1. Mai: Seit 124 Jahren auch gegen die Arbeit
Im Mai 1886 fanden in Chicago die Haymarket Riots statt. Aus Widerstand gegen elende Arbeitsbedingungen kam es zu einem mehrtägigen Streik, der auch auf der Straße ausgefochten wurden. Am 4. Mai explodierte bei einer Demonstration eine Bombe. Dafür verurteilt und größtenteils hingerichtet wurden acht Anarchisten, die den Streik organisiert hatten. Das Gericht konnte ihnen zwar nicht nachweisen, daß sie die Bombe gelegt hatten, befand sie aber der intellektuellen Täterschaft schuldig.
Vier Jahre später wurde auf einem Arbeiterkongress in Paris beschlossen, den 1. Mai als internationalen Kampftag der Arbeiterklasse auszurufen. Wieviel Aufmerksamkeit an diesem Tag auf „Kampf“, wieviel auf „Klasse“ und wieviel auf „Arbeit“ liegt, ist umstritten.
1890 ging es um kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen. Für KommunistInnen wurde der Tag in den Jahren danach ein Tag des Klassenkampfes. Im Nationalsozialismus wandelte er sich zum „Feiertag der nationalen Arbeit“. In der DDR fanden Militärparaden statt, dazu wurde die Arbeiterklasse verpflichtet, an Tribühnen mit Parteiprominenz vorbei zu flanieren. In der BRD rief die Gewerkschaft nach klassenkämpferischen Anfängen später immer mehr zum gemeinsamen Bratwursessen oder gleich zum Maispaziergang im Grünen auf. In Berlin findet seit dem 1. Mai 1987 rituelle Randale statt. Die Nazis beziehen sich seit Mitte der 1990er-Jahre erneut auf den Tag und versuchen mit wechselndem Erfolg, Aufmärsche durchzusetzen.
„Tag der Arbeit“ ist heute eine gängige Bezeichnung für den 1. Mai. Aber die Arbeiterklasse stand nie so eindeutig auf der Seite der Arbeit, wie das manche gerne hätten. Für diejenigen, die 1886 demonstriert haben, war Arbeit eine bittere Notwendigkeit, die ihnen das Leben zur Hölle gemacht hat. Und auch später war vielen bewusst, daß Arbeit viel mehr ein Zwangsinstrument als ein Vehikel zur Befreiung ist. Wie den Arbeitern auf dem Bild: Sie demonstrierten 1931 gegen den freiwilligen Arbeitsdienst — die damalige Variante des 1-€-Jobs.