Ein ereignisreicher Tag in Ilmenau.
Ein ereignisreicher Tag in Ilmenau. Vom unerwarteten „Maximales Gelingen!“, einem Hausverbot und einer Runde durch die Innenstadt.
Im südthüringischen Ilmenau wurde am Samstag, den 19. Oktober, gegen 9 Uhr die Besetzung eines nun schon länger leerstehenden Hauses in der Langewiesener Straße 17 bekannt gegeben. Die „Lange 17“ soll sozialen Wohnraum bieten, aber vor allem ein Freiraum für Kultur und Politik in Ilmenau schaffen.
Die Eingangstür ist weit geöffnet, im Haus herrscht reges Treiben, es ist viel zu tun! Vor dem Haus steht eine lange Tafel mit Informationen für Passant*innen und Interessierte. Nicht nur Kuchen und Kaffee laden zum Verweilen ein – auch das Wetter meint es gut mit den Besetzer*innen und ihren Unterstützer*innen vor dem Haus: Die Sonne strahlt, der Wind verteilt die bereit gelegten Flyer – es herrscht gute Stimmung. Auch der erste Kontakt mit zwei Streifenpolizisten beunruhigt die Besetzer*innen nicht, ihnen wird „maximales Gelingen“ gewünscht, die Beamten sind schnell verschwunden – dennoch bleibt ein mulmiges Gefühl zurück. Eine Hausbesetzung ohne Polizeieinsatz? In Thüringen nach der gewaltvollen Räumung des Besetzen Hauses 2009 in Erfurt nicht denkbar. Dennoch bleibt die Hoffnung am nächsten Tag ein erstes öffentliches Treffen im neuen Haus zu veranstalten, zu dem sich über Möglichkeiten der Nutzung ausgetauscht werden könnte.
Bis zum Nachmittag werden alle Nachbar*innen persönlich angesprochen: Die Besetzer*innen stellen sich und ihr Anliegen vor – die Reaktionen sind fast ausschließlich positiv. Die Aktion erhält vielfältige Unterstützung: Es gibt warmes Essen quasi von „nebenan“, viele Menschen zeigen sich solidarisch, fragen nach und bieten ihre Hilfe bspw. für den Aufbau an. Mitunter hält unmittelbar vor dem Haus ein Auto und es wird sich neugierig erkundigt, was passiert. „Weitermachen!“ heißt ein ermunternder Zuruf, die Initiative der Besetzer*innen hat wohl einen Nerv getroffen. Auch im Internet sind diverse Solidaritätsbekundungen zu finden.
Dennoch ist gegen 16:30 Schluss mit guter Laune – die Polizei rücke im Großaufgebot an. Kurze Zeit später erscheint eine Delegation geballter Autorität und Zuständigkeit: Ordnungsamtsleiter, Hausverwaltungsvertreter, Bürgermeister und Oberpolizist leiten das Ende der Besetzung ein. Das Haus sei baufällig, die Nutzung zur Gefahrenabwehr untersagt. Auch die private Eigentümerin, nicht in Ilmenau ansässig, wurde informiert und spricht den Besetzer*innen mittels Hausverwaltung ein Hausverbot aus. 10 … naja, nach zähem Drängen sind es doch 15 Minuten, die das Zeitmaß angeben, wann das Haus geräumt sein soll. Erst nachdem Bürgermeister Tischer den Besetzer*innen vor Ort auch schriftlich zusichert, dass es zu Verhandlungen mit der Stadt über die Anliegen der Aktion geben wird, stimmen die Besetzer*innen zu und verlassen das Haus.
Die „Lange 17“ ist am späten Nachmittag schon wieder Geschichte – angeblich solle das Gebäude bald abgerissen werden, Pläne für die Wiederbebauung des Grundstücks gäbe es ebenfalls bereits. Sicher scheint vorerst: Ein weiteres Mal wird ein leerstehendes Haus auch in Zukunft ein solches bleiben. Und draußen stehen die, denen es nicht gehört, aber die es brauchen.
Doch endet der Tag für die Aktion nicht ganz abrupt. Gegen 19 Uhr startet eine angemeldete Demonstration durch die Ilmenauer Innenstadt, um auf die Geschehnisse aufmerksam zu machen. Die Forderungen nach Wohnraum und sozialen Freiräumen werden lautstark auf die Straße getragen. So streifen etwa 40 Menschen durch die Dunkelheit, mit Transparenten, die kurz zuvor noch die „Lange 17“ schmückten.
Solidarität mit Kämpfen um Freiräume!
Bericht der Thüringer Allgemeinen (TA)
Solidaritätsbekundung vom J.u.w.e.l. e.V. aus Gotha