4000 bei rechter Volksfront in Erfurt


Auf jenem Erfurter Domplatz, auf dem Helmut Kohl der jubelnden Menge einst blühende Landschaften versprach, formierte sich am Sonntag Abend eine beängstigende Koalition aus gutsituierten Wutbürger_innen, ergrauten Sarrazinversteher_innen, schwarz-rot-goldenen Partypatriot_innen, dogmatischen Christ_innen, konservativen AfDler_innen und militanten Nazis, um das schöne Thüringen gegen eine drohende kommunistische Machtergreifung zu schützen. Wer sich jetzt verwundert fragt, ob er oder sie etwas nicht mitbekommen hat: Gemeint ist eine rot-rot-grüne Landesregierung, die sich derzeit im neugewählten Thüringer Landtag formiert.

Unter dem Motto „Wir sind das Volk“ hatte Clarsen Ratz, Vorstandsmitglied der Mittelstandsvereinigung der CDU Thüringen, dazu aufgerufen, „den Domplatz in ein Lichtermeer“ zu verwandeln. Gekommen waren mehr als erwartet: Laut Angaben der Polizei versammelten sich 4.000 Menschen, die meisten mit Kerzen bewaffnet. Die Organisator_innen waren darauf offensichtlich nicht vorbereitet, denn es gab nur ein einziges Megaphon. Die CDU hatte zwar zur Teilnahme aufgerufen, aber keine Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Es bleibt abzuwarten, ob die CDU-Spitze auf den Zug noch aufspringen wird, wenn die Regierung endgültig gebildet sein wird.

Neben dem Anmelder selbst redete noch Matthias Büchner, dessen Vergangenheit als Bürgerrechtler den Bezug zum Herbst 1989 betonen sollte, und Stefan Sandmann, Sozialdemokrat aus Ilmenau. Seine markigen Worte fanden am meisten Zustimmung. Etwa, wenn er sagte, dass jeder, der Bodo Ramelow zum Ministerpräsident wähle, das Blut der nach 1946 inhaftierten Sozialdemokraten an den Händen habe.

Der guten Stimmung tat die Tatsache, dass die meisten Anwesenden von den Reden nichts verstehen konnten, keinen Abbruch. Denn es ging sowieso nicht ums Zuhören, sondern ums Dabei sein und um die Bestätigung, dass man Recht hat. Immer wieder wurden spontan Sprechchöre wie „Ramelow geh heim“, „Stasi raus“ oder „Schande“ angestimmt. Fast schon obligatorisch war das Gedenken an die Mauertoten und das Absingen der BRD-Hymne.

Trotzdem gab es mehrere Versuche, der Veranstaltung etwas entgegen zu setzen. Rund 200 Menschen kamen zu einem mit bunten Luftballons geschmückten Block zusammen. Transparente erinnerten an die Toten an den EU-Außengrenzen und forderten, die Mauern überall einzureißen. Auch auf die Anwesenheit von Nazis und AfDlern wurde aufmerksam gemacht. Am Rande standen die Thüringer PIRATEN und erinnerten nicht nur an die Geschichtsvergessenheit, ausgerechnet am Abend der Reichspogromnacht mit Kerzen zu demonstrieren, sondern erinnerten auch daran, dass die CDU eine Blockpartei in der DDR war. Auch DIE PARTEI war mit Schildern vertreten. Zum Ende der Veranstaltung ertönten dann Sprechchöre „Nie wieder Deutschland“, was von den Wutbürger_innen mit „Stasi raus!“ und den Nazis mit „Wer Deutschland nicht liebt soll Deutschland verlassen“ beantwortet wurde.

Spürbar war eine Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen in der Parteiendemokratie, die man doch offiziell mit der Demonstration verteidigen wollte. Die Ideologische Klammer dieser beängstigenden Volksfront von Rechts bildete ein handfester Antikommunismus, der sich immer dann aggressiv und pöbelnd entlud, wenn am Rande einzelne Gegenstimmen laut hörbar wurden und beispielsweise auf die anwesenden Nazis aufmerksam machten. Überall dort, wo es Gegenstimmen gab, wurden diese aus der Menge heraus niedergebrüllt und beschimpft.

Wer nun glaubt, dass der Spuk so wie Halloween vorbei sei, der irrt. Denn pünktlich zur Wahl des Ministerpräsidenten am 4. Dezember wollen die Wutbürger_innen erneut auf die Straße gehen. Alle, die dem etwas entgegensetzen wollen, sollten sich den Termin schon mal vormerken.


Die Domstufen im „Lichtermeer“


Matthias Büchner (links neben der Kamera), Anmelder Clarsen Ratz (über der Kamera) und Stefan Sandmann (rechts oben vom Anmelder)


Was Kommunist_innen schon seit 1918 sagen…


Vater erklärt den Widerstand gegen die DDR


Nazis


Gegendemonstrant_innen


Gegendemonstrant_innen


Gegendemonstrant_innen