Abschiebung in Erfurt am 08. April: Elvira, Riana und Elmedina sind nicht mehr hier.
Am 08. April, dem Internationalen Tag der Roma, gab es in Berlin nicht nur eine bundesweite Demonstration gegen die verschiedensten Facetten des Antiziganismus und in Weimar gleich mehrere Veranstaltungen dazu, sondern auch das Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar wollte anscheinend etwas beitragen … in besonders perfider Art und Weise:
In Erfurt wurden am Dienstag Mittag Elvira und ihre beiden Töchter Riana und Elmedina ohne eine Vorankündigung (das heißt u.a. ohne eine Möglichkeit der Vorbereitung, der Gegenwehr oder des Abschieds von Freund*innen und Bekannten) abgeschoben. Die in zivil gekleideten Beamt*innen überraschten Elvira zuhause, während eine andere Polizeigruppe die beiden Kinder aus der Schule verschleppte. Mit nur dem Nötigsten im Gepäck wurden sie in ein Polizeifahrzeug gesteckt und eine Reise ins Ungewisse begann. Vom Flughafen Leipzig / Halle aus wurden die drei nach Mazedonien abgeschoben.
Der Versuch, spontan gegen die Abschiebung zu protestieren und diese womöglich zu verhindern, war nicht erfolgreich – die Abschiebung war von der Polizei wohl gut geplant und wurde „effektiv“ schnell umgesetzt.
Gegen 18 Uhr fand dann eine spontane Kundgebung auf dem Erfurter Anger statt. Wut und Trauer über die Geschehnisse und die eigene Ohnmacht dabei konnten so nur in geringem Maße ausgedrückt werden. Mittels Flugblättern und Redebeiträgen wurde versucht, auf die Situation aufmerksam zu machen. Obwohl immer wieder ein paar Menschen stehen blieben, so war der Großteil der Vorübereilenden nicht zu erreichen. Anschließend zog eine spontan gebildete Demonstration vom Anger Richtung Bahnhof zur Ausländerbehörde im Bürgeramt und schließlich wieder zurück zum Anger. Die Polizei schaute zunächst verdutzt zu und stellte nach der Auflösung des Demonstrationszuges einige wenige Personalien fest (bei Ärger wendet euch an die Rote Hilfe).
Für die nahe Zukunft sind weitere Abschiebungen aus Erfurt angesetzt worden, für deren Verhinderung wir uns gemeinsam, entschlossen und aktiv einsetzen müssen. Haltet also Augen und Ohren offen – widersprecht dem alltäglichen Rassismus auf der Straße, im Bahnhof oder auf dem Amt!
Kundgebung auf dem Anger
Sponti Richtung Ausländerbehörde
Kurz vor der Auflösung der Sponti auf dem Anger
Im Folgenden dokumentieren wir die Pressemitteilung des Unterstützer_innkreises Elvira, Riana, Elmedina (1) und eines der beiden Flugblätter (2), welches auf der Kundgebung verteilt wurde.
(1) PM: Abschiebung ohne Vorwarnung mit Protest in Erfurt
Am Dienstag, den 08. April wird eine Mutter mit ihren beiden Kindern mitten in Erfurt von einem großen Polizeiaufgebot aus ihrem Alltag gerissen und nach Mazedonien deportiert.
Um 14.00 Uhr verschafften sich zivil gekleidete BeamtInnen Zugang zurWohnung von Elvira D.. Sie zwangen die junge Mutter dazu innerhalb einer Stunde das Nötigste zusammen zu packen. Ihre zwei neun- und zehnjährigen Töchter durften selbst keine Sachen einpacken. Sie wurden von einer zweiten Polizeigruppe unter den Augen ihrer MitschülerInnen aus der Johannesschule Erfurt weg geholt. Darauf angesprochen, sahen die LehrerInnen der Grundschule auch kein Problem darin, dass Kinder einfach so von uniformierten BeamtInnen mitgenommen werden.
Diese traumatischen Erlebnisse wiederholen sich Tag für Tag in Deutschland und dennoch zeugt die Abschiebung unserer Freundin Elvira und ihren Töchtern und Riana und Elmedina, dass deutsche Behörden ihren Deportationsapparat immer effizienter machen.
Innerhalb von einer Stunde war alles vorbei. Spontaner Protest vor der Wohnung der Familie wurde durch fünf unmittelbar herbeigerufene Polizeifahrzeuge im Keim erstickt. Deshalb gab es um 18.00 Uhr eine spontane Demonstration in der Erfurter Innenstadt, bei welcher lautstark gegen die Abschiebung protestiert wurde.
Die Familie wurde heute noch direkt zum Flughafen Halle – Leipzig verschleppt und dort in einen Linienflug von Austrian Airlines nach Skopje mit Zwischenlandung in Wien gesteckt. Dieses Vorgehen ist umso erschreckender, weil niemand darauf eingestellt sein konnte. Von der Erfurter Ausländerbehörde gab es keinerlei Ankündigung der Abschiebung, für die das Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar verantwortlich ist.
Gleichzeitig fand heute eine von mehreren Bundesländern koordinierte Sammelabschiebung von mehrheitlich Roma aus Hannover nach Skopje statt. Damit zeigen die zuständigen MitarbeiterInnen am heutigen internationalen Tag der Roma, was sie von diesen Menschen halten.
Unterstützer_innenkreis Elvira, Riana, Elmedina // Kontakt unter: 0176 39647472
(2) Flugblatt zu den Geschehnissen: Abschiebungen auch in Thüringen verhindern!
Am heutigen Tag, dem 8. April, dem Internationalen Tag der Roma, sollte und wurde ein Zeichen der Selbstorganisation der Roma gesetzt – gleichzeitig jedoch eine Roma-Familie aus Erfurt abgeschoben. Wir sind traurig und wütend und es kotzt uns an, nur zusehen zu können, wenn Menschen abgeschoben werden.
Zum Internationalen Tag der Roma finden heute einige Veranstaltungen statt. In Weimar gab es am Morgen eine Kranzniederlegung, um an die Vernichtung der Roma im KZ Buchenwald zu gedenken,
in Berlin wurde zu einer bundesweiten Demonstration unter dem Motto „Wir fordern: Sofortige Abschaffung rassistischer Sondergesetze, die Menschen ausgrenzen! Gegen die Isolation von Flüchtlingen in Lagern! Alle bleiben – mit einem sicheren Bleiberecht!“ mobilisiert, zu welcher auch Menschen der Gruppe Roma Thüringen gefahren sind.
Es ist der Versuch, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen, etwas daran zu rütteln, auf vielfache Art und Weisen im Alltag und strukturell in dieser Gesellschaft und in vielen Ländern diskriminiert zu werden.
Währenddessen, verschleppen Polizeibeamt*innen eine Roma Familie aus Erfurt… wahrscheinlich werden sie der geplanten Sammelabschiebung nach Hannover überstellt und von dort in einen Flieger nach Mazedonien gesetzt.
Dies nicht verhindert haben zu können, darf keine Resignation bedeuten. Wir müssen weiterhin versuchen, aktiv gegen Abschiebungen vorzugehen und diese zu verhindern – wir müssen unsere Solidaritätsnetzwerke ausbauen, uns über mögliche Verhinderungsstrategien austauschen, unseren Zorn über diese gesellschaftliche und staatliche Praxis, die u.a. von der Erfurter Ausländerbehörde bewilligt und Thüringer Polizeieinheiten durchgeführt wird, zum Ausdruck bringen.
Eine Gesellschaft, die sich u.a. dadurch am Laufen hält, dass Menschen an den Grenzen Europas verrecken, Menschen vertrieben und rassistisch verfolgt werden, hat für uns keinerlei Legitimation.
Staaten mit ihren mörderischen Grenzen, Verwaltungen und Exekutiven dürfen uns nicht daran hindern, uns dessen zu verweigern, Widerstand zu leisten – solidarisch und gemeinsam!
No Border, no Nation!
// Aktiv in Erfurt – Gruppe „fight racism and isolation“ //