Prozessbeginn nach rechtem Überfall aufs Kunsthaus 2012 am 19. August!
Im Sommer 2012 kam es vermehrt zu Angriffen durch Neonazis auf verschiedene Personenkreise. Dokumentiert sind wahrscheinlich die wenigsten, aber wir erinnern uns an den Angriff auf Jugendliche und die Besucher*innen einer Vereinsfeier auf dem Gelände der Offenen Arbeit. Kurze Zeit später kam es zu einem Überfall von Neonazis auf die Besucher*innen einer Ausstellungseröffnung im Kunsthaus Erfurt.
Bei beiden Angriffen gab es Verletzte, bei beiden Angriffen spielten Polizeibeamt*innen eine unrühmliche Rolle: Denn ermittelt wurde im ersten Fall gegen einen betroffenen Antifaschisten, der sich wehrte um Schlimmeres zu verhindern – im zweiten Fall wurde gar ein rechtsradikaler Hintergrund von der Polizei geleugnet. Später wurde dann doch auch in diese Richtung ermittelt, die „Sieg Heil“-Rufe waren wohl doch nicht nur zufällig gerufen wurden.
Die linke Szene rief damals zu einer Antifaschistischen Demonstration unter dem Motto „Der Frust muss raus! Konsequent Handeln gegen Nazis, Rassismus und staatliche Repression!“ auf, um unter anderem auf die Verzwickungen von rechter Gewalt und staatlicher Willkür hinzuweisen.
Nun zwei Jahre später findet der Prozess gegen die Neonazis, die die Veranstaltung des Kunsthauses und ihre Besucher*innen angriffen, statt. Das Kunsthaus ruft in einer Pressemitteilung vom 12. August (siehe unten) zu Unterstützung und Solidaritätsbekundungen an den einzelnen Prozesstagen auf.
Diese finden statt am 19., 25. und 27. August jeweils 9 Uhr im Sitzungssaal 16 im Amtsgericht Erfurt (Rudolfstraße 46).
Seid solidarisch und beobachtet den Prozess kritisch! Die Beobachtungen könnt ihr gern mit uns allen teilen, Artikel können hier veröffentlicht werden!
Nazis haben Namen und Gesichter – Polizeibeamt*innen übrigens auch!
Pressemitteilung:
Zwei Jahre später!
Prozess gegen rechte Täter des Überfalls auf Besucher des Kunsthauses ErfurtAm Abend des 13. Juli 2012 provozierte eine Gruppe Rechtsradikaler die Besucher der Ausstellungseröffnung miss painting mit Naziparolen und „Sieg Heil“-Rufen. Von Veranstalterseite wurde sofort die Polizei über die antisemitischen, verfassungsfeindlichen Handlungen informiert und die Personen des Ortes verwiesen. Diese griffen jedoch die Besucher und Betreiber des Kunsthauses mit unbeschreiblicher Brutalität an. Der Galerist wurde von mehreren Personen zusammengeschlagen und ihm das Nasenbein gebrochen, der Galeristin eine volle Bierflasche auf dem Kopf zerschmettert. Eine auf dem Heimweg befindliche Besucherin wurde im Beisein ihres Kindes mit dem Kopf wiederholt auf die Kühlerhaube eines parkenden Autos geschlagen, sowie weitere Besucher durch Schläge und Flaschen verletzt.
Nach wiederholten Notrufen bei der Polizei, kam ein Einsatzwagen und nahm die Verfolgung der in Richtung Augustinerstraße geflohenen Täter auf. Dabei kam es zu einer erneuten Eskalation und einem Angriff auf die Polizei, wobei eine Polizeibeamtin schwer verletzt wurde. Alle acht zum Teil vorbestraften, rechtsradikalen Angreifer, darunter zwei Frauen, wurden gefasst, erkennungsdienstlich behandelt und danach wieder auf freien Fuß gesetzt. Vier Verletzte des Kunsthauses, sowie die Polizistin mussten mit dem Krankentransport zur Behandlung in die Notaufnahme gebracht werden.
Anfänglich wurde ein rechtsradikaler Hintergrund seitens der Polizei verschwiegen. Eine große Öffentlichkeit, verbunden mit Solidaritätsbekundungen im ganzen Land begleitete das Geschehen in der Folgezeit. Der Erfurter Stadtrat verabschiedete fraktionsübergreifend eine Solidaritätserklärung, die Kulturdirektion kurz darauf einen Einlassvorbehalt gegenüber Rechtsextremen für die städtischen kulturellen Einrichtungen. Anfragen im Landtag brachten die Thematik auf die Tagesordnung, Anwohnerversammlungen und ein Straßenfest „Stadt der Toleranz und Vielfalt“ verbündeten gegen rechtes Gedankengut. Ein Jahr später erinnerten in einer szenischen Lesung prominente Vertreter der Stadt anhand von Medien- und Augenzeugenberichten an das Geschehen. In Dokumenten und Interviews wurde sichtbar gemacht, wie Polizei, Justiz und Politik mit diesem Geschehen seither umgingen.
Heute machen mit Blick auf den seit einem Jahr laufenden NSU-Prozess in München, die offen gebliebenen Fragen der NSU-Ausschüsse, besonders auch hinsichtlich der Rolle des Verfassungsschutzes immer wieder Schlagzeilen. Die rechte Szene in Erfurt ist unvermindert aktiv. Deshalb sind eine offene Berichterstattung und ein breites Bündnis gegen rechte Parolen und rechte Gewalt weiterhin unabdingbar. Ebenso sind juristische Bewertungen rechter Straftaten unverzichtbar. Doch ein Prozessbeginn mehr als zwei Jahre nach der Tat, wie i
n unserem Fall, dient weder einer schneller Aufklärung noch der Vorbeugung neuer Straftaten!
Drei Geschädigte treten im Prozess als Nebenkläger auf. Einer der Nebenkläger wird durch einen neu berufenen Verfassungsrichter aus Berlin vertreten. Die Nebenkläger und Zeugen werden durch ezra (mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen) und die DAV-Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt unterstützt.Das Gerichtsverfahren in der Strafsache wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körper- verletzung, Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen findet am 19., 25. und 27. August 2014, jeweils ab 9:00 Uhr statt. Verhandlungsort ist das Amtsgericht Erfurt, Rudolfstraße 46, Sitzungssaal 16. Die Gerichts- verhandlung ist öffentlich. Unterstützung und Solidaritätsbekundungen sind erwünscht!
KUNSTHAUS ERFURT
Projektraum + Galerie
Michaelisstr. 34, 99084 ErfurtKontakt: e-mail: info@kunsthaus-erfurt.de
Tel.: +49 (0)361 5402437
Fax: +49 (0)361 6438357
www.kunsthaus.erfurt.de