Soligruppe 1708 informiert: Widerstand gegen NPD und Vollstreckungsbeamte (PM, 04. Mai 2014)

Ermittlungsbehörden setzen Antifaschist*innen nach Protestaktion gegen neonazistische Hetze im August 2013 unter Druck. Einige Verfahren kommen bald zur Verhandlung.


Die NPD ist in Erfurt immer wieder mit Infoständen oder auch mit ihrem bundesweit bekannt gewordenen Flaggschiff präsent. So auch am 17.8.2013, als der Thüringer Landesverband eine Kundgebung in der Trommsdorffstraße in Erfurt veranstaltete, um den Wahlkampf zur Bundestagswahl offiziell zu beginnen. Die Wahl des Kundgebungsortes fiel dabei nicht zufällig auf den migrantisch geprägen Straßenzug in der Innenstadt. In den Fokus der Neonazis von der NPD rückte eine dort ansässige Halal-Fleischerei. Ursprünglich sollte die Kundgebung direkt vor dem Geschäft stattfinden, wurde jedoch von der Stadt ans Ende der Straße verlegt.

Unter dem Deckmantel des Tierschutzes wollte die NPD dort ihre antimuslimische und rassistische Hetze betreiben, was jedoch auf Protest stieß. Schon ab 10 Uhr versammelten sich immer mehr Menschen in der Trommsdorffstraße, um lautstark und entschlossen gegen die Nazis zu demonstrieren. Schon die Anreise der Nazis versuchten die Gegendemonstrant*innen durch Kettenbildung und die Besetzung des Kundgebungsortes zu verhindern. Hierauf reagierte die Polizei bereits äußerst aggressiv mit Schlägen und Handgriffen gegen Hals und Gesicht gegenüber den Blockierer*innen sowie der Androhung weiterer Maßnahmen. Den polizeilichen Aufrufen zur Räumung des Kundgebungsortes wurde zuerst nicht nachgegeben. Im weiteren Verlauf spitzte sich die Situation immer weiter zu, bis sich ca. 20 Nazis und 300 Gegendemonstrant*innen getrennt nur durch eine Polizeikette und ein 10 Meter langes Transparent der Antifaschistischen Koordination Erfurt (ake) gegenüberstanden. Darauf ein Zitat aus dem „Schwur von Buchenwald“: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Die Situation geriet für die Einsatzkräfte der Polizei sichtlich außer Kontrolle, mit einem derartigen qualitativen als auch quantitativen Aufbegehren von Antifaschist*innen und Vertreter*innen von Parteien und Gewerkschaften hatte der Einsatzleiter wohl nicht gerechnet.

Im Laufe der Kundgebung versuchten die aggressiv auftretenden NPD-Anhänger, unter ihnen Patrick Wieschke und Tobias Kammler, immer wieder am besagten Transparent zu reißen und einen Lautsprecher der Gegenkundgebung zu erreichen. Während die Beamt*innen in der Polizeikette mit der Situation völlig überfordert waren und wahllos in die Reihen der Gegendemonstrant*innen prügelten, konnten die Angriffe der NPDler durch die entschlossene Gegenwehr der Gegendemonstrant*innen verhindert werden.

Statt diese Angriffe auf die Teilnehmer*innen der Protestkundgebung zu vereiteln, zerrissen die Polizeibeamt*innen in diesem Durcheinander das Transparent der [ake] und zerbrachen ebenso die Tragestöcke. Nachfolgend erklärte die Sprecherin der [ake], Ulli Klein, dazu in einer Pressemitteilung treffend: „Was der NPD nicht gelang, verrichtete die Thüringer Polizei. Das öffentliche Zeigen des Schwures von Buchenwald wurde gewaltsam durch deutschen Beamte unterbunden – ein beredtes Zeichen für die politischen Zustände in den Behörden dieses Bundeslandes.“

In etwa zur selben Zeit stürmte eine BFE-Einheit der Bereitschaftspolizei Erfurt überraschend und ohne vorherige Ansprache in die Menge der Gegendemonstrant*innen, die sich rücklings zu diesen befanden und rissen einen Antifaschisten brutal zu Boden. Die umstehenden Demonstrant*innen solidarisierten sich mit dem am Boden liegenden und versuchten ihn zu schützen. Die Polizeibeamten der BFE-Einheit schlugen auf umstehende Menschen ein und nahmen einen weiteren Antifaschisten fest. Beide Festgenommenen wurden bis zu 30 Meter die Straße entlang über den Asphalt gezerrt und immer wieder von Schlägen der Polizeibeamten getroffen. So kam es, dass sich die Festgenommen statt im Gewahrsam der Polizei im Krankenhaus wiederfanden, wo ihnen Kopf- und Gesichtsverletzungen, Schürfwunden, sowie in einem Fall der Verdacht auf einen ausgekugelten Arm attestiert wurden.

Dieses brutale Vorgehen der Polizei sowie der unverhältnismäßige Einsatz der BFE-Einheit, welcher die Situation erst in dieser Weise eskalieren ließ, verurteilen wir auf das schärfste.
Im Nachgang der Kundgebung sehen sich nun mehrere Antifaschist*innen mit Vorwürfen seitens der Staatsanwaltschaft Erfurt und der Polizei konfrontiert. Dabei behandeln die vorgeworfenen Ordnungswidrigkeiten den Verstoß gegen des Versammlungsgesetz, die Strafbefehle reichen von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, über Beleidigung bis hin zu schwerer Körperverletzung.

Das Vorgehen, die Brutalität der Polizeibeamt*innen und auch der Verfolgungswille der Ermittlungsbehörden überraschen uns dabei nicht. Sobald sich Antifaschismus nicht in Lippenbekenntnissen oder Bratwurstessen-gegen-rechts erschöpft, sieht sich die Staatsgewalt herausgefordert klarzumachen, dass der Widerstand gegen Nazis, gegen den Rassismus in der deutschen Gesellschaft und gegen Polizeibeamt*innen und all jene, die diese Gesellschaft sichern und aufrechterhalten, nicht geduldet wird.

Deutlich wird in diesem Fall auch wieder, dass Verfahren gegen Aktivist*innen gern eröffnet werden, nachdem Anzeigen gegen Polizist*innen gestellt wurden. Denn im Verlauf der Gegenkundgebung am 17.08. wurden Polizeibeamte, aufgrund ihres brutalen Vorgehens gegen Einzelne, angezeigt. Obwohl solche Anzeigen wenig Aussicht auf Erfolg haben, treten die Polizeibeamt*innen auch in diesem Fall die Flucht nach vorn an, indem sie mittels Gegenanzeigen versuchen, Geschädigte als potentielle Täter*innen zu diffamieren.

Die Repression im Zuge des 13. Februars in Dresden, oder aktuell gegen Josef in Wien, Adel in Berlin und auch in Erfurt hat System. Dabei geht es den Repressionsbehörden einerseits darum die einzelnen Aktivist*innen einzuschüchtern und sie von weiterem Handeln abzuschrecken, andererseits darum konsequenten Antifaschismus im Ganzen zu kriminalisieren.

Doch wir setzen dieser staatlichen Repression unsere Solidarität entgegen: in Erfurt, Wien und überall dort, wo Menschen aufgrund ihres Einsatzes gegen Nazis, Burschenschaften, rassistische Wutbürger*innen und Polizist*innen von Repression betroffen sind.

Deshalb unterstützt auch die Soligruppe 1708 in ihrer Arbeit, verbreitet diesen Aufruf, macht Soliaktionen für alle von Repression Betroffenen und haltet euch auf dem Laufenden.

Spenden zur Tilgung der Repressionskosten zum 17.08. könnt ihr unter dem Verwendungszweck „Soli 1708“ auf das folgende Konto überweisen:

Rote Hilfe Erfurt
Kontonr.: 4007 238 352
BLZ: 430 609 67

IBAN: DE80 4306 0967 4007 2383 52
BIC: GENODEM1GLS

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