Sarrazinjugend versuchte erfolglos vor der ARGE Erfurt zu demonstrieren
Drei Mitglieder der neu gegründeten „Sarrazinjugend“ haben heute, am 05.04.2012, vor der Erfurter Agentur für Arbeit demonstriert. Auf Schildern forderten sie die „Zwangssterilisation für Erwerbslose und MigrantInnen“ und warben dafür, das Buch „Deutschland schafft sich ab“ zu kaufen. Bei den KundInnen der ARGE stieß die Aktion auf einige Ablehnung.
Außerdem bildete sich nach kurzer Zeit spontan eine Gegendemonstration von Angehörigen des Bündnisses „Sarrazin absagen“. Auf den Flyern der Gegendemonstration wurden Erwerbslose aufgefordert, sich gegen die Thesen Sarrazins gemeinsam mit MigrantInnen zu solidarisieren, da beide Gruppen in Sarrazins Weltsicht dümmer und daher weniger wert seien und ihre Vermehrung aufzuhalten sei. Es kam zu einigen Wortwechseln zwischen den verfeindeten Gruppen und am Ende auch zu Handgreiflichkeiten, bei denen die SarrazingegnerInnen sich durchsetzen konnten, so dass die Sarrazinjugend von der Bildfläche verschwand. Die Sarrazinjugend wurde von den meisten PassantInnen gemieden oder nicht ernst genommen. Einigen Zuspruch gab es für die GegendemonstrantInnen.
Mehrere PassantInnen erklärten, dass sie auf jeden Fall zur der Gegenkundgebung zur Lesung Sarrazins am 09. Mai ab 18.00 Uhr an der alten Oper Erfurt kommen würden.
Die Sarrazinjugend vor der ARGE.
GegendemonstrantInnen (im Hintergrund)
Ende der Aktion
Hier noch der Text des Flugblatt der GegendemonstrantInnen:
Gegen Sarrazins Buchlesung und seine Thesen
Wenn das Geld nicht mehr ausreicht um die Heizkosten zu zahlen sollen Menschen überlegen „ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können“ sagte Thilo Sarrazin in einem Interview mit der „Rheinischen Post“. Die Menschen, denen Sarrazin hier die Benutzung einer Heizung abspricht, wenn es im Winter kalt wird, sind Bedürftige, Arme und Hartz4 Bezieher und Bezieherinnen – denjenigen also, denen es im gesellschaftlichen Vergleich sowieso schon am schlechtesten geht.
Doch damit nicht genug: er will den Hartz4 Regelsatz erheblich kürzen, setzt sich gegen Mindestlohn ein, fordert Zwangsarbeit ohne jeglichen Zuschlag auf das Arbeitslosengeld II und das Erwerbslose keine Kinder mehr bekommen sollen. Er begründet diese zutiefst antisozialen Forderungen damit, dass dauerhaft Erwerbslose grundsätzlich weniger Intelligent seien als andere Menschen. Für Sarrazin ist Intelligenz größtenteils angeboren. Wenn die Eltern bereits dumm sind, werden es die Kinder erst recht, so die Logik von Sarrazin. Dabei unterlässt er es nicht nur zu definieren was er mit „Intelligenz“ eigentlich meint, er verkennt auch, dass verschiedene Menschen in unterschiedlichen Dingen gut sein können. Ist eine Person, die gut rechnen kann, denn intelligenter als eine Person die besonders gut alte Menschen Pflegen oder Blumen züchten kann? Und wie soll man das Messen können?
Nach Sarrazin ist jeder Mensch ausschließlich selbst für das eigene Schicksal verantwortlich. Wer keinen Arbeitsplatz findet ist selbst daran schuld. Wer in einer armen Familie aufwächst ebenso wie eine Person, die von einem Betrieb „wegrationalisiert“ und gefeuert wurde. Sarrazin versucht also die gesellschaftlichen Ursachen für soziale Ungleichheiten zu verschleiern und die Schuld für ihre mistige Lage den Betroffenen selbst in die Schuhe zu schieben. Dabei verkennt er das soziale Unterschiede immer durch die gesellschaftlichen Bedingungen erzeugt werden. Der Mensch ist ein Gesellschaftswesen. Er kann nur durch die Anwesenheit anderer (über)leben.
Sarrazins Thesen zielen darauf ab Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Er will, dass sich unterbezahlte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Erwerbslosen abgrenzen, Kurzzeiterwerbslose von Langzeiterwerbslosen und Langzeiterwerbslose von MigrantInnen. Damit sichert er seinen eigenen Status und den von weiteren Profiteuren einer ungerechten Gesellschaftsordnung. Denn wenn sich diejenigen, die im Kapitalismus die VerliererInnen sind, gegenseitig in die Mangel nehmen, wird niemand darüber reden, wie gesellschaftliche Verhältnisse sozialer und gerechter gestaltet werden können.
Am 9. Mai soll in Erfurt Thilo Sarrazin (SPD), Ex Bundesbank Vorstandsmitglied und früherer Berliner Finanzsenator, aus seinen Buch „Deutschland schafft sich ab“ lesen.
Darin verbreitet er neben den genannten sozialchauvinistischen auch rassistische Thesen.
Sarrazin behauptet, dass neben Langzeitarbeitslosen auch bestimmten Kulturkreisen, vorwiegend aus Gründen der genetischen Veranlagung, nur eine bestimmte Intelligenz zukomme. Er sagt, dass MigrantInnen aus Ländern mit islamischer Prägung generell einen niedrigeren Intelligenzquotient aufweisen würden.Diese biologistische Theorie ist wissenschaftlich schon längst widerlegt. Es gab in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts international verschiedene Studien, die jeglichen Versuchen widersprechen, Menschen aufgrund von Genen in höher und minderwertige Gruppen einzuteilen. In diesen wurde die fast 100%ige genetische Gleichheit aller Menschen nachgewiesen.
Außerdem behauptet Sarrazin in seinem Buch MigrantInnen würden sich nicht integrieren wollen, sie seien faul und kriminell. Die Humbold Universität Berlin hat dazu ein Dossier veröffentlicht in welchem die Thesen Sarrazins untersucht wurden. Das Dossier sagt im Fazit aus, dass diese und andere Thesen Sarrazins falsch sind und nicht mit den Ergebnissen aktueller Studien übereinstimmen. Er beurteilt Menschen ausschließlich nach ihrer Produktivität für die Gesellschaft und wertet seiner Meinung nach weniger produktive Menschengruppen pauschal ab.
Er steht damit für eine rassistische, auf Verwertung und Ausbeutung basierende Gesellschaftsordnung, in der er und seines gleichen machtvolle Positionen einnehmen und ausbauen können. Diese Gesellschaftsordnung sei naturgegeben und genetisch sei vorbestimmt, wer in ihr höher aufsteigen könne und wer nicht.
Um dem etwas entgegen setzen zu können, braucht es nicht noch mehr Hass und Neid unter den Ausgegrenzten, sondern Solidarität. Konkret kannst du dich gemeinsam solidarisch mit anderen an den Protesten gegen die Lesung von Sarrazin am 09. Mai um 18 Uhr vor der alten Oper in Erfurt beteiligen. Dort sollen auf einer Kundgebung die sozialchauvinistischen und rassistischen Vorstellungen Sarrazins und seiner AnhängerInnen kritisiert werden.