Rassistischer Mob auf „Bürgerversammlung“
Seit dem 5. Februar sind 48 Flüchtlinge aus der Erstausnahmeeinrichtung in Suhl in einer ehemaligen Regelschule in der Scharnhorststraße im Erfurter Stadtteil Herrenberg untergebracht. Montag den 9. Februar fand eine sogenannte Bürgerversammlung statt welche zeigte, wie es um die viel gepriesene Toleranz und Weltoffenheit in Erfurt wirklich bestellt ist.
Ein beachtlicher Teil der ca. 400 Anwesenden ließ seinem offenen Rassismus in hetzerischer Manier freien Lauf und der große Rest klatsche dazu Beifall oder schwieg. Zu den 400 Anwesenden gehörten mindestens 50 zum Teil organisierte und vor allem erkennbare Neonazis welche mit Thor Steinar und Ansgar Aryan Bekleidung keinen Hehl aus ihrer Einstellung zu machen brauchten. Diese sammelten sich um NPD-Stadtrat und „Freie Kräfte“-Nazi Enrico Biczysko, Hanjo Wegmann, Kampfsporttrainer und ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Erfurt-Sömmerda und um Nancy Voigt, welche sich aktuell durch eine rassistische Petition im Viertel und als Wortführerin gegen die Flüchtlinge hervor tut.
Moderiert wurde die Versammlung von der Bürgermeisterin Tamara Thierbach. Diese wurde nicht müde den Rassist*innen zu erklären,dass Erfurt es sich ja nicht aussuchen könnte Flüchtlinge aufzunehmen woraufhin der halbe Saal mit Buh-Rufen, Pfiffen und anderen Ausfällen antwortete.
Aber Thierbach versuchte immerhin gegen allzu offenen Rassismus mittels der Androhung von Hausverbot und Entzug des Mikrofons zu reagieren. Das Problem war nur, dass sie dann gleich dreiviertel des Saals hätte vorsorglich räumen lassen müssen. Sie tat dies nicht und lieferte so Nazis und sogenannten besorgten Müttern eine Bühne für offene Hetze gegen Geflüchtete.
Allgemein war das Klima sehr aggressiv und eigentlich hatte eh nur der kleinste Teil ein wirkliches Interesse an Informationen. Stattdessen beschränkten sich ein großer Teil der Anwesenden lieber auf die ihnen bekannten rassistischen Plattitüden ala „Wer Schützt unsere Kinder vor diesen angeblichen Flüchtlingen, die Kriminalität wird durch diese steigen und, dass das Geld doch besser für bedürftige Deutsche zu verwenden wäre. Der Tiefpunkt der Versammlung war erreicht, als die Frage einer Anwesenden wie Mensch die Flüchtlinge konkret unterstützen kann, in Pfiffen, Beschimpfungen und Buh-Rufen unter ging. Nachdem NPD-Stadtrat Biczysko aufgrund seiner rassistischen Äußerungen das Mikro entzogen wurde und von Frau Thierbach die Ansage kam, dass noch 2 Fragen gestellt werden können, verließ die Hälfte der Anwesenden die Halle und die Versammlung war beendet.
Die tatsächliche Bedrohung, die vor Ort vom 300 Meter entfernten Nazizentrum Kammwegklause ausgeht, wurde nicht Thematisiert. Aber es gab auch Menschen die sich solidarisch mit den Geflüchteten zeigten und der Hetze in der Halle offenen Widerspruch entgegen setzen, auch wenn ein Großteil der Anwesenden versuchte diese nieder zu Brüllen oder mit Zwischenrufen zu unterbrechen.
Im Nachgang der Versammlung besuchten solidarische Menschen die Flüchtlinge und schufen die Basis für eine Vernetzung. Die Flüchtlinge beschrieben die beschissene Situation in der Unterkunft. Es ist kalt in den großen Räumen, die Heizungen funktionieren nur zum Teil, zum schlafen gibt es Feldbetten der Feuerwehr und eine warme Mahlzeit ist der Höhepunkt eines sonst sehr tristen Alltags. Besonders schwer sind diese Umstände für 3 schwangere Frauen und die Kinder. Aber es gab auch Freude über die anwesenden Unterstützer*innen und die Zusage für weiteren Support welcher aktuell schon angelaufen ist. Wir bleiben alle dran und lassen die Flüchtlinge nicht allein. Vernetzt euch also mit den bestehenden Strukturen in Erfurt wie Roma Thüringen (Vorsicht: Facebook) und der Gruppe F.R.A.I und informiert euch und andere über weitere Unterstützungsmöglichkeiten.
Einen Weiteren Bericht gibt es bei Local Times Erfurt.