„Gegen Arbeitszwang“ in der Arge Erfurt
Schon wieder mit Heliumballons wurde heute in der Arbeitsagentur Erfurt protestiert. Unbekannte Aktivist_innen ließen ein Transparent mit der Aufschrift „Gegen Arbeitszwang“ an die Decke der Empfangshalle steigen und verteilten Flugblätter an die Kunden der ARGE.
Die Aktivist_innen wollten darauf aufmerksam machen, daß es nicht Arbeit ist, die Erwerbslosen fehlt, sondern Geld und gesellschaftliche Teilhabe. Die ARGE fungiert in weiten Teilen nicht als Arbeitsvermittlerin, sondern als Repressionsinstrument, daß Arme mit Maßnahmen, Kürzungen und Zwangsmitteln schikaniert – und das, obwohl noch nicht mal mehr genügend Arbeit für alle zu tun ist.
So schnell die Aktivist_innen gekommen waren, sind sie dann wieder verschwunden.
Der Text des Flugblatts:
Wer behauptet, jede Arbeit sei besser als keine, hat noch nie 8 Stunden am Fließband Müll sortiert. Letztlich geht es bei der Arbeit eben nicht darum, sinnvolle Dinge zu tun, sondern darum, Geld zu verdienen, um sich Bedürfnisse zu erfüllen: Wohnen und Essen, Kino und Urlaub. All das funktioniert heute nur mit Geld. Geld verdient für gewöhnlich nur, wer auch arbeitet. Das Problem ist, daß nicht mehr genug Arbeit da ist, um allen, die Geld brauchen, auch Arbeit zu geben. Selbst diejenigen, die arbeiten, haben oft nicht genug, um sich eine vernünftige Existenz zu sichern. Und wer viel Geld verdient, muss oft feststellen, daß für das schöne Leben kaum noch Zeit da ist, weil Überstunden und Stress keine Zeit übrig lassen.
Wir fragen uns: Warum wird die ewige Tretmühle aus Arbeit, Geld verdienen und Geld ausgeben selbst noch verteidigt, wenn kaum jemand noch eine reguläre Arbeit hat?
Wir behaupten: Die ganze Geschichte von Selbstverwirklichung, Lebenserfüllung und Ar-beitsethos ist nichts als eine große Lüge, um zu übertünchen, daß Arbeit mitnichten eine tolle Sache, sondern ein notwendiges Übel ist. Nicht Arbeit bringt Erfüllung sondern eine sinnvolle Tätigkeit. Was Arbeitslosen machen müssen – Umschulungsmaßnahmen oder Ein-Euro-Jobs – ist weder erfüllend, noch erbringt es genug Geld zum Auskommen. Letztlich wird mit Umschulungen und der ganzen anderen Beschäftigungs-therapie und Arbeitssimulation nur ein System am laufen gehalten, das nicht mehr funktioniert, weil die Arbeit einfach ausgeht.
Warum geht die Arbeit aus? Jeder Computer und jede neue Technik ermöglicht es, mehr Produkte herzustellen, ohne dass Menschen einen Finger rühren. Jeder Unternehmer freut sich, dadurch Arbeitskräfte einzusparen, weil er so billiger produzieren kann und wir alle freuen uns, wenn wir so billiger einkaufen können. Jeder Unternehmer, der sich dem Fortschritt verweigert, wird wegrationalisiert. So macht der Drang zur Profitoptimierung die Arbeit also Stück für Stück überflüssig. Seit den 1970er-Jahren ist es gelungen, diese zerstörerische Tendenz durch Investitionen in Finanzmärkte zu verlangsamen. Spätestens mit der aktuellen Krise wird deutlich, daß das nicht auf Dauer möglich ist.
Der Kapitalismus zieht sich früher oder später den Boden unter den Füßen weg, weil keiner mehr das Geld verdient, um den ganzen produz-ierten Plunder auch noch zu kaufen. Diese Situation ist jetzt real – Arbeit wird nicht mehr gebraucht, weil Computer und Bandstraßen besser und billiger produzieren als Menschen.
Alle wissen, daß es nie wieder Vollbeschäftigung geben wird.
Wir müssen jetzt dafür eintreten, daß Arbeit nicht mehr die Voraussetzung für ein aus-kömmliches Einkommen ist. Wenn nicht mehr genug Arbeit für alle da ist, dann muss die Existenzsicherung eben von der Arbeit entkoppelt werden. Das geht ganz einfach mit einer bedingungslosen Grundsicherung für alle – selbstverständlich auch für Flüchtlinge und Illegalisierte. Eine Grundsicherung ohne Wenn und Aber, ohne Ämterschikanen, ohne Hausbesuche, ohne Arbeitszwang und ohne soziale Trainingskurse.
Wenn das trotz einer immensen Produktivität nicht realisiert wird, spricht das nur dafür, daß das kapitalistische System ein gutes Leben für alle unmöglich macht. Wenn das so ist, sagen wir: „Nieder mit dem Kapitalismus!“