Habibi wieder auf freiem Fuß
Der gestern durch die Bundespolizei festgenommene Flüchtlingsaktivist Tadjmohammad Habibi ist heute morgen um 9 Uhr aus der Haft entlassen worden. „Dies war nur möglich, weil sich breiter und öffentlicher Widerstand schnell formierte und aktiv die Behörden und Polizei in ihrer Praxis beobachtet, kritisch begleitetet und unter Druck gesetzt hat“, resümierte Osaren Igbinoba von der Flüchtlings-Selbsthilfeorganisation „The Voice Refugee Forum“. So haben sich gestern seit 17.30 Uhr etwa 40 Menschen zu einer Spontankundgebung vor der Polizeiwache versammelt, haben sich Zugang zu den Räumlichkeiten der Polizei verschafft, die Freilassung von Habibi gefordert und die Behörde mit ihrer rassistischen Praxis konfrontiert. Erst dann war es möglich Habibi, der sich dort komplett entkleiden und seine Fingerabdrücke abgeben musste, auch zu sehen und zu sprechen und ihm die Solidarität zu übermitteln. Ferner haben die Nacht über mehrere Menschen vor der Wache campiert und einzelne Personen haben einen Hungerstreik angekündigt.
„Nach einer rassistischen Kontrolle durch die Bundespolizei im Erfurter Bahnhof am Sonntag, den 08.07.2012 gegen 17 Uhr ist Tadjmohammad Habibi in Abschiebehaft genommen worden. Gegen ihn war ein europäischer Haftbefehl ausgestellt, da er aus einem Gefängnis in Ungarn geflohen ist in dem er eingesessen hat da er in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat“, erklärt Clemens Wigger vom Netzwerk Break Isolation. Und weiter erläutert er zur Situation in Ungarn, dass „es dort keine Chance auf ein Asylverfahren gibt. Flüchtlinge werden dort auf unbestimmte Zeit in Gefängnissen inhaftiert. Habibi, der infolge einer Abschiebung aus Deutschland bereits mehrere Monate in einem solchen Gefängnis verbringen musste, berichtet von Misshandlungen und Vergiftungen mit Schlafmitteln. Eine ARD-Reportage vom 15.3.2012 („Asylpolitik: Richter rebellieren gegen Abschiebepraxis“) bestätigt diese Informationen.“ Obwohl mittlerweile einzelne Verwaltungsrichter_innen Abschiebungen nach Ungarn stoppten, hält die Bundesregierung an der Praxis fest.
„Sofern dieser Staat und seine Organe weiterhin gezielt rassistisch gegen Menschen vorgeht und ihre Rechte auf ein menschenwürdiges Leben versucht einzuschränken wird sich eine breite Solidarität zeigen, werden sich Menschen aktiv gegen diese Logik wehren. So wie es gestern in Erfurt passierte, wird es auch in anderen Fällen von rassistischen Kontrollen an Bahnhöfen, in den Städten oder wo auch immer passieren. Menschen werden sich gegen die Unterdrückung wehren und die ausübenden Behörden und Organe des Staates aktiv angreifen und kontrollieren, sowie die Missstände in die Öffentlichkeit bringen“, erläuterte Marit Baum von der Flüchtlingsinitiative Erfurt.
Abschließend resümiert Osaren Igbinoba von The Voice, dass „ein Zusammenspiel von Rechtsanwält_innen und Unterstützer_innen, sowie die Schaffung einer Öffentlichkeit über die behördliche Praxis den Erfolg in Habibis Fall geschaffen hat“. Doch leider ist dies nur ein Teilerfolg, da er jetzt zwar nicht mehr in der Abschiebehaft sitzt, aber sich weiterhin einem rassistischem System unterwerfen muss, denn er ist gezwungen sich in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber_innen in Eisenberg zu melden. „Leider sind die Praxis und Zustände in den Heimen nicht viel besser als die Situation in Haft. Auch hier geht die rassistische Alltagspraxis weiter“, erklärt Igbinoba weiter. Aber auch hier regt sich Widerstand, wie unter anderem der viermonatige Dauerprotest und zwischenzeitliche Hungerstreik von iranischen Flüchtlingen in Würzburg zeigt. Sie protestieren gegen Lagerunterbringung und Abschiebungen. Ihr Protest weitet sich derzeit auf Bamberg, Aub, aber auch bis nach Düsseldorf aus, wo mittlerweile von Flüchtlingen Protestzelte in den Innenstädten aufgebaut wurden.