PM: Erklärung von Radmila Anić zu ihrer Bedrohung in Serbien
Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung von Radmilla Anić und ihren Freud*innen, die sie in ihrem Kampf gegen die Diskriminierung und Vertreibung von Roma in den Balkanstaaten, aber vor allem hier in Deutschland unterstützen.
Radmila ist politisch aktiv, setzt sich für Roma nun auch in Thüringen ein und ist nie um ein schlagfertiges Wort verlegen. In der Pressemitteilung vom 02.04.15 berichtet sie von Lebensbedingungen für Roma in Serbien, von Bedrohung, Gewalt, Einschüchterung und dem Kampf für ein gesichertes Leben in Frieden. Dieser Wunsch erfüllt sich nicht von selbst, denn die spezifische Diskriminierung von Roma interessiert die Ausländerbehörden und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht. Serbien gehört zu den als sicher eingeschätzten Herkunftsländern, sodass eine Abschiebung im Asylverfahren die Regel ist. Für die Betroffenen heißt das, dass sie deportiert werden in ein Land, in dem sie um ihre Existenz fürchten müssen.
Wir wollen nicht nur, dass Radmila und Familie Memedovich hier bleiben können. Wir wollen das alle Roma, die in Deutschland leben wollen, das können. Und wir wollen, dass alle die, die wie Elvira, Riana und Elmedina deportiert wurden, wieder zurück kommen!
Es gilt weiterhin: „1, 2, 3, 4 – alle Roma bleiben hier!“
Unterstützt die Selbstorganisierung der Roma! Informiert eure Freund*innen und Bekannten! Sammelt Spenden!
Lasst nicht zu, dass Menschen deportiert werden!
PM, 02.04.15, Erfurt: Erklärung von Radmila Anić zu ihrer Bedrohung in Serbien
Im Jahr 2013 wurde ich von vier Männern aus meinem Haus vertrieben, weil sie Geld von mir gefordert haben, das ich nicht hatte. Sie haben mir Gewalt angedroht, wenn ich ihre Forderungen nicht erfülle. Einer davon war Polizeiinspektor in Novi Sad. Mehrfach sind sie zu mir gekommen, um Geld zu verlangen. Mehrfach habe ich ihnen mal 500 Euro, mal 1000 Euro gegeben. Es handelte sich dabei um Ersparnisse. Beim letzten Erpressungsversuch konnte ich die Forderung nicht mehr erfüllen, da mein Geld aufgebraucht war. Ich hatte so viel Angst vor diesen bewaffneten Männern, dass ich mein Haus verlassen musste.
Mit einer Textilfirma konnte ich Romnja helfen, die keine Arbeit fanden, in dem sie sich als genehmigte Straßenverkäuferinnen selbständig machen konnten. Auch in meine Firma sind diese Männer gekommen und haben mich erpresst. Die Firma musste ich somit auch auflösen und schließen, als meine Ersparnisse aufgebraucht waren. Die Nähmaschinen waren Mietgeräte, die ich zurückgegeben habe. Wie bereits in meiner Klagebegründung gegen die Ablehnung meines Asylantrages in Deutschland dargestellt, haben weder ich noch andere Romnja und Roma die Möglichkeit, Schutz durch die Polizei in Anspruch zu nehmen. Polizeibeamte und -beamtinnen nehmen Anzeigen von Romnja und Roma nicht auf. Die Klage wurde vom Gericht in Gera abgelehnt, obwohl ich alle Angaben schriftlich einreichte.
Ich habe bei der Organisation für Romnja „Majćina Kolevka“, auf deutsch: „Kinderwiege“, in Novi Sad, Serbien gearbeitet. Ich war Präsidentin dieser nichtstaatlichen Organisation. Wir haben alleinstehende Romnja und Mütter unterstützt beim Aufsuchen von Behörden, Stellen von Sozialhilfeanträgen, sowie die Versorgung mit Lebensmitteln organisiert. Deshalb war ich in einer herausgehobenen Position und somit Außenstehenden bekannt. Meine Angaben wurden in der Anhörung zum Asylantrag in Deutschland falsch niedergeschrieben. In dieser Organisation wurden keine Romnja beschäftigt, um Tischdekoration zu nähen. Romnja habe ich in meiner Firma beschäftigt, wo wir Tischdekoration hergestellt und verkauft haben.
In Serbien habe ich keine Familie mehr außer meiner Schwester. Diese wurde in die Rolle einer Zuhälterin von fünf Frauen, unter strenger Führung des Polizeiinspektors in Novi Sad, ins Prostitutionsgeschäft gezwungen. Ihr wurde Gewalt von ihm angedroht, wenn sie bei Polizeimaßnahmen etwas über ihn aussagen würde. Sie verbüßt derzeit eine Haftstrafe wegen Zuhälterei von fünf Jahren im Gefängnis in Požarevace, Serbien. Wenn ich nach Serbien zurückkehren muss, ist meine gesamte Existenz zerstört. Die Männer werden ihre Erpressung fortsetzen und ich fürchte dann wie meine Schwester auch ins Prostitutionsgeschäft gezwungen zu werden.
Der Polizeiinspektor kam im April 2014 mit drei weiteren Männern in die Räume der Organisation „Majćina Kolevka“ und verlangte ca. 1.250 Euro. Dieses Geld war ein Teil der Fördergelder, die unsere Organisation erhielt und in unserem Büro hinterlegt waren. Sie verlangten dieses Geld von mir und sagten, dass es hier „keine Arbeit [mehr] für Zigeuner“ gibt. Daraufhin zerschlugen sie Einrichtungsgegenstände und rissen alles von den Wänden. Daraufhin bin ich aus Serbien geflohen, da ich alles verloren hatte und in Serbin nicht mehr sicher war. Die Männer wollten Geld in großer Menge und beendeten ihre Forderungen und Drohungen nicht. Nur meine Flucht nach Deutschland hat die Gelderpressung gegen mich beendet.
Ich leide unter starkem Bluthochdruck und hatte vor zwei Jahren bereits einen Herzinfarkt. Deshalb bin ich auf Medikamente und medizinische Behandlung angewiesen. Zwar könnte ich in Serbien eine Krankenversicherung durch das Sozialamt beantragen, aber die Zuzahlungen für Medikamente und medizinische Behandlung kann ich mir nicht leisten. Allein für Medikamente zu meinem Herzleiden habe ich ca. 100 Euro pro Monat zu zahlen. Eine Ärtzin sagte, dass Stress durch eine Abschiebung für mich auch lebensbedrohlich sein kann und ich unbedingt untersucht werden muss. Schon mein Vater und zwei meiner Geschwister sind teilweise sehr jung an Herzproblemen gestorben. Wenn ich nach Serbien zurückkehren muss, befürchte ich eine Gefängnisstrafe, weil ich in Deutschland Asyl beantragt habe. Deswegen werde ich mich nicht polizeilich melden können, um somit Sozialhilfe in Höhe von 50 Euro zu beantragen. Nachdem ich mein Haus verloren habe, das Büro der Roma-Organisation zerstört wurde und ich meine Firma auflösen musste, werde ich keine Existenzgrundlage haben. Es gibt keine Familienangehörigen, die in Serbien leben, die mich unterstützen könnten, und zum Arbeit finden bin ich zu alt. Die Preise in Serbien sind für lebensnotwendige Dinge, wie Essen fast genau so teuer, wie in Deutschland. Wer das zur Kenntnis nimmt, wird verstehen, dass ich dort keine Chance habe, selbst wenn ich mich vor der Polizei verstecken könnte. Dazu kommt, dass ich um mein Leben fürchte, wenn ich nach Serbien zurückkehren würde. Auch wenn ich in eine andere Stadt ziehen würde, könnten diese Männer mich finden und mich wieder bedrohen oder mir etwas antun. Da diese Männer selbst bei der Polizei sind, kann ich keinen Schutz von der Polizei erwarten.
Alle Roma und Romnja müssen in Deutschland bleiben können, denn während des NS haben die Deutschen sehr viele Roma in KZ gefangen gehalten und umgebracht. Mein verstorbener Mann wurde von Deutschen verschleppt und in KZ’s interniert. Von 1941 bis 1945 hat er vier Jahre Horror überlebt, während Angehörige von den Deutschen ermordet wurden. Als ich 7 Jahre alt war, hat meine Urgroßmutter erzählt, wie sehr viele unserer Verwandten nach Deutschland und in die KZ’s deportiert und umgebracht wurden. Der deutsche Staat muss Verantwortung übernehmen und allen Roma aus den Balkanstaaten einen Aufenthalt gewähren.
Deutschland und andere Staaten haben Serbien und auch meine Heimatstadt Novi Sad drei Monate lang bombardiert. Seitdem bin ich krank und viele Menschen sind getötet worden oder leiden an Folgekrankheiten des Krieges. Auch ist für die Roma in den Balkanstaaten die Situation nach dem Krieg in Jugoslawien viel schlechter geworden. Vorher waren Roma mit anderen Menschen gleichgestellt und es gab wenig Diskriminierung gegenüber Roma. Nach dem Krieg hat sich die Situation für Roma dramatisch verschlechtert und wir sind in allen Lebensbereichen diskriminiert.
Radmilla Anić
unterstützt von Freund_innen
Für Interviews stehe ich gerne zu Verfügung!
Kontakt Pressekoordination: 017639647472
Email: radmila-bleibt@posteo.de
Internet: http://breakdeportation.blogsport.de/Radmila