Ratschlag lehnt Extremismus-Preis ab
via indymedia: Der antifaschistische/antirassistische Ratschlag Thüringen hat heute einen Preis des „Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt“ abgelehnt. Der Preis sollte u. a. von Uwe Backes, einem der geistigen Väter der Extremismus-Doktrin übergeben werden.
Zu einem kleinen Eklat kam es heute in Chemnitz bei der feierlichen Übergabe, bei der 11 Projekte einen Preis des „Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt“ erhalten sollten.
Am Anfang war alles noch ganz harmonisch: Die Chemnitzer Bürgermeisterin betonte, wie wichtig es sei, dass „die Mitte“ sich gegen Rechtsextremismus zur Wehr setze. Ein Vertreter des Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt referierte die Geschichte seiner Institution, die u. a. gegründet wurde, da es 2000 einige „Zwischenfälle“ mit Nazis gegeben habe. Wir erinnern uns, ja, das war das Jahr des „Aufstands der Anständigen“, als auf einmal alle gegen Nazis waren. 13 Jahre später sind die Karten im Bereich Antifaschismus neu gemischt. Wer vorher ausgegrenzt und bespitzelt wurde, kriegt jetzt Preise.
In der ersten Runde der Preisverleihung erhalten die Unique aus Jena und zwei weitere Projekte einen Preis, die damit zufrieden sind.
In der zweiten Runde kommt es zu einem kleinen Eklat: Der antifaschistische/antirassistische Ratschlag Thüringen lehnt den Preis ab und verliest eine Erklärung, verwehrt sich gegen die Extremismus-Logik und die Preisverleihung durch Uwe Backes. Etwa die Hälfte der PreisträgerInnen applaudiert.
Monika Lazar (GRÜNE) bewahrt die Contenance, erklärt, dass auch sie ein Problem mit der Extremismuslogik habe – und positioniert sich relativ deutlich zur Person Uwe Backes: Wenn sie etwas zu sagen hätte, säße der nicht im Beirat des Programmes. Beim Geschäftsführer des Bundesprogramms löst die Erklärung des Ratschlags Empörung aus, er schimpft, der Ratschlag habe sich doch beworben und schon Geld bekommen – was bei den SprecherInnen des Ratschlags erstaunte Gesichter hervorruft.
Dann geht es auch schon weiter im Programm. Bei Extremismus-Preisen ist man offensichtlich schon dran gewöhnt, dass es Ablehnung gibt.
Beim abschließenden Empfang gibt es noch einmal Lob und Unterstützung für die Ablehnung von einigen anderen PreisträgerInnen und Solidarisierung, indem die auch von den RatschlagvertreterInnen getragenen „Extrem-T-Shirts“ angezogen wurden. Leckeren Kuchen gab es auch.
Einer, um den es bei der Ablehnung ging, war nicht anwesend: Uwe Backes hat auf der A4 die Mittelspur genommen und ist prompt im Stau bei Jena stecken geblieben. Die VertreterInnen des Ratschlags haben den Stau links überholt und waren pünktlich vor Ort.
Hier die Erklärug im Wortlaut übernommen von http://ratschlag-thueringen.de:
Wir freuen uns über diesen Preis. Wir freuen uns, dass unser langjähriges Engagement gegen Nazis und soziale Ausgrenzung dadurch unterstützt werden soll.
Der Ratschlag kämpft seit 22 Jahren gegen Nazis, gegen Rassismus und Antisemitismus, gegen den Extremismus der Mitte und die Gewalt der Verhältnisse, wie sie z.B. in rassistischen Sondergesetzen und staatlicher Repression zum Ausdruck kommt. Unser Engagement war immer breit, offen und plural. Der Ratschlag wird organisiert von vielen Einzelpersonen und Gruppen. Darunter sind Autonome und Gewerkschafterinnen, Parteivertreter und Linksradikale, Christinnen und Kommunisten, Honoratiorinnen und ganz normale Leute von nebenan. Einer von nebenan, mit dem wir uns bei einem Ratschlag beschäftigt haben, war Georg Elser. Als er ab Herbst 1938 ein Bombenattentat gegen Hitler geplant hat, wusste er, was bevorstand. Der Hilfsarbeiter Elser hat sich dem NS konsequent entgegen gestellt, er war bereit dafür alle Regeln zu brechen. Manche nehmen ihm noch heute diesen Regelbruch übel. Aus dem Dresdner Institut für Totalitarismusforschung heißt es, Elser sei kein Vorbild für antifaschistisches Handeln, da bei seinem Attentat auch andere starben und er als kleiner Arbeiter nicht in der Lage gewesen sei, die Verhältnisse zu durchschauen und sein Handeln ausreichend zu begründen.
Einer der geistigen Väter dieses ausgrenzenden Diskurses ist der stellvertretende Leiter des Totalitarismus-Instituts Uwe Backes. Er hat den Angriff auf Georg Elser unterstützt. Wer heute Georg Elser moralisch verurteilt, tut dies, um einen bestimmten Teil des Widerstands gegen den Nationalsozialismus zu diskreditieren.
Dieser Angriff kommt nicht zufällig aus dem selben Spektrum, das auch heute bestimmte Teile des Antifaschismus angreift. Es gibt hier eine Kontinuität: Wer totalitarismustheoretisch die Gegner des Nationalsozialismus zu Tätern umdefiniert, verharmlost den NS. Wer mit der Extremismusdoktrin die Menschen, die sich gegen Nazis engagieren mit dem NSU in einen Topf wirft, der jahrelang unter den Augen des Staates morden konnte, verhöhnt die Opfer des aktuellen Nazismus.
Die Teilung in engagierte Bürgerinnen und Bürger einerseits und „gefährliche Linksextremisten“ andererseits lehnen wir ab. Der politische Kampfbegriff Extremismus heißt am Ende doch nur, dass alle, die über ein geduldetes Maß hinaus die politischen Verhältnisse kritisieren, ausgegrenzt, ausspioniert und kriminalisiert werden sollen.
Die Friedens- und Umweltbewegung der DDR war in diesem Sinne extremistisch, genau wie all diejenigen, die finden, dass der Kapitalismus evtl. doch nicht dafür sorgt, dass alle Menschen satt und glücklich werden. Das politische Koordinatensystem der Extremismusdoktrin gaukelt uns vor, dass Menschenfeindlichkeit ein Problem extremer Ränder der Gesellschaft sei. Es trägt damit dazu bei, zu verschleiern, wie sehr Rassismus, Antisemitismus und soziale Ausgrenzung Einstellungen der Mehrheitsgesellschaft sind. Das Ziel dieser Diskursstrategie ist klar: Jede radikale Kritik des Bestehenden soll aus dem Universum des Verhandelbaren ausgeschlossen werden. Aber Antifaschistische Engagement ist zum Scheitern verurteilt, wenn es sich darauf beschränkt, allein gegen Nazis vorzugehen. Das Motto des Ratschlags im Jahr 2000 in Jena war entsprechend: „Wehret den Zuständen!“ Im Thüringen der 1990er-Jahren haben wir für unser Engagement keinen Preis bekommen, sondern wurden dafür beschimpft. Sich antirassistisch zu äußern und dies auch öffentlich sichtbar zu zeigen wäre ohne die tatkräftige Hilfe der Autonomen Antifa nicht möglich gewesen. Der Ratschlag steht nach wie vor politisch dazu, dass unter seinem Dach die gesamte Breite des Antifaschismus ihren Platz hat. Und das meint explizit auch den Teil, der aneckt, sich streitbar äußert und Regeln verletzt. Der Ratschlag wird es sich auch in Zukunft nicht nehmen lassen, die Verhältnisse, auf deren Boden Rassismus und Antisemitismus gedeihen, auch radikal in Frage zu stellen und extrem deutlich zu kritisieren.Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT)“ orientiert sich an der Extremismustheorie. Diese ist wie der Verfassungsschutz, der diese Theorie seit Jahren versucht, salonfähig zu machen, gescheitert. Wir bedanken uns bei denen, die uns für unser kritisches Engagement auszeichnen wollen. Wir können den Preis aber aufgrund der Orientierung an der Extremismusdoktrin und aus der Hand von Uwe Backes nicht annehmen.
Weiter wurden Flugblätter verteilt:
Wer war Georg Elser?
Georg Elser (* 4.1.1903, † 9.4.1945 im KZ Dachau) war ein deutscher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Ende 1938 kam er zu der Überzeugung, dass der Nationalsozialismus eine so große Gefahr darstelle, dass seine Führung beseitigt werden müsse. Er plante daraufhin ein Attentat auf die jährliche Feier zur Erinnerung an den Putschversuch von 1923 im Münchner Bürgerbräukeller. Das Attentat misslang, da die Führungsspitze des NS die Veranstaltung früher verließ als geplant. Elser wurde gleichzeitig eher zufällig bei der Flucht in die Schweiz verhaftet. Er wurde im KZ Sachsenhausen, später in Dachau, inhaftiert und am 9.4.1945 auf Befehl Hitlers ermordet. Anders als der militärische und der christliche Widerstand einerseits und der kommunistische Widerstand andererseits wurde Georg Elser lange Zeit weder in der BRD noch in der DDR gewürdigt. Erst in den 1990er-Jahren erhielt der Arbeiter, Gewerkschafter und zeitweise Rotfrontkämpfer Elser den ihm gebührenden Platz in der deutschen Erinnerungskultur.
Wer ist Uwe Backes?
Uwe Backes ist stellvertretender Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (HAIT) in Dresden. Totalitarismusforschung nach dessem Verständnis bedeutet im Kern, den Nationalsozialismus mit der DDR als „die beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts“ zu vergleichen. Beim vom Institut herausgegebenen „Jahrbuch für Extremismusforschung“ scheuen die Herausgeber nicht vor der Zusammenarbeit mit Geschichtsrevisionisten wie Ernst Nolte und VertreterInnen der Neuen Rechten wie Hans-Helmuth Knütter. Mehr Berührungsängste hat das Institut mit AntifaschistInnen. So ermutigte Backes im Jahr 1999 seinen Mitarbeiter Lothar Fritze zu einem Artikel in der Frankfurter Rundschau, in dem dieser den Attentatsversuch Elsers gegen Hitler moralphilosophisch verurteilt hatte. Später unterstellte der gleiche Mitarbeiter dem britischen Premier Winston Churchill eine Mitverantwortung für den Holocaust.
Weiter steht das Institut für die wissenschaftliche Bestärkung der Extremismusdoktrin. Im Auftrag der Hans-Seidel-Stiftung begründet das HAIT wieso z.B. – so Backes – die Antifa einer der Hauptgründe für zunehmende Gewalt sei. Wie viel von der wissenschaftlichen Erforschung zu halten ist, erschließt sich bei einem Blick auf die TeilnehmerInnen des Veldensteiner Kreises, einer Gesprächsrunde des HAIT. Dort trat der Rechtsextreme Bernd Rabehl und der ehemalige Präsident des Thüringer Verfassungsschutz Helmut Roewer auf.
Als im Jahr 2010 bekannt wurde, dass ein ehemaliger IM der Stasi dort mitarbeitete, titelte sogar die konservative Tageszeitung DIE WELT: „Das Hannah-Arendt-Institut gehört abgeschafft“
Ergänzung. Video der Filmpiraten: