erfreulich viele junge Menschen beteiligten sich.
  • Die vehemente Kritik am Rechtspopulismus der AfD scheint dazu zu führen, dass sich das Spitzenpersonal mit markigen Ausführungen zurückhält und nur wohldosiert die Erwartungen des Publikums nach „Klartext“ bedient.
  • Die Anhänger*innenschaft der AfD ist deutlich populistischer, dumpfdeutscher und aggressiver als die Parteispitze um Bernd Lucke
  • Der Thüringer Landesverband und Bernd Höcke, der Spitzenkandidat für die Landtagswahl im September, sind rechte Hardliner innerhalb der Partei, die sehr viel deutlichere Worte finden.
  • Die Proteste gegen die AfD sollten im Herbst entschieden fortgeführt werden.