Flugblatt: Rassismus bekämpfen!

Flugblatt: Rassismus bekämpfen!
Rechtsterrorismus hat eine lange Tradition in Deutschland. Die Mordtaten des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ sind dabei ein weiterer Höhepunkt. Neun Menschen, die den Tätern nicht deutsch genug aussahen, wurden hingerichtet. Das Motiv: Rassismus. Wir nehmen diesen Umstand zum Anlass um Rassismus auf die Tagesordnung zu setzen. Nazis sollten nicht länger ungehindert agieren können. Wir wollen nicht weiter wegschauen wenn uns Rassismus im Alltag, auf der Straße, in der Schule, im Supermarkt oder wo auch immer begegnet.

Nazis morden
Nicht nur als Terrorzelle, strategisch gezielt und geplant, töten Nazis Menschen die nicht in ihr braunes Weltbild passen. Laut „Mut gegen rechte Gewalt“ starben seit der Wiedervereinigung mindestens 182 Menschen durch rechte Gewalt. Den Taten vorausgegangen sind unzählige rechte Veranstaltungen, Demonstrationen und Aktionen die die Täter besuchten oder an denen sie beteiligt waren. Menschenverachtender Rassismus und Sozialdarwinismus gehören dort zum guten Ton.

Rassismus teilt die Menschen in verschiedene unveränderliche Gruppen ein, wie Rassen oder in neueren Ausprägungen auch Ethnien oder Kulturen. Die eigene Gruppe wird dann hierarchisch über andere Gruppierungen gestellt denen weniger Intelligenz, Rückständigkeit oder einfach Faulheit zugeschrieben werden. Gepaart wird das ganze mit dem Aufbauschen eines Bedrohungsszenarios. Die Anderen würden, so rassistische Argumentationen, die eigene Menschengruppe unterwandern, auflösen oder zersetzen.

Sozialdarwinismus ist das Recht des Stärkeren. Äußerliche Unterschiede von Menschen werden als naturgegeben behandelt. Die Gene und Erbanlagen sollen ausschlaggebend für die soziale und ökonomische Stellung von Menschen in der Gesellschaft sein. Als „gut“ definierte Personen sollen gefördert, als „schlecht“ definierte ausgelöscht werden. Die Zuordnung geschieht lediglich durch die willkürliche Festlegung von Menschen.

Rassismus tötet
Rassismus unterteilt Menschen in verschiedenwertige Gruppen. Ausgrenzung und Diskriminierung von großen Bevölkerungsteilen sind die Folgen. Wenn Nazis töten oder Leute verprügeln setzen sie letztlich nur das um was sie ideologisch bereits zigmal im Kopf durchexerziert haben. Dabei geht es uns nicht darum zu behaupten, dass alle Rassistinnen und Rassisten auch gewalttätig werden. Vielmehr wird allein schon im Hinnehmen von rechter Gewalt und dem Wiederkäuen von Rassismen diese legitimiert. Um die eigene Gruppe (sei es Volk, Nation, Rasse oder Standort) beschützen zu wollen, wird Menschen aufgrund von äußeren Zuschreibungen das Menschsein abgesprochen. Mord an „Minderwertigen“ ist die logische Konsequenz aus Rassismus.

Gesellschaftliche Verankerungen
Rassismus ist nicht bloß ein Problem des rechten Randes – auch wenn er dort am ausgeprägtesten zu Tage tritt. Rassistische Klischees sind in der Gesellschaft tief verwurzelt. So stimmen im Thüringen Monitor 2011, einer repräsentativen Studie der Universität Jena, 56% der Befragten der Aussage zu „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet.“ Und das bei einem sogenannten „Ausländeranteil“ von weniger als 2% in Thüringen. (Zum Vergleich: In den alten Bundesländern liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund zwischen 8% und 20%. Dort stimmen in Umfragen wesentlich weniger Menschen vergleichbaren rassistischen Aussagen zu).

Menschen werden nicht als Nazis geboren. Wenn Menschen in der Erziehung, in Schule und Ausbildung, auf Arbeit, in der Familie und im Freundeskreis mit rassistischen Vorurteilen in Berührung kommen, werden sie sehr wahrscheinlich selbst rassistische Thesen übernehmen und verbreiten. Verstärkt wird das Ganze wenn sie über Kontakte zu organisierten Nazis verfügen, die es zuhauf überall in Thüringen gibt. Dort stellen sie nämlich fest, dass die Nazis aus den bereits gelernten Rassismen ein politisches Programm machen, an das sie sehr einfach andocken können. Besonders gruselig ist es, wenn rechte Thesen in der Gesellschaft als solche nicht mal erkannt werden. Dies ist jedoch in dieser Gesellschaft nur möglich, weil sie in ihren Grundzügen rassistisch ist.

Wenn Nazis dann zuschlagen fühlen sie sich durch die sie umgebende Gesellschaft gestärkt. Sie würden ja nur das ausführen, was der Rest der Gesellschaft zwar denkt, aber sich nicht traut umzusetzen.

Angriff von Oben
Nicht nur im Alltag findet Rassismus eine große Verbreitung. Eine Reihe gesellschaftlicher Akteure versuchen gezielt Rassismen in breiten Teilen der Bevölkerung zu verankern. Abgesehen von Nazis, bei denen klar ist, dass sie dieses Ziel haben, treten hier insbesondere rechte Eliten in Erscheinung. Bekanntestes Beispiel aus der letzten Zeit ist ex Bundesbank Vorstands Mitglied, Berliner Finanzsenator und SPD-Mitglied Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“. Sein Buch avancierte zum Bestseller, wurde über eine Million mal verkauft und führte über mehrere Monate zu einer breiten Diskussion in allen großen Zeitungen und Zeitschriften. Dass Sarrazin das Opfer einer herbei halluzinierten „Political Correctnes“ wurde, erweist sich schon anhand seiner gesellschaftlichen Stellung und der großen Verbreitung seiner Thesen als Unfug.
Sarrazin behauptet, dass Intelligenz weitestgehend angeboren sei. Dabei sollen Menschen die aus islamisch geprägten Ländern kommen und deutsche Hartz 4 Bezieherinnen und Bezieher grundsätzlich weniger intelligent sein als andere Bevölkerungsschichten in Deutschland. Sarrazin fordert die weniger schlauen Schichten auszutrocknen und die gesellschaftliche Elite zu fördern. Es entspann sich eine breit geführte und rassistisch konnotierte „Integrationsdebatte“. Wobei Integration nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sondern als ein von Migrantinnen und Migranten individuell zu vollziehender Akt gedacht wurde. Auch wurde unter dem Begriff keine Annäherung durch gegenseitige Auseinandersetzung und Kommunikation verstanden, sondern die völlige Anpassung an die deutsche Mehrheitsgesellschaft (was gemeinhin als Assimilation bezeichnet wird). Demnach gilt eine Türkin erst dann als erfolgreich Integriert wenn sie die deutsche Sprache perfekt spricht, einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehört, zu Hause Bratwurst mit Sauerkraut zubereitet und sich bei H&M einkleidet (sexistische Zuschreibungen inklusive).

Sarrazin stützt seine Thesen mit zahlreichen Zahlen und Statistiken. Eine große Zahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, aus deren Arbeiten sich Sarrazin bedient, distanzieren sich von seinen willkürlichen Interpretationen. Sie tun dies nicht, weil sie sich nicht trauen die Wahrheit zu sagen, sondern weil Sarrazins Verklärungen schlichtweg falsch sind. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte er: wenn man keine Zahl hat, die die eigene Behauptung stützt, muss „man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist“.
Und genau dies hat er getan: Hier und da einige statistische Zahlen zusammengewürfelt um sein rassistischen Thesen zu belegen.

Sarrazis Ziel ist es, gesellschaftliche Ursachen für soziale Ungleichheit zu verschleiern. Dazu benutzt er rassistische und sozialdarwinistische Argumentationen. Wer die „Armen“ angreift braucht die Armut nicht anzugreifen.

Rassismus bekämpfen
Das entscheidende bei der Bekämpfung von Rassismus ist, sich nicht nur proforma von Nazis abzugrenzen. Es geht darum, auch inhaltlich gegen alle rassistischen Ressentiments, wie und wo sie auch auftreten, Stellung zu beziehen.
Dafür kann eine theoretische Auseinandersetzung mit Rassismus nicht schaden.
Dabei wird die Widersprüchlichkeit von rassistischen Aussagen schnell offensichtlich. Auf der einen Seite sollen „die Ausländer“ „unsere“ Arbeitsplätze wegnehmen und auf der anderen Seite wird behauptet Ausländer seien Faul. Mal würden sie sich nicht integrieren um ihnen das nächste mal vorzuwerfen, dass ihre bloße Anwesenheit zur Überfremdung der deutschen Gesellschaft führe. Erst heißt es „Ausländer sind unordentlich und verwahrlost“, dann sie würden auf Zucht und Ordnung setzen indem sie Kinder und Frauen unterdrücken. Diese Liste ließe sich bequem weiterführen. Die sowieso schon als andersartig stigmatisierten sollen darüber hinaus also noch als minderwertig, schädlich oder kriminell diskriminiert werden.
Derlei Widersprüchlichkeiten aufzudecken und das Wissen rassistische Argumentationsmuster als solche zu benennen und widerlegen zu können ist das Ziel einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Rassismus. Wer sich inhaltlich mit rassistischen Klischees beschäftigt, wird auch in der Lage dazu sein, Rassismus im Alltag zu erkennen, zu thematisieren und zu widerlegen.

Aktiv werden

Wir wollen, dass kein Mensch mehr von Nazis oder nazistischen Terrorgruppen getötet oder verletzt wird. Niemand soll aufgrund von äußerlichen Merkmalen ausgegrenzt oder diskriminiert werden. Die Opfer, die Rassismus bis heute verursacht hat, sind mehr als genug! Darum stellen wir uns Rassismus entschlossen entgegen. Die inhaltliche Auseinandersetzung und das Widersetzen im Alltag sind dabei ein wesentlicher Ausgangspunkt. Doch darüber hinaus gibt es viele weitere Möglichkeiten aktiv zu werden. Die Verhinderung von Nazidemonstrationen, das Engagement gegen rassistische Sondergesetze wie die Residenzpflicht oder das Thematisieren der unzähligen Schicksale von Flüchtlingen, die vor den grenzen Europas im Meer ertrinken, sind nur ein paar Beispiele. Viele Gruppen, die zu den genannten und vielen weitere Themen arbeiten, freuen sich über personelle Unterstützung. Mit Freundinnen und Freunden können auch neue Gruppen gegründet werden. Und wer gemeinsam mit uns diskutieren, sich inhaltlich auseinandersetzen, Ideen spinnen und Aktionen planen will, ist herzlich eingeladen, zu unseren Öffnungszeiten bei uns vorbei zu kommen oder via E-Mail Kontakt mit uns aufzunehmen.

Infoladen Sabotnik im März 2012


Weitere Infos im Internet:

www.fluechtlingsrat-thr.de
erfurtnazifrei.wordpress.com
www.autistici.org/ag17
baustein.dgb-bwt.de
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

Bücher aus der Infoladen Bibliothek:

  • Robert Miles: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs (Signatur:MR48)
  • Ute Osterkamp: Rassismus als Selbstentmächtigung (Signatur:MR45)
  • Klaus Ahlheim, BardoHeger: Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit (Signatur:MR42)
  • Robin Schneider: Zum Beispiel Flüchtlinge (Signatur:MR21)
  • Markus Tedemann: 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt (Signatur: RA40)

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