Flüchtlingsrat Thüringen verleiht Preis für größtmögliche Gemeinheit an Geraer Richter und Sonneberger Ausländerbehörde

Martin Zundel ist Richter am Verwaltungsgericht Gera. In vertrauter Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde Sonneberg hat er vor kurzem erwirkt, dass Kadri Vucinaj in den Kosovo abgeschoben wurde.

Kadri Vucinaj war 1990 als fünfjähriger nach Thüringen gekommen. 21 Jahre Thüringer Verhältnisse hat er ausgehalten. Dass er dann nach Bayern umzog, ohne die Ausländerbehörde rechtzeitig zu informieren, wurde ihm zum Verhängnis. Die Ausländerbehörde Sonneberg nahm den Umzug zum Anlass, seine Abschiebung anzuordnen. Den Widerspruch dagegen lehnte Richter Zundel vom VG Gera im Eilverfahren ab. Dass das Oberverwaltungsgericht in Weimar diese Entscheidung kurz darauf kassierte, nutzte Kadri Vucinaj nichts mehr: Er saß schon im Flugzeug in ein unbekanntes Land, in dem er sich wegen seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der Ashkali nur unter Gefahr für Leib und Leben aufhalten kann.

Für diese ausgemacht menschenfeindliche Zusammenarbeit hat der Flüchtlingsrat Thüringen heute, am Tag des Flüchtlings, dem Richter und der Ausländerbehörde den Preis für die größtmögliche Gemeinheit gegen Flüchtlinge verliehen. Im letzten Jahr hatte die SPD-Fraktion im Thüringer Landtag den Preis erhalten, weil sie sich zwar im Wahlkampf gegen die rassistische Residenzpflicht ausgesprochen hatte, sich dann aber aus Gründen der Koalitionsdisziplin dagegen entschieden hatten, die Residenzpflicht aufzuheben.

Den Preis für herausragendes Engagement im Bereich der Flüchtlingshilfe erhielt The VOICE.

Mehr dazu beim Flüchtlingsrat Thüringen.

Antifaschistisches Begleitprogramm zu Eva Hermann in Arnstadt

Eva mach den Abwasch - das Frauenbild von Eva Hermann 51 Antifas stehen um einen Brunnen herum, hören Musik oder unterhalten sich. Davor liegt ein Transparent, zwei Schilder werden gezeigt. So sieht die Kundgebung gegen Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und Sexismus anlässlich der Lesung von Eva Hermann in Arnstadt am 29.9.2011 aus. In der Kleinstadt wissen anscheinend alle, was sie voneinander zu erwarten haben. In Redebeiträgen geht es um das Arnstädter Stadtecho und Pro Arnstadt, um das Herumlavieren zwischen Konservatismus und Faschismus und um das verschwörungstheoretische Weltbild des Kopp-Verlags, für den Eva Hermann arbeitet, nachdem sie beim NDR für ihre wohlwollenden Äußerungen über völkische Familienpolitik vor die Tür gesetzt wurde. Ein paar PolizistInnen stehen gelangweilt am anderen Ende des Platzes. Sogar der Bürgermeister Hans-Christian Köllmer, der (aus gutem Grund) als protofaschistisch kritisiert wird, schaut kurz bei der Kundgebung vorbei und holt sich ein Flugblatt ab.

30 Meter weiter, vor dem „Thüringer-Kloß-Hotel zur Goldenen Henne“, wo sonst Senioren-Tanzabende stattfinden, stehen zwei DemonstrantInnen und verteilen Flugblätter an die BesucherInnen der Lesung: „Begleitheft zur Veranstaltung?“ Fast alle nehmen den angebotenen Zettel, manche werfen ihn gleich demonstrativ weg. Der Büchertisch im Foyer verkauft Bücher und CDs von Eva Hermann, nicht die obskuren Verschwörungstheorien oder die rechte Esoterik des Kopp-Verlags. Die Verschwörungstheoretiker sind natürlich trotzdem gekommen. Einer versucht, die DemonstrantInnen davon zu überzeugen, das alles ganz anders ist, als alle denken. Er spricht über Pogrome gegen Deutsche und die heimliche Herrschaft der Bänker. Ein anderer echauffiert sich darüber, dass Auschwitz immer genutzt würde, um die Deutschen schlecht zu machen. Er fragt empört, warum immer alle mit Fingern auf ihn und seine Freunde zeigen („Warum zeigen immer alle mit dem Finger auf uns?“) Ein anderer betont seine Offenheit gegenüber allem und jedem, bleibt aber dabei, dass Frauen in die Küche gehören. Alles in allem erinnert die Atmosphäre vor dem Eingang zur „Goldenen Henne“ an ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen.

Der Veranstalter Thomas Buchtzig (Arnstädter Stadtecho und Stadtrat für Pro Arnstadt) behauptet, er habe 160 Karten verkauft — jede übrigens für 14€. Nachdem einige lokal bekannte Nazis das Hotel betreten wird er gefragt, ob er einschätzen kann, wieviele organisierte Neonazis an seiner Veranstaltung teilnehmen: „Keine“, da ist er ganz sicher. Denn wie die LeserInnen des Stadtechos wissen, gibt es in Arnstadt keine Nazis — nur eine Diktatur der Gutmenschen, die jeden ausgrenzen, der mal eine politisch inkorrekte Wahrheit sagt.

Adorno fürchtet die Demokraten - Transpi der Antifa Arnstadt/Ilmenau
Transparent der Antifa Arnstadt/Ilmenau

Eva Hermann und der Kopp-Verlag: Nicht alle fliegenden Untertassen im Schrank
Eva Hermann und der Kopp-Verlag: Nicht alle fliegenden Untertassen im Schrank

Der Bürgermeister von Arnstadt Hans-Christian Köllmer Begleitheft für die Veranstaltung gefällig? Flugis verteilen vor dem Eingang.
Bürgermeister Hans-Christian Köllmer schaut bei der Kundgebung vorbei, DemonstrantInnen erwidern den Besuch vor der „Goldenen Henne“

Büchertisch bei Eva Hermann Veranstaltung
Keine rechte Esoterik, keine Verschwörungstheorien von Kopp: Büchertisch bei Eva Hermann

Donnerstag in Arnstadt: Gegen durchgeknallten Unsinn

Update: Zugtreffpunkt für Erfurt ist 18:15 Uhr Erfurt Hbf.

Arnstadt ist eines dieser halb-braunen, kleinen Käffer, von denen es so viele in Thüringen gibt. Der Bürgermeister ist bei einer Rechtsabspaltung der CDU und hat was gegen Nationalsozialismus, weil ihm da zu viel Sozialismus drin ist. Irgendwie an seine Kleinpartei drangefilzt ist ein stramm rechtes Provinzblättchen. Das hat jetzt eine Frau eingeladen, die hauptberuflich steile Thesen über Ufos, Geheimgesellschaften und Erdmagie im Internetfernsehen eines verschwörungstheoretischen Verlags vorliest. Sie soll in Arnstadt erzählen, wie gemein das Establishment zu allen ist, die sich dem feministisch-marxistischen Meinungsterror der Alt-68er widersetzen. Damit soll ein verhindert werden, dass die Diktatur der Politischen Korrektheit auch Arnstadt überrennt und den Bürgermeister zum Teufel jagt.

Aber genau das hat die Antifa Arnstadt/Ilmenau vor. Mit Adorno und Antifa-Fahne im Handgepäck geht es gegen den völkischen Wahn von Eva Herman, Pro Arnstadt und dem Arnstädter Stadtecho und gegen Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und Sexismus. Am 29.9.2011 ab 19 Uhr auf dem Riedelplatz in Arnstadt — in direkter Nachbarschaft zur Eva Herman-Veranstaltung.

Den ausführlichen Aufruf gibt es hier, mobilisiert wird über http://www.antifa-arnstadt.tk/.

800 wollen nicht Papst sein in Erfurt

Fronttranspi Anti-Papst-DemoSchon auf dem Weg zur Demo unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenangst“ sieht man, dass sich nicht alle auf den hohen Besuch freuen: Diverse Papst-Plakate sind mit Teufelshörnern oder Comic-Augen verschönert, Aufkleber sagen „Lieber 1000 Gurus als einen Papst“ (Wirklich?) Der Ort der Auftaktkundgebung ist schon eine Stunde vor der Demo voll: Massig Polizei steht gelangweilt herum, dazu gibt es ein Zelt, dass den zahlreichen TouristInnen Thüringen schmackhaft machen soll. Der Tourismusverband beteilige sich am Heidenspaß und verkauft ketzerische „Ratzefummel“, um kleine Bleistift-Sünden zu entfernen — ein klares Sakrileg.

Kondome gegen repressive Sexualmorals des PapstesNach und nach füllt sich der Platz. Die Demo ist eine richtige Familiendemo, zwar ist die Spitze ziemlich schwarz und jung, aber schon etwas weiter hinten findet man alle Altersgruppen und Milieus. Viele Leute haben sich verkleidet oder kreative Winkelemente mitgebracht — wie eine Gruppe junger Leute, die mit einer Papst-Handpuppe und roten Fahnen mit einem weißen Häschen drauf demonstrieren.Es gibt fliegende Kondome, viele selbstgebastelte Schilder, Spruchbänder und Plakate. Die Giordano-Bruno-Stiftung verteilt Flugblätter, ebenso wie das Bündnis Heidenspaß statt Höllenangst und wi(e)derdienatur. Über allem schweben mehrere Fliegende Spaghettimonster. Zum Auftakt gibt es den Redebeitrag des Bündnis und eine Grußnote aus Berlin.

Kondome retten LebenAls die Demo ca. 18.30 losgeht, sind ca. 800 Menschen vor Ort. Die Polizei weist besorgt darauf hin, dass so viele nicht auf den Platz für die geplante Abschlusskundgebung passen und bittet darum, den Aufzug vorzeitig auf dem Anger zu beenden. Wieso die Polizei dann in ihrer Pressemitteilung von 400 DemonstrantInnen redet, ist schlichtweg nicht zu verstehen — die hätten nämlich auf den Platz gepasst. Aber was soll’s.

Missbrauchsfälle und Rechte Ideologie bei der Kirche Vor der Staatskanzlei gibt es einen weiteren Redebeitrag aus dem Kreis den Bündnis, der sich gegen die starken Verflechtungen von Kirche und Staat gerade in Thüringen wendet. Danach gibt es einen weiteren, längeren Beitrag aus Berlin, der mit „Der Papst ist ein Nazi“ beginnt und in dieser Preisklasse zehn Minuten weitergeht: „Der katholische Vollirre [..] ist nach Adolf Hitler und Mario Barth der dritte Deutsche Kabarettist, der das Olympiastation voll kriegt“ — außerdem sei der Besuch zu teuer. Beide Redebeiträge werden nicht nur positiv aufgenommen: „Ich wäre auch gegen einen laizistischen Staat“ meint eine Person zum ersten, nach dem zweiten beschwert sich eine Demonstrantin: „Diese Hasstiraden müssen aber nicht sein.“

Es rettet und kein höhres Wesen -- Die InternationaleAuch wenn die Demo nicht die lauteste ist, gibt es Sprechchöre: „Staat, Nation, Religion — Scheiße“, „Kondome für alle – und zwar umsonst“, „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“, „Vatikan, Gottesstaat, wir haben Dich zum Kotzen satt“, etc. „Nicht gerade ein Heidenspaß. Es hätte schon mehr Stimmung sein können.“ meint eine Demonstrantin vor der Abschlusskundgebung. Aber es gibt noch einen Erlass der wi(e)dernatürlichen Eminenzen, der wegen der verzerrten Stimme nicht sonderlich gut zu verstehen ist. Die Linksjugend kritisierte danach realpolitisch den Papstbesuch — hohe Kosten, Trennung von Kirche und Staat, etc. Als Abschluss gibt es eine begeistert aufgenommene Einladung zur Soli-Party für den Kirchenaustritt — „Du willst raus — wir helfen Dir!“ — morgen (24.9.) nach den Protesten ab 18 Uhr im Jugendbüro Redroxx.

Ver.di-Frauen gegen den PapstAls letztes spricht Undine Zachlot vom ver.di-Frauenrat und macht nochmal richtig Stimmung. Das Abschieben von Verantwortung auf ein höheres Wesen und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod weist sie von sich und besteht darauf, dass die Menschen selbst im hier und jetzt für ein gutes Leben streiten sollen. Aus gewerkschaftlicher Sicht kritisiert sie die arbeiterInnenfeindliche Rolle, die der Arbeitgeber Kirche nach wie vor mit staatlichem Segen einnimmt. Die Rede endet mit „Alle Frauen sind klug, schön und stark und brauchen keinen Papst“. Danach gibt es nur noch Musik und den Aufruf, morgen wieder zu kommen und an der religionsfreien Zone teilzunehmen.

Erfurt: Streetart erinnert an Räumung von Topf&Söhne vor zweieinhalb Jahren


Schwerbewaffnete Polizei-Sondereinheiten auf dem Dach eines antifaschistischen selbstverwalteten Projekts – das ist Thüringen. Diese Streetart auf einem Werbeplakat in der Weimarischen Straße in Erfurt erinnerte heute an die gewaltsame Räumung des ehemaligen Topf&Söhne-Geländes am 16.4.2009. Gegenüber befindet sich der Parkplatzes, an dessen Stelle sich das Haupthaus der Besetzung befand und der jeden Tag deutlich macht, dass es eine Lücke in Erfurt gibt, die bis heute nicht gefüllt werden konnte.

Erfurt: Behörden gegen Obst beim Papstbesuch

Äpfel für RatzeWie Indymedia meldet, hat der Verfassungsschutz in der Nacht vom 16. auf den 17. September das Autonome Jugendzentrum AJZ in Erfurt aufgesucht und dort versucht, mehr über geplante Aktionen anlässlich des Papstbesuchs am kommenden Wochenende herauszubekommen. Natürlich haben die Spione eine Abfuhr erhalten.

Außerdem kam es am Vortag in mindestens einer Wohnung innerhalb des anlässlich des Papstbesuchs eingerichteten katholischen Sperrbereichs zu einem Hausbesuch des Staatsschutz. Den verdutzten BewohnerInnen wurde mitgeteilt, sie sollten ihren Protest gegen den Papst nur friedlich zum Ausdruck bringen und keinesfalls an einer Spontandemonstration gegen den Pontifex teilnehmen oder ihn mit Obst bewerfen.

Mehr noch als bei anderen Events wünscht man sich also von staatlicher Seite, dass Störungen beim Papstbesuch in Erfurt unterbleiben — dafür spricht auch, dass Polizeistreifen und Ordnungsamt in Erfurt antikirchliche Aufkleber abkratzen. Außer der Idee mit der Sponti und dem Obst (wie’s wohl mit Gemüse oder Farbeiern aussieht?) kann man am 23.09.2011 ab 18 Uhr in Erfurt an einer Demonstration gegen den Papstbesuch und am 24.09.2011 vom 7.30-12.00 Uhr an einer religionsfreien Zone auf dem Anger teilnehmen – mehr dazu bei http://papst.abschaffen.com.