Bausewein halts Maul!


Bild: Wissen schon länger Bescheid

In einem offenen Brief fordert Erfurts Oberbürgermeister und Chef der Thüringer SPD, Andreas Bausewein, ein härteres Vorgehen gegen Geflüchtete. Unter anderem fordert er die Ausweitung der Liste sogenannter „sicherer Herkunftsländer“, eine raschere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber*innen und die Aussetzung der Schulpflicht für Kinder von Geflüchteten bis zur Klärung ihres Aufenthaltsstatus. Den Wunsch nach mehr rassistischen Sonderregelungen in Deutschland begründet er ausgerechnet damit, ein zweites Heidenau verhindern zu wollen. Damit beweist Bausewein nicht nur, dass er zur „Law and Order“-Fraktion seiner Partei gehört, sondern auch, dass er von den Zusammenhängen zwischen gesamtgesellschaftlichem Rassismus, Nazis und rassistischen Ausschreitungen keine Ahnung hat.

Um es kurz zu machen: Es sind nicht die Nazis, die es geschafft haben ihren Rassismus auf weite Teile der Bevölkerung zu übertragen. Deutschland ist eine grundlegend rassistische Gesellschaft, welche die Basis für rassistische Ausschreitungen als auch die Akzeptanz für rassistische Hetze schafft – eine Gesellschaft, die auf Ausbeutung und Konkurrenz beruht, sich als Nationalstaat konstituiert und mit rassistischen Sondergesetzen diejenigen versucht fernzuhalten, die aufgrund irgendwelcher ausgewählter Eigenschaften nicht hier her gehören sollen.

Die Vorstellung, dass mit härteren Abschottungsgesetzen das Naziproblem zu lösen wäre, offenbart den Rassismus der in dieser Logik liegt. Denn öffentliche Debatten über mehr rassistische Sondergesetze haben in der Vergangenheit Nazis und Rassisten bestärkt und damit Übergriffe und Anschläge befördert. Nur die Ausgrenzung rassistischer Positionen und aktiver Widerstand gegen Nazis haben zu einem Rückzug der Menschenhasser geführt.

Da also eine rassistische Gesellschaft Nazis hervorbringt und Bausewein in einen gesellschaftlichen Diskurs rassistisch interveniert, befördert er mit seinen Äußerungen rassistische Resentiments, anstatt diesen entgegenzuwirken. Er verschiebt das Problemfeld von den rassistischen Deutschen hin zu den Geflüchteten. Ganz so als wären diese für die Gewalt der deutschen Rassisten verantwortlich.

Egal was Bauseweins Intention für diesen offenen Brief war: Wer in Zeiten täglicher rassistischer Übergriffe und Anschläge so einen Mist von sich gibt, macht sich zum Handlanger für Nazis und Rassisten oder ist selbst eines von beiden. Also, Bausewein, halts Maul!

Bausewein und Thierbach spielen falsch

Sehr staunen mussten heute die BesetzerInnen des Topf&Söhne-Gelände in Erfurt, als sie der Lokalpresse entnehmen mussten, daß sie „erneut das von der Stadt angebotene Ausweichobjekt abgelehnt“ hätten.
Bei einem Gespräch am Morgen hatten Oberbürgermeister und Bürgermeisterin gegenüber einer Abordnung des B-Hauses geäußert, daß Alternativobjekt stünde schon seit November letzten Jahres nicht mehr zur Verfügung.
Sonderlich neu ist dieser charmante Umgang nicht. So hatten die Verantwortlichen bei der Stadt Erfurt in der Vergangenheit auch schon behauptet, es gäbe drei Ersatzobjekte — zu einem Zeitpunkt, als den BesetzterInnen noch nicht mal eines angeboten worden war.

Es ist wahr, daß Herrschaft im bürgerlichen Staat wesentlich subjektlos funktioniert. Aber immer wieder trifft man auch auf Personen, die sich dadurch auszeichnen, daß sie ihre ohnehin schon durchherrschte Funktion ganz besonders gründlich erfüllen, vulgo ihren miesen Job ganz besonders mies machen. Die beiden benannten gehören dazu. Dafür wünschen wir ihnen hiermit ebenfalls die Obdachlosigkeit an den Hals — und zwar im Winter, im Osten und in Erfurt.

Um die unsere zu verhindern, braucht es kreativen Widerstand. Lassen wir uns also was einfallen. Aktuelle Infos zum Stand wie immer unter http://haendeweg.blogsport.de und http://topf.squat.net.

Bausewein gegen Flaschenbier

Der Infoladen Erfurt wird eine Solidaritäts-Party veranstalten, um die Kosten für die Ordnungswidrigkeits-Verfahren der am vergangenen Samstag von Nazi-und Polizei-Hooligans angegriffenen Punker zu tragen.

Wie schon berichtet, haben Nazi-Hooligans am vergangenen Samstag die traditionelle Schlauchboot-Tour der Erfurter Punker-Szene auf der Krämerbrücke überfallen. Im direkten Anschluss daran haben Beamte der für ihre Brutalität berüchtigten und in Polizeikreisen auch als „Polizei-Hooligans“ bezeichneten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit BFE die Opfer des Nazi-Übergriffs ein weiteres Mal angegriffen und mit Schlagstöcken und chemischen Kampfstoffen verletzt. Daß die Polizeieinheit unmittelbar vor Ort war, lag daran, daß sie bereits in den Startlöchern stand, um die Punker auf der Rechtsgrundlage der neuen Stadtordnung von ihrem angestammten Platz auf der Krämerbrücke zu räumen.

Schon seit Jahren betreibt die Stadt Erfurt eine Vertreibungspolitik gegen Arme und AbweichlerInnen. So ist seit dem Jahr 2003 Straßenmusik und das Verteilen von Flugblättern stark eingeschränkt und „störendes Verhalten“ verboten. Bei Zuwiderhandlung drohen Geldbußen von bis zu 5000€. Schon 2003 gab es dagegen Proteste. Die jetzt rechtskräftig gewordene Verschärfung der Stadtordnung wurde durch die Stadtverwaltung erlassen. Sie besagt, daß in Fußgängerbereichen und auf der Krämerbrücke „das mit dem Verzehr von Alkohol verbundene (..) Lagern (..) oder längere Verweilen“ verboten ist – außer man kann sich den Aufenthalt in zugelassenen Freischankflächen leisten.

Schon im Vorfeld hatten u.A. die Jungsozialisten gegen die Verordnung demonstriert. Im Visier der Maßnahme sind nicht TouristInnen oder ErfurterInnen, die an lauen Sommerabenden das Ambiente der Erfurter Altstadt mit einem gepflegten Sekt genießen. Sinn und Zweck der Innenstadtverordnung ist ohne Zweifel, Arme und nicht angepasste Jugendliche aus der Innenstadt, speziell von der Krämerbrücke zu vertreiben. Die schönen Ecken von Erfurt sollen in der Konsequenz der kommerziellen Nutzung durch ein zahlungskräftiges Publikum vorbehalten bleiben.

Als wäre diese durch die Stadtverwaltung in Recht gegossene soziale Diskriminierung nicht schon Skandal genug, wurde sie am vorigen Samstag auch noch arbeitsteilig von Nazi-Hools und Polizei mit Gewalt durchgesetzt und als Gipfel der Repression noch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Opfer des Übergriffs eingeleitet.

Wir fordern, die Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die TeilnehmerInnen der Schlauchboottour sofort einzustellen. Sollte es tatsächlich zu Strafbefehlen kommen, werden wir Geld sammeln und eine Soli-Party veranstalten, um die Opfer der Vertreibungspolitik zu unterstützen.

Darüber hinaus begrüßen wir das Vorhaben, mit einer Normenkontrollklage die Rechtmäßigkeit der Stadtordnung feststellen zu lassen.

Unbenommen von dem ganzen juristischen Theater wollen wir mal festhalten, daß die Stadt allen gehört und nicht nur denen, die sich teuren Wein im Straßencafe leisten können.

Voraussichtlich am 4.9.2008 um 18 Uhr wird die Stadtverordnung in einer Sitzung des Stadtratsausschuss für öffentliche Ordnung, Sicherheit und Ortschaften auf der Tagesordnung stehen. Die öffentliche Sitzung findet im Rathaus im Raum 244 statt.

Wem gehört die Stadt?
Druckvorlage (250k A4 PDF) hier

Repression hat viele Gesichter

Heute haben die Organisator*innen der alternativen Studieneinführungstage „Nächste Ecke Links“ (NäLi) eine Pressemitteilung zu Polizeischikanen bei einem Stadtrundgang in Erfurt am 28.10. veröffentlicht. Die Teilnehmer*innen wurden am Ende des Rundgangs, der im Rahmen der NäLi stattfand, festgesetzt und durchsucht. Die Begründung der Polizei ist so bizarr wie typisch für Erfurt: sie sahen „phänotypisch links“ aus – und das an einem Tag, an dem die Erfurter Innenstadt anscheinend für solche freigehalten werden sollte, die phänotypisch rechts aussehen, denn einige Stunden nach dem Stadtrundgang fand in Erfurt ein AfD-Aufmarsch statt. Die NäLi-Orga bringt auf den Punkt, wie die Stadtpolitik sich mal wieder positioniert: „Während Oberbürgermeister Bausewein die neu angekommenen Studierenden öffentlichkeitswirksam herzlich begrüßt, arbeiten die ihm unterstellten Sicherheits- und Polizeikräfte fleißig daran, junge Menschen abzuschrecken“, überhaupt reihe das Vorgehen der Polizei sich ein „in den Umgang mit vermeintlich störenden Personengruppen in Erfurt“ – Stichwort Moral Panic über lärmende Jugendliche im Park, Alkoholverbot in der Innenstadt, ständige Polizeikontrollen auf der Magdeburger Allee. Hier gibt es die ganze PM auf https://einfuehrungstage.blackblogs.org/.

Gleichzeitig hat die Staatsanwaltschaft Gera heute massig Polizei in Bewegung gesetzt, um klar zu machen, was denen blüht, die sich in Thüringen Nazis in den Weg stellen. Zahlreiche Hausdurchsuchungen in Thüringen, Sachsen und anderen Bundesländern richten sich laut Bericht beim MDR gegen Teilnehmer*innen der 1.Mai-Demo in Gera, denen vorgeworfen wird, politische Straftaten begangen zu haben. Da es ja wenig plausibel ist, ein halbes Jahr nach einer Demo in den privaten Wohnräumen belastendes Material zu finden, geht es recht offensichtlich darum, den rabiaten Polizeieinsatz am 1. Mai, der u.A. mit dem Einkesseln hunderter Gegendemonstrant*innen einher ging, im Nachhinein zu rechtfertigen. Und natürlich um ein allgemeines Zeichen an alle Antifaschist*innen: Wer sich in Thüringen gegen Nazis stellt, muss damit rechnen, Ärger mit den Behörden zu kriegen.

Erfurt soll sicherer Hafen werden


Die Seebrücke Erfurt ruft zum Unterzeichnen einer Petition „Erfurt zum sicheren Hafen“ auf. Die Gruppe will damit zeigen, dass „eine breite Öffentlichkeit von Menschen aus Kunst, Kultur, religiösen Einrichtungen, Gewerkschaften, Parteijugenden, politischen Gruppen, etc. hinter der Forderung steht, Erfurt zum Sicheren Hafen zu erklären.“ Anders als bei Sanctuary Cities geht es bei „sicheren Häfen“ nur darum, dass die Kommune sich bereit erklärt, mehr Geflüchtete aufzunehmen, als sie laut Verteilungsschlüssel müsste. Erreicht werden soll das durch einen Stadtratsbeschluss.

Einen Oberbürgermeister, der auch gerne mal mit mit rechtspopulistischen Parolen hausieren geht, interessiert das natürlich nur, wenn es ordentlich Druck gibt — und weil es immer so schön heißt „auf allen Ebenen, mit allen Mitteln“, gehört dazu eben auch eine Petition. Also: Unterzeichnen hier.

SPD: mit Rechtspopulismus gegen die AfD

Die SPD Thüringen arbeitet daran, die 10%-Hürde zu unterschreiten: Der SPD-Landtagsabgeordnete Oskar Helmerich (früher AfD, jetzt SPD) plant, im Landtagswahlkampt Thilo Sarrazin einzuladen, um Wähler von der AfD abzuwerben.
Warum jemand einen sozialdemokratisch kaschierten Abklatsch des Rechtspopulismus wählen sollte und nicht gleich das Original, scheint dem Genossen (ähnlich wie Andreas B.) unklar. Andere Sozis sind entschiedener und haben bereits betont, dass die Begeisterung für antimuslimischen Rassismus in der SPD eine Einzelmeinung ist.
Uns fällt dazu nicht mehr viel ein, deswegen überlassen wir es Kamyar & Dzeko, Sarrazin zu kommentieren:

Erklärung zum öffentlichen Heraustrennen von Logos aus einem „Refugees-Welcome“-Banner


english version below
Im Dezember kam es bei einem Solikonzert der ver.di-Jugend Thüringen für Watch the Med zu einem kleinen Eklat, als ein Antira-Aktivist die Logos aus einem „Refugees Welcome“-Banner herausschnitt. Jetzt gibt es dazu eine Erklärung, die uns zugespielt wurde:

Warum ich das «Refugees Welcome»-Banner im Filler (Erfurt) beschnitten habe

Was ist passiert?

Bei einem Solikonzert für «Watch the Med» am 3.12.2016 im Filler hing als Bühnenhintergrund ein riesiges Banner «Refugees Welcome». In einer Ecke des Banners waren die Logos von «LAP», «DenkBunt» und «Stadt Erfurt» abgedruckt, offensichtlich die Geldgeber. Bevor Refpolk und Daisy Chain ihren Auftritt begannen, ging ich auf die Bühne und machte eine Ansage. In dieser wies ich auf die kommende Break Deportation Soliveranstaltung am 17.12.2016 hin. Nachdem ich zudem auf die anhaltenden Abschiebungen, gleich welcher Regierung, und den marginalisierten Widerstand dagegen hinwies, nahm ich Bezug auf das Banner. Ich erklärte u.a. dass es widersprüchlich und unerträglich sei, auf einer solchen Soliveranstaltung die Stadt Erfurt mit «Refugees Welcome» für sich werben zu lassen, da sie oft genug das Gegenteil bewiesen hatte. Dann nahm ich eine Schere, schnitt die betreffende Ecke mit den Logos aus dem Banner und verließ die Bühne. Weiterlesen

Saalfeld: Wahnsinn!

Mit Applaus, Gesängen und Jubel wurden heute in Saalfeld 600 Menschen aus dem globalen Süden begrüßt. Die Menschen kamen mit einem Sonderzug aus Wien, nachdem sie gestern das rassistische Dublin-II-Abkommen selbsorganisiert außer Kraft gesetzt hatten, indem sie zu Fuß von Budapest in Richtung Wien aufgebrochen waren. Dublin-II schreibt vor, dass Asylanträge da gestellt werden müssen, wo man in die EU einreis und verwehrt Geflüchteten damit die Freizügigkeit, dort zu leben, wo sie wollen.

Als klar wurde, dass der Zug in Saalfeld ankommen würde, begannen viele Helfer_innen im Haskala Päckchen mit Hilfsgütern vorzubereiten. Schon 19.30 Uhr war der Platz vor dem Bahnhof voll mit Menschen, die helfen wollen. Bodo Rammelow persönlich begrüßt dann die Geflüchteten, die meisten aus Syrien, und weist auch auf die die Lage der Roma hin. Nazis und bürgerliche Rassisten sind natürlich auch vor Ort — wir sind ja in Thüringen –, als sie „Tod den Gutmenschen“ rufen, werden sie von der Polizei abgedrängt. Als die Geflüchteten kommen, werden sie mit Gesängen, Victory-Zeichen und Applaus für ihr mutiges Eintreten gegen die Mauern der Festung Europa begrüßt.

Die Medien sind voll von der für Thüringen unerwarteten solidarischen Geste. Was aber bei allen bewegenden Bildern nicht in Vergessenheit geraten darf ist, dass den Geflüchteten jetzt ein Asylverfahren bevorsteht, dass dem Slogan „Refugees Welcome“ überhaupt nicht entspricht. Sie werden in Lagern untergrebracht, dürfen nicht arbeiten, müssen sich immer wieder damit auseinandersetzen, dass die Amtssprache Deutsch ist und miese Menschenfeinde wollen ihren Kindern verbieten, in die Schule zu gehen.

Wenn die Rede von der Humanität also ernst gemeint ist und es nicht bei einer bewegenden Geste bleiben soll, müssen Taten folgen. Alle, die heute hier angekommen sind, müssen ein Bleiberecht erhalten und dürfen nicht wieder nach Ungarn abgeschoben werden. Das rassistische Dublin-II-Abkommen muss generell außer Kraft gesetzt werden. Alle, die in Thüringen leben wollen, müssen dafür die Möglichkeit bekommen. Soziale Rechte müssen für Alle gelten, unabhängig von ihrer Herkunft.

Und wenn die unmenschliche Abschiebemaschinerie in Gang kommt und die nächste Abschiebung ansteht, dann müssen alle auf die Straße gehen und dafür sorgen, dass sie nicht durchgesetzt werden kann!

Viele Menschen warten auf Flüchtlinge in Saalfeld
Viele Menschen begrüßen Flüchtlinge in Saalfeld.

Saalfeld: Willkommen auf arabisch
„Willkommen“ auf arabisch

Saalfeld: Refugees Welcome
Refugees Welcome

Saalfeld: Bleiberecht für Alle bis jede Grenze fällt
Bleiberecht für Alle, bis jede Grenze fällt

Gegen 21.00 Uhr: Jubel und Gesang für die Ankommenden.

PS: Nicht vergessen darf man in diesem Kontext, dass der Bundestag gleichzeitig daran arbeitet, die Bundeswehr mit einem Schießbefehl für die EU-Außengrenzen auszustatten. Während sich in Saalfeld hunderte junge Menschen mit Geflüchteten solidarisieren, rüstet die Bundesrepublik für den offenen Krieg gegen Flüchtende.

Erfurt: Vertreibungspolitik in der Innenstadt

Während im Mittelmeer Menschen auf der Flucht ertrinken, haben die Erfurter wichtige Probleme: Auf dem Anger trinken Jugendliche Bier. Und sie nehmen dabei keine Rücksicht auf die finanziellen Interessen der BetreiberInnen von Außengastronomie. Das ruft natürlich Widerspruch hervor.

Zuerst waren es die Nazis. Eine rechte Facebook-Gruppe ereiferte sich über Punks, die es sich auf dem Anger mit selbst mitgebrachtem Bier gut gehen lassen. Jetzt treten die Gewerbetreibenden nach: Heinz-Jochen Spilker, Vorstands-Vorsitzender des City-Managements-Vereins und Thomas Nagelschmitz vom Kaufhaus Anger 1 möchten gerne festlegen, wer den öffentlichen Raum in Erfurt wie nutzen darf. Das Ziel des City-Management-Vereins ist, Erfurt als Stadt des Wohnens, Arbeitens, Einkaufens, der Freizeit und Kultur attraktiver zu machen. Die Frage ist aber, wie so oft, für wen. Junggesellenabschiede, Erlebnisgastronomie und penetrante Werbeveranstaltungen können gerne auf dem Anger auflaufen. Aber wehe, Menschen mit wenig Geld und abweichendem Wertesystem wagen es, einen schönen Platz für sich in Beschlag zu nehmen. Dann steht der Erfurter Spießer Seit an Seit mit den Nazis, um das arbeitsscheue Gesindel zu vertreiben und ruft nach dem starken Arm des Gesetztes, konkret nach einer rechtlichen Handhabe gegen herumlungernde Jugendliche. Laut einem Artikel in der TA hat sich die Stadtverwaltung noch nicht entschieden, wie sie auf die autoritären Wünsche der Gewerbetreibenden reagieren soll. Es bleibt ihr auch wenig übrig, nachdem das Alkoholverbot in der Innenstadt gerichtlich als „nicht anlass- sondern personenbezogen“ kassiert worden war. Auf dem Anger zeigt sich nun das Ergebnis von Verdrängungspolitik. Jahrelang hat man versucht, die Punks von der Krämerbrücke zu vertreiben. Die naive Phantasie der Technokraten und Sozialplaner war dabei wohl, dass sie sich in Luft auflösen oder nach Gotha ziehen würden, wenn die Krämer nur unattraktiv genug gestaltet wird. Aber wer an der einen Stelle vertrieben wird, taucht halt auf der anderen wieder auf, jetzt eben auf dem Anger. Und warum sollen eigentlich zwei reiche Männer, die für Kapitalinteressen sprechen, entscheiden dürfen, wer wo und wie seine Freizeit verbringt? Wieso soll die Innenstadt für Gewerbetreibende ein El Dorado sein, für Arme und Jugendliche dagegen nicht zugänglich? Gewerbetreibende nutzen steuerfinanzierte Infrastruktur, von den Straßen angefangen über die Vereinsräume des Citymanagement im Rathaus bis zur Müllentsorgung dessen, was die werte Kundschaft aus der Gastronomie im Erdgeschoss des Anger 1 rausträgt. Wieso soll es dann illegitim sein, wenn Punks den öffentlichen Raum nutzen?

Wenn Ihr das auch bescheuert findet, schreibt dem Erfurter Ordnungsdezernent Alexander Hilge an die Adresse dezernat03@erfurt.de. Kopie bitte an den Infoladen.

Zur Ergänzung ein Rückblick zu Vertreibungspolitik in Erfurt:

Flugblatt: Krieg beginnt hier.


Den Ausbau des Erfurter Bundeswehrstützpunktes, von dem aus nun die Bundesweite Kriegslogistik koordiniert wird, und eine ganze Reihe Propaganda- und Werbeveranstaltungen der Bundeswehr nahmen die Gruppen LiSE, die Flüchtlingsinitiative Erfurt und der Infoladen Sabotnik, gemeinsam mit zahlreichen Einzelpersonen zum Anlass, ein kritisches Flugblatt zum Thema zu veröffentlichen. Verteilt wurde der Text bisher auf verschiedenen Aktionen. Im folgenden dokumentieren wir das Flugblatt:

Kriegslogistik nicht willkommen

Was passiert in Erfurt?
Anfang Januar 2013 eröffnete die Bundeswehr ein neues Logistikzentrum in Erfurt. Dieses präsentiert sich am 16. Januar durch einen Aufstellungsappell in der Löberfeld-Kaserne. Zukünftig soll durch das Logistikkommando von Erfurt aus die Versorgung der deutschen Soldaten im In- und Ausland gesteuert werden, unter anderem gehört dazu die Rückholung des deutschen Materials aus Afghanistan. Der Aufgabenbereich des Logistikzentrums ist integraler Bestandteil der Bundeswehr und durch die Vorbereitung und Koordinierung ebenso konkret an der Ausführung militärischer Operationen Deutschlands beteiligt, wie die Streitkräfte in den Einsatzge bieten.

Von offizieller Seite ist in Erfurt die Freude darüber groß; steht die Stadt schließlich als Gewinner der Bundeswehr-Reformen da. »Für die Stadt ist die Entscheidung der Bundeswehr von großer Bedeutung – sowohl für die hiesige Wirtschaft als auch für das Leben in der Stadt allgemein. Der Standort wird wachsen. Viele Soldaten werden mit ihren Familien nach Erfurt ziehen. Das ist gut für die Stadt«, kommentiert Oberbürgermeister Bausewein (Thüringer Allgemeine, 15.11.12). Weiterlesen

Am Samstag erneute Demonstration zum Hungerstreik von 10.000 Gefangenen in der Türkei

Am Samstag, den 17. November 2012, wird der Kulturverein Mesopotamien e.V. eine Demonstration in der Erfurter Innenstadt veranstalten, um auf den Hungerstreik von 10.000 politischen Gefangenen in türkischen Gefängnissen hinzuweisen. Mehrere hundert von ihnen befinden sich seit 64 Tagen in einem unbefristeten Hungerstreik.

Die kurdischen und solidarischen türkischen Hungerstreikenden fordern in dieser Auseinandersetzung die elementarsten Menschenrechte überhaupt:

Einerseits geht es um das Recht auf Verteidigung in ihrer Muttersprachevor Gericht und deren Einführung als Unterrichtssprache und andererseits die Aufhebung der totalen Isolationshaft vom PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan, der eine wichtige Rolle bei der friedlichen Lösung der kurdischen Frage in der Türkei spielt.

Unter den Hungerstreikenden befinden sich inhaftierte Abgeordnete, Bürgermeister, Anwält_innen sowie mindestens 9 Journalist_innen, die zu den mehr als 8000 Menschen gehören, die in den letzten 3 Jahren im Rahmen der sogenannten „KCK-Operationen“ (also der anti-kurdischen Repression) gefangen genommen wurden. Ein Großteil der kurdischen Migrant_innen in Thüringen haben unter den Hungerstreikenden Freunde und Verwandte und sind zutiefst besorgt über die Entwicklung.

Doch in den letzten Tagen spitzt sich der Konflikt in der Türkei unerfreulicherweise zu. So erklärte der türkische Ministerpräsident Erdogan, dass über die Wiedereinführung der Todesstrafe für sogenannte Terroristen nachgedacht werden müsse. Eine klare Kampfansage an die kurdische Bewegung! Der Justizminister zieht es in Erwägung, die Hungerstreikenden zwangsweise zu ernähren. Erfahrungen in vergangenen Hungerstreiks haben jedoch gezeigt, dass gerade dabei viele Gefangene sterben oder irreperable Schäden davon tragen. Diese scheinbare humanitäre Maßnahme

Die Türkei tut letztlich nichts, um die Lage zu entschärfen. Im Gegenteil: Derzeitige Auseinandersetzungen zwischen Truppen der von der Türkei aus operierenden „Freien Syrischen Armee“ und des syrischen Staatspräsidenten Assad haben erstmals auf Westkurdistan übergegriffen. Die Türkei internationalisiert den Konflikt also weiter.

Angesichts dieser Entwicklung ist es beschämend, dass die Eröffnung des türkischen Honorarkonsulats am 7.11.2012 in Erfurt unter Beteiligung von Justizminister Poppenhäger und Oberbürgermeister Bausewein ohne Ankündigung und daher unbemerkt über die Bühne ging. Ähnlich wie beim Erdogan-Besuch in Berlin die Bundesregierung lassen auch Stadt und Landesregierung nichts unversucht Konflikte mit dem wichtigsten Bündnispartner und Wirtschaftspartner in der Region aus dem Weg zu unterbinden. Gerade auch dieses Schweigen soll im Rahmen der Demonstration thematisiert werden.

Unterstützt die kurdischen Freundinnen und Freunde!
Zeigt eure Solidarität mit den Hungerstreikenden!

Demonstration am 17.11.2012 um 14 Uhr am Leipziger Platz in Erfurt. Die Route verläuft über den Anger Richtung Bahnhof.

Wir verweisen an dieser Stelle auch auf das Flugblatt der Interventionistischen Linken und Tatort Kurdistan: Solidarität mit dem Kampf der Kurd_innen für Freiheit und Demokratie!

Eindrücke von der Gedenkveranstaltungzur Deportation von Erfurter Jüdinnen und Juden vor 70 Jahren

Heute vor 70 Jahren, am 09.05.1942 mussten sich 101 in Erfurt lebende jüdische Menschen am Erfurter Hauptbahnhof sammeln. 7:40 fuhr ihr Zug nach Weimar ab, wo sie in der Viehauktionshalle festgehalten und am folgenden Tag zusammen mit über 400 weiteren Jüdinnen und Juden in das Ghetto Belzyce deportiert wurden. Der Bahnhof sollte das letzte sein, was sie von Erfurt sehen. Keine/r der 101 Menschen kehrte zurück. Alle wurden von den Deutschen und ihren Kollaborateur_innen ermordet. Heute vor 70 Jahren begannen die Deportationen der Erfurter Jüdinnen und Juden, die noch bis Januar 1945 fortgeführt wurden.

Wer heute morgen gegen 6 Uhr durch den Erfurter Bahnhof ging, bekam einen Flyer zu diesem Ereignis in die Hand gedrückt. Diejenigen, die nicht in letzter Minute zum Zug rannten, haben eventuell auch die Durchsagen in der Bahnhofshalle gehört. Um 6 und 7 Uhr ging es ausnahmsweise nicht um einen verspäteten Zug oder unbeaufsichtigtes Gepäck. Heute morgen blieb es den Zugfahrer_innen am Erfurter Bahnhof nicht erspart sich ins Bewusstsein zu rufen, dass sie genau dort warten wo Menschen vor 70 Jahren in die Vernichtungslager deportiert wurden. Denn wer weiß schon von der leicht zu übersehenden Gedenktafel am Nebeneingang des Bahnhofs. Könnte sein, dass jetzt ein paar mehr Leute von denjenigen erfahren, die unter anderem von Erfurter_innen in den Tod getrieben wurden. Das Bild vom betroffen dreinschauenden OB Bausewein ziert wohl einige Zeitungen – immerhin verharrte er geduldig bis alle Aufnahmen im Kasten waren.

Nach der Kranzniederlegung vor der Gedenktafel konnte ich dem Gesang der jüdischen Kantorin Avitall Gerstetter leider kaum Aufmerksamkeit schenken. Irgendwie will es in meinem Kopf noch nicht ankommen, dass laut Flyer „Erfurterinnen und Erfurter“ ein Gedenken veranstalten, an dem Bausewein und sogar Udo Markewitz vom DB Bahnhofsmanagement Erfurt teilnehmen. „Gedenken verlangt Denken“, besagt der Flyer. Ist die Zahl 70 irgendwie besonders? Ich jedenfalls kann es mir nicht anders erklären, warum nach all dem Widerstand seitens der Bahn AG bei der Auseinandersetzung mit ihrer Vorgängerin und dem lange währenden Desinteresse der Stadt bezüglich Topf und Söhne plötzlich begonnen wurde nachzudenken.

Die Deutschen hätten die Verpflichtung nicht zu vergessen, erzählt Bausewein neben der Gedenktafel stehend. Und weiter: „Die geistigen Nachfolger derer, die diese Verbrechen angezettelt haben, dürfen nie wieder in Parlamente in Deutschland, Europa und der Welt gewählt werden.“ In aller Konsequenz dürfe es damit kein Parlament, kein Deutschland mehr geben. Aber als sich Neonazis am 1. Mai am Bahnhof versammelten, ließ er einigen Leuten über eine Mittlerin zukommen, dass sie aufhören sollen die Parole „Nie wieder Deutschland“ zu rufen — „Nie wieder NPD“, sei seiner Meinung nach angebrachter…

Irgendwie scheint es mit dem Denken wohl doch nicht so weit zu reichen – denn die deutsche Masse unterstützte die Vernichtung von Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und allen anderen, die in ihrer nationalsozialistischen Ideologie keinen Platz hatten, genau so wie wir heute rassistische und antisemitische Ressentiments in breiten Teilen der deutschen Bevölkerung finden — siehe Sarazzin…

Erdrutschsieg ohne Wahlkampf: Absolute Mehrheit für Nichtwähler_innen in Erfurt

Ohne jegliche Intervention in den penetranten Wahlkampf der letzten Wochen haben die Nichtwähler_innen bei den Bürgerleisterwahlen in Erfurt den Amtsinhaber Andreas Bausewein auf den zweiten Platz verwiesen. Gerade einmal 26% der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme dem SPD-Mann — weniger als die Hälfte als die 56%, die sich entschieden haben, sich dem Wahlgang zu verweigern. Aufgrund des undemokratischen Wahlsystems wird der Bürgermeisterposten allerdings trotzdem vom zweiten Sieger besetzt werden, statt ihn — wie es dem Wählerwillen entspricht — einfach unbesetzt zu lassen. Um die eigentlichen Wahlsieger_innen nicht weiter zu provozieren, einigten sich die Parteien darauf, wenigstens die zahllosen grinsenden Köpfe wieder aus dem Straßenbild zu entfernen.

Freispruch für Majestätsbeleidigung in Erfurt

Eine Person wurde gestern vom Vorwurf freigesprochen, den Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein beleidigt zu haben. Der Beschuldigte war einer der vier, die im Mai 2009 von der Polizei beim Kleben eines Plakates erwischt wurden, auf dem Bausewein im Rambo-Outfit — mit Patronengürtel und Maschinengewehr — zu sehen war.

Das Plakat war aus Anlass der Räumung des Besetzten Haus auf dem ehemaligen Topf&Söhne-Gelände im April 2009 und im Zusammenhang mit Bauseweins Wahlkampf entstanden. „Klare Verhältnisse“ war der Slogan, mit dem der Erfurter Oberbürgermeister im Landtagswahlkampf 2009 um Stimmen für die SPD geworben hatte.

Mit den Plakaten wollten seine KritikerInnen darauf hinweisen, daß der Sozialpädagoge Bausewein eine Law-and-Order-Politik betreibe. Das Gericht hat mit dem gestrigen Urteil festgestellt, daß die besagte Darstellung keine Beleidigung ist. Wegen unerlaubtem Plakatieren erging eine Ordnungsstrafe von 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit, weiter muss der Beklagte seine Anwaltskosten tragen.

Für Repressionskosten im Kontext selbstverwaltete Zentren in Erfurt gibt es ein Soli-Konto: Inhaber Reinhold Halbleib, Kto.-Nr. 1000500337, Spk. Mittelthüringen, BLZ 82051000

Aktualisierung: Anscheinend war es doch kein Freispruch, sondern eine Einstellung!

„Antifa heißt früh aufstehen“ – Erfurt 1. Mai 2010

Blockade auf der Stauffenbergallee
„Antifa heißt früh aufstehen“ meint etwas verdrießlich einer der TeilnehmerInnen der Sitzblockade am Beginn der Stauffenbergallee. Denn obwohl man um halb neun noch problemlos von der Stadtmitte zum Blockadepunkt direkt am Anfang der Nazi-Route kommt, sitzen nur ca. 70 Leute quer über die Stauffenbergallee — ziemlich wenig für eine vierspurige Straße mit großzügigem Mittelstreifen. Eigentlich hatte man hier mit mehr Leuten gerechnet, aber scheinbar haben eine ganze Menge Leute ihr Date mit der Straße verpennt. Ein paar DemonstrantInnen spielen Karten, andere lesen Zeitung, während einige MandatsträgerInnen der Partei „Die Linke“ mit der Versammlungsbehörde aushandeln, daß die Blockade für’s erste nicht abgeräumt wird. Obwohl es regnet und hier keiner so recht davon ausgeht, mit 70 Leuten die Blockade zu halten, ist die Stimmung gut.

Am Anderen Ende der Stadt, in der Johannesstraße, sieht man um 9.00 Uhr eher griesgrämige Gesichter. Kaum 100 Menschen haben sich am Ort der Auftaktkundgebung für die Antifa-Demonstration unter dem Motto „Hauptsache ’s knallt“ versammelt. Aber bis die Demo um 9.30 Uhr losläuft wächst die Menge auf 300-400 Leute an. Luftlinie sind es nur wenige hundert Meter zwischen den parallel verlaufenden Routen von Antifa und Nazis, aber der aufgestaute Flutgraben trennt die beiden Versammlungen. Mittlerweile sind die Übergänge mit Hamburger Gittern und einfachen Polizeiketten dichtgemacht. An der Krämpferstraße gibt es dann auch den ersten Versuch einiger TeilnehmerInnen der Antifa-Demo, auf die Nazi-Route zu kommen. Aber 20 Leute sind für die Polizei kein Problem. Hin und wieder werden Parolen gerufen, dazu erzählt Lothar König viele Dinge aus dem Lautsprecherwagen. War die Demo am Anfang vorwiegend schwarz war, sammelt sie auf ihrem Weg Richtung Bahnhof immer mehr BürgerInnen ein, bis am Ende ein deutlich sichtbarer bunter Block mit den Autonomen demonstriert. Es knallt nicht. Etwas unübersichtlich wird die Lage, als die Demo gegen 11.30 versucht, zur ver.di-Kundgebung in der Tromsdorffstraße zu kommen. Obwohl ver.di laut durchsagt, daß die Antifa auf der Gewerkschafts-Kundgebung ausdrücklich erwünscht ist, stellt die Polizei sich quer. Nach kurzem Gerangel kommt es zu endlosen Verhandlungen — ohne Ergebnis. Ver.di und Antifa dürfen nicht zusammen demonstrieren. Da sich langsam die Gerüchte verdichten, daß die Nazis bald loslaufen, meldet die Antifa eine Spontandemonstration an und macht sich auf, die schon gelaufene Route wieder in der Gegenrichtung abzulaufen.

Seit 7 Uhr sendet das Radio der Thüringer Landesmedienanstalt (Radio Funkwerk) vorproduzierte Interviews. Steffen Lemme von der SPD verzettelt sich und nennt MOBIT die „Mobile Beratung für Demokratie – gegen Gewalt“ statt „.. gegen Rechtsextremismus“. Rüdiger Bender gibt den originellen Rat an Blockaden, einfach mal freiwillig zu gehen, statt sich räumen zu lassen.

Auf der Blockade am Beginn der Nazi-Route läuft bis 11 Uhr Musik aus der Konserve. Matthias Bärwolf von der Partei „Die Linke“ hebt mit kurzen Redebeiträgen die Stimmung und fordert die Leute zu Dableiben auf. Vereinzelte AnwohnerInnen haben sich eingefunden. Die meisten wollen sich zu der Frage, was sie von der ganzen Sache halten, nicht festlegen. Nur ein älterer Herr redet in aller Ausführlichkeit darüber, daß er Blockieren für undemokratisch hält. Er will die TeilnehmerInnen der Blockade überzeugen, zur NPD zu gehen und mit den Nazis zu diskutieren.

Gegen 12 Uhr taucht der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein und die Bürgermeisterin Tamara Thierbach an der Blockade auf. Ungeschickter Weise nehmen sie den Weg durch die Nazi-Kundgebung und werden aus dem Lautsprecherwagen der NPD hämisch als KundgebungsteilnehmerInnen begrüßt. Das widerum bestätigt einige TeilnehmerInnen der Blockade in ihrer sowieso eher ablehnenden Haltung gegenüber der Stadtspitze. Als Bausewein nach einigem Händeschütteln den Ort der Blockade wieder verlässt, meint ein Teilnehmer: „Ich weiß nicht, ob es mich mehr ärgert, daß er wieder geht oder ob es mich mehr geärgert hätte, wenn er sich dazu gesetzt hätte“.

Leipziger Platz
Ein paar Ecken weiter, am Leipziger Platz, beteiligt sich ein anderer Oberbürgermeister an einer Blockade: „Ich werde nächstes Mal dafür sorgen, daß noch mehr Bürgermeister da sind und Ihr werdet dafür sorgen, daß mehr Bürger da sind, denn gemeinsam sind wir stark“ sagt der Jenaer OB Albrecht Schröter. Viele sind begeistert von diesem Bündnis, andere rollen genervt die Augen. Der Lautsprecherwagen dankt den KundgebungsteilnehmerInnen immer wieder dafür, daß sie so bunt, friedlich und entschlossen sind.

Gegen 12:40 wird die Blockade am Beginn der Nazi-Route geräumt. Dabei geht die Polizei verhältnismäßig umsichtig vor. Es gibt keine Verletzten. Ganz anders muß das Vorgehen etwas früher am Talknoten gewesen sein. Eine Aktivistin erzählt mir, daß dort ein Bus mit anreisenden Nazis von vielleicht 50 GegendemonstrantInnen blockiert wurde und eine Polizeieinheit daraufhin „frei gedreht hat“. Die Blockade wurde ohne Vorwarnung brutal von der Straße geprügelt. (Bericht auf Indymedia hier)

Gegen 13 Uhr beginnt die Demonstration der Nazis. Sie rufen „Gegen System und Kapital – unser Kampf ist national“ oder, immer wieder, „Die Straße frei der Deutschen Jugend“. Die Nazis sehen aus, als seien sie zufrieden damit, daß sie endlich laufen dürfen. Aber schon 500 Meter weiter ist schon wieder Schluss, weil sie auf die Blockade am Leipziger Platz treffen. Hier haben sich neben dem Bündnis aus Oberbürgermeister und BürgerInnen auch ca. 200 Kapuzenpullis und Antifa-Fahnen auf der Stauffenbergallee eingefunden. Ein paar AnwohnerInnen beschweren sich über die Unannehmlichkeiten, die sie durch die Demonstrationen und Veranstaltungen haben. Ihnen wäre es lieber, wenn man die Nazis einfach laufen ließe: „Dann wäre der Spuk in einer Stunde vorbei“. Die Nazis nutzen die erzwungene Pause für Redebeiträge. Immer, wenn sich der nationale Lauti anhebt: „Deutsche Männer und Deutsche Frauen ..“ ruft die Kundgebung rythmisch „Halt die Fresse“. Da die beiden Versammlungen durch zwei Reihen Hamburger Gitter, zwei Wasserwerfer (einer in jede Richtung) und unzählige PolizistInnen getrennt sind, hört man das bei den Nazis vermutlich nicht. Aber auf der Kundgebung sorgen die Sprechchöre für gute Laune. Spätestens als nach und nach die TeilnehmerInnen der dahinterliegenden Blockade am Talknoten und die Reste der Antifa-Demo hier eintrudeln, vermuten viele: Hier kommen heute keine Nazis mehr durch.

Das dämmert auch dem nationalen Widerstand. Teile der Demonstration versuchen gegen 14 Uhr durch die Polizeiketten zu brechen. Das gelingt nicht. Aber damit hat die NPD in den folgenden Verhandlungen mit der Versammlungsbehörde schlechte Karten. Auch daß im weiteren Verlauf der Route mittlerweile nicht wenige Hamburger Gitter verschwunden sind oder auseinandergeschraubt wurden, wird die Chancen auf eine erfolgreiche Nazi-Demo eher verringert haben. Nach mehr als einer Stunde verkündet die Polizei das Ergebnis der Verhandlungen: Die Nazis müssen die 500 Meter, die sie vom Bahnhof gelaufen sind, zurücklaufen. Der Versammlungsleiter ist beleidigt und löst um 15.40 von sich aus die Versammlung auf. Er sagt durch, daß er keine Verantwortung für die folgenden Ereignisse übernimmt. Aber die angedeutete Drohung erweist sich als leer. Die VersammlungsteilnehmerInnen bewegen sich geordnet zurück zum Bahnhof. Kurz vor dem Ende versuchen sich einige wenige noch mit einer Sitzblockade, die aber auch nach wenigen Minuten wieder aufgegeben wird. Der Nationale Widerstand Franken und Bayern begibt sich fix zu den Reisebussen, die Thüringer Nazis zum Zug.

Ich spreche am Rande mit ein paar Leuten aus dem Antifa-Spektrum. Die sind nicht sonderlich zufrieden mit dem Tag, fanden alles „zu lasch“. Eine andere sagt, vieles sei heute schlecht koordiniert gewesen. Trotzdem hat einiges funktioniert.

Ganz am Ende muss dann einfach noch die rituelle Randale kommen — schließlich ist heute 1. Mai. Die letzten zehn Nazis brüllen in der Bahnhofsunterführung „Hier marschiert der nationale Widerstand“. Dann wird es unübersichtlich. Die zehn Nazis werden schnell in den Bahnhof geleitet. Gleichzeitig treibt die Polizei die ca. 150 anwesenden GegendemonstrantInnen auf der Bahnhofstraße zusammen — mit Pfefferspray und Knüppel frei. Brutal werden Leute in Gewahrsam genommen. Mindestens vier DemonstrantInnen werden verletzt.

Damit waren die nötigen Bilder im Kasten. Die Polizei zieht sich zurück. „Nach Ende der Neonazi-Demonstration kam es zu Ausschreitungen von Linksradikalen“ kann man jetzt sagen, und fordern, daß das Demonstrationsrecht endlich nicht mehr für Extremisten beider Seiten gilt.

Edit 2. Mai, Zitat vom MDR:

Thüringens Innenminister Peter Huber ist mit dem Polizeieinsatz am Sonnabend in Erfurt zufrieden. Die Versammlungsfreiheit sei gewahrt worden, sagte Huber. Gleichzeitig hätten die Bürger ihre Abneigung gegen jede Form von politischem Extremismus zum Ausdruck bringen können.

In Erfurt laut Stadtordnung verboten: Baumbesetzung am Leipziger Platz
Leipziger Platz

Auf dem Anger: Verschiedene Stände

Hinter dem Leipziger Platz: Wasserwerfer

Am Ende: Gitter einpacken

Erfurt: Polizeibesuch nach „Zahltag“-Veranstaltung

Am 12. April fand im Café April eine Veranstaltung der Kampagne Hände hoch-Haus her mit der Initiative Zahltag statt.

Nach der Veranstaltung wurde spontan Musik aufgelegt, Essen serviert und Lichtbildkunst an die Wände geworfen. Gegen 02:00 Uhr entschied die Bereitschaftspolizei, daß so viel Spontaneität in Erfurt nicht möglich ist. Ca. 20 BeamtInnen stürmten das „April“, nahmen die Personalien aller Anwesenden auf und durchsuchten die Räume. Weiter forderten sie die Anwesenden zum Gehen auf — womit die Veranstaltung zu Ende war.

Schon in der Nacht zum Sonntag kam es nach dem Händehoch-Konzert im Klanggerüst zu einer völlig überzogenen Polizeikontrolle auf der Magdeburger Allee — mit Knüppel- und Pfeffersprayeinsatz und einigen Ingewahrsamnahmen. In der Vorwoche hatte die Bereitschaftspolizei bei einem nächtlichen Großeinsatz alternative Jugendliche vom Venedig — ein Platz an der Gera unweit der umkämpften Krämerbrücke — vertrieben.

Alternative Soziokultur hat es also nach wie vor schwer in Erfurt.

Aber jetzt erst recht: Am Samstag ab 14.00 Uhr (Treffpunkt Bahnhofsvorplatz) für selbstverwaltete Zentren demonstrieren.

[Erfurt] 8. Juli: Jeder Stadt den Stadtrat, den sie verdient

Die Antifagruppe AG17 ruft für den 8. Juli (16.30, Erfurt, Fischmarkt zu einer Kundgebung anlässlich der konstituierenden Sitzung des Erfurter Stadtrats auf:

Was als großes Debakel erscheint, nämlich der Einzug der NPD in der Person Frank Schwerdt in den Erfurter Stadtrat, ist nichts anderes als demokratischer Alltag. Herr Schwerdt ist von genügend Erfurterinnen und Erfurtern gewählt worden, um nun seinen rassistischen nationalistischen und antisemitischen Müll in den Stadtrat zu tragen.
Doch ist er als einziger NPD-Abgeordneter wirklich alleine dort? Mit der NPD wollen die etablierten Parteien bestimmt nicht politisch zusammenarbeiten. Dennoch gibt es etliche inhaltliche Überschneidungen, die die politische Ablehnung der Demokratischen Parteien zur Farce werden lassen. Wenn die NPD als Wahlkampfauftakt für die Landtagswahl vor die Moscheen zieht, setzt sie sich für die von der CDU geforderte Leitkultur ein. Wenn die NPD gegen gierige Banker wettert, ist das die selbe Masche, mit der Müntefering und Lafontaine die Bösewichter der Weltwirtschaftskrise ausmachen.

Die niedrige Distanz zwischen der autoritären Mitte und Rechtsaußen zeigt sich auch lokal:

Wenn es um Ordnung und Sauberkeit geht, teilt man das Resentiment gegenüber der Abweichung und steht auf soziale Kontrolle. Und wenn es sich anbietet, verdrischt man auch mal gemeinsam Punker, wie letztes Jahr an der Krämerbrücke.

Folgerichtig wird über die Räumung des Besetzten Hauses von ganz rechts bis hin zu Teilen des linken Lagers gejubelt. Dort spricht man von „Asozialen, die keine Miete bezahlen“, der rechte Teil bedankt sich artig bei der Polizei und setzt Nahaufnahmen von AktivistInnen ins Internet — Anti-Antifa at its best.

Rechtsaußen wie Mitte nutzen Gewalt, um ihre Ziele durchzusetzten — hier die strukturelle Gewalt von Rechtsnormen und Verordnungen, immer flankiert mit der Drohung des Polizeiknüppels, dort die unvermittelte Brutalität der Nazi-Banden.

Auch in der Frage der bürgerlichen Freiheiten unterscheidet man sich nur graduell — die Nazis wollen sie gleich ganz abschaffen, während die Mitte sich wünscht, nach Gutdünken zu entscheiden, wer durch die Verfassung geschützt ist. Grundrechte sollen für die gelten, die sich „an die Regeln halten“ — so eine Demokratin in der Landtagsdebatte zur Räumung des besetzten Hauses.

Unsere Politik richtet sich gegen Ausgrenzung, Repressuion und Autoritarismus — egal ob aus der Mitte der Gesellschaft oder von Rechtsaußen!
-> 8. Juli, 16.30 Uhr, Erfurt, Fischmarkt <-

Fotowettbewerb „Erfurt in Sektlaune“

Andreas Bausewein in Sektlaune
Der junge Mann ganz links mit der roten Nase ist der Herr Bausewein, politisch verantwortlich für das Alkoholverbot in der Erfurter Innenstadt. Schön finden wir, daß er sich selbst nicht nehmen lässt, was er Punks und Obdachlosen verbieten will. Das verbreitet Frohsinn und gute Laune in der Landeshauptstadt. Um diesen positiven Geist zu unterstützen, richtet der Infoladen Sabotnik einen Fotowettbewerb aus: Alle HobbyfotografInnen sind in der Karnevalszeit aufgefordert, Andreas Bausewein in Sektlaune zu fotografieren und uns die Fotos zukommen zu lassen. Die gelungensten Schnappschüsse werden hier veröffentlicht. Als Preisgeld wird auf dem Fischmarkt an Aschermittwoch ein Kasten Sternburger zum sofortigen Verzehr überreicht.

Bernd das Brot positioniert sich im Konflikt

Wie Indymedia berichtet, hat sich nach dem A-Team nun auch Bernd das Brot auf die Seite der BesetzerInnen des Topf&Söhne-Gelände gestellt.

BILD, Die Welt und der Spiegel veröffentlichten dazu eine DPA-Meldung mit Falschangaben. Demnach habe die Stadt habe bis zuletzt versucht, den BesetzerInnen ein Ersatzobjekt anzubieten. Richtig ist, daß Bausewein und Thierbach den BesetzerInnen am 17.Januar mitgeteilt hatten, das Ersatzobjekt stehe nicht mehr zur Verfügung.

Laut dem folgenden youtube-Video wurde Bernd das Brot auch nicht wie verschiedentlich kolportiert entführt, sondern hat die Innenstadt auf eigenen Wunsch verlassen, weil dort laut der neuen Innenstadtverodnung das Herumlungern verboten sei.

Hier fehlt ein Video, weil der MDR wohl Urheberrechtsansprüche geltend gemacht hat. Aber auf Indy gab es heute das Video zum Herunterladen.

Die TLZ berichtet dazu:

[…] Ein „Bekennerschreiben“ mit Verweis auf eine Botschaft im Internet (de.youtube.com) tauchte um 11.45 Uhr auf. Absender ist eine Gruppe, die sich „129 A-Team“ nennt und sich für den Erhalt des „Besetzen Hauses“ auf dem Topf & Söhne-Gelände ausspricht. Dort will man mit der Tat nichts zu tun haben. „Wir wissen, dass es Unterstützung von verschiedenen Gruppen für uns gibt. Diese ´Entführung´ wird eine ihrer Aktionen sein“, so eine Sprecherin der Besetzer.
Die Kulturdirektion erstattete wegen eben jener Entführung, die schlichtweg Diebstahl sei, gegen 14 Uhr Anzeige gegen Unbekannt. Inga Hettstedt, Sprecherin von OB Andreas Bausewein, fasste zusammen: „Um es mit den Worten von Bernd das Brot zu sagen: ´Das ist nicht lustig´[..]“.