Vereint gegen die AfD in Erfurt

Computerlogbuch der USS Excelsior, Sternzeit 358145.7
Die Excelsior ist in der Zeit zurückgereist, um die Ereignisse auf der Erde Anfang des 21. Jahrhunderts zu erforschen, als unbelehrbare, primitive Organisationen ausgerechnet im Nationalstaat Deutschland versucht haben, die Ereignisse aus Episode 50 nachzuspielen. Wir aus der Zukunft wissen, dass sich das Gute durchsetzen wird, die antiquierten Konzepte von Nationalstaat und Kapitalismus von der Erde verschwinden werden. Im 21. Jahrhundert sind sie noch sehr wirksam und nur wenige können sich vorstellen, wie es anders sein kann. Um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen, wurde Lt. Harraway heruntergebeamt. Um nicht aufzufallen, wurde sie mit einer Fahne ausgestattet. Neben Ihr waren etwa 400 Menschen auf der Straße, um gegen etwa doppelt so viele Nazis und Rassisten zu demonstrieren.

Um die Bevölkerung von der Notwendigkeit eines besseren Lebens zu überzeugen, wurden dabei sogenannte Redebeiträge — kurze, argumentative Texte — verlesen wie zum Beispiel dieser:

Wir stehen hier vor dem Rathaus. Im Rathaus wird entschieden, wie Geflüchtete auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Erfurt untergebracht werden. Und wenn man hört, wie das geschieht, fragt man sich, was die Leute von der AfD sich darüber hinaus noch wünschen.

So berichtet ein Journalist aus Syrien:
Diejenigen, die sich eigentlich um Dich kümmern sollen, benehmen sich meistens eher wie Gefängniswärter. Kein Mensch spricht Deine Sprache. Selbst diejenigen Behördenmitarbeiter_innne, die englisch sprechen, weigern sich, das zu tun. Und was man am schnellsten in Deutsch lernt, ist, dass man Anweisungen befolgen muss. Das schlimmste an der ganzen Situation ist das Warten. Die geisttötende Langeweile und die Angst davor, dass sie dich irgendwann abschieben werden. Was ich mir von den Helfer_innen wünschen würde, wäre, das sie sich Gedanken darüber machen, wie Flüchtlinge sich fühlen und warum sie nach Deutschland gekommen sind. Wir fliehen vor dem Krieg im Iran, der Verfolgen in Syrien, der aussichtslosen Lage in Eritrea. Wenn Ihr uns nur lassen würdet, könnten wir eigentlich euch helfen. Wir könnten euch viel über die Welt beibringen. Aber wir sollen uns nur integrieren. Gleichzeitig frage ich euch: Wie sollen wir uns integrieren, wenn ihr uns eigentlich hier nicht haben wollt? Wenn ihr uns in Lager sperrt? Wenn ihr uns nicht als Nachbarn haben wollt? Es sind die deutschen Rassist_innen, die die Integration unmöglich machen.

Gegen diese untragbaren Zustände fordern Geflüchtete schon lange die Abschaffung der Lager- und Residenzpflicht, den Stopp aller Abschiebungen, ein dauerhaftes Bleiberecht, das Recht auf Arbeit, Bildung und selbstbestimmtes Wohnen, sowie das Recht auf Bewegungsfreiheit. So heißt es bei den ehemaligen Besetzer_innen des O-Platz:

Wir verlangen, dass man uns als Menschen respektiert, wir wollen unsere Menschenrechte! Wir waren gezwungen, unser bisheriges Leben aufzugeben, weil Kriege um Ressourcen, wirtschaftliche Ausbeutung und politische Verfolgung uns keine andere Wahl ließen, als unsere Familien zu verlassen und nach Europa zu fliehen. Westliche Regierungen stützen Diktatoren mit Waffenlieferungen und verwüsten mit Militäreinsätzen unsere Städte. Ob in Libyen, in Tunesien, in Afghanistan oder im Kongo: Europa geht es nicht um den Schutz der Bevölkerungen, sondern um den Zugang zu Ressourcen. Diese Tatsachen erinnern an koloniale Zustände und die Leidtragenden sind wir, doch wird unsere Geschichte nicht gerne erzählt. Wir haben es satt, Spielball der europäischen Außen- und Asylpolitik zu sein. Wir sind für diese Kriege nicht verantwortlich und nicht länger bereit, die Konsequenzen dafür zu tragen. Wir sind nicht das Problem! Warum können deutsche Staatsbürger_innen problemlos um die Welt reisen, Urlaub machen oder sich niederlassen, während wir, die wir gezwungen sind unsere Heimat zu verlassen, auf der Flucht unser Leben riskieren, um auf so entwürdigende Weise in Lagern und Abschiebegefängnissen festgehalten zu werden?

Man sieht: Das Problem von vielen Geflüchteten ist nicht vorrangig die AfD. Natürlich macht es einen Unterschied, ob man sich in einer Großstadt angstfrei bewegen kann oder in Erfurt nachts nur mit einem mulmigen Gefühl in die Straßenbahn steigt.

Aber die Kultur der Abschiebung und Ausgrenzung beginnt schon weit vor dem. Sie beginnt in der Ausländerbehörde, wo nach Herkunft selektiert wird. Sie zeigt sich Verwaltungsentscheidungen wie zum Beispiel der, eine Erfurter Familie mit einem kranken Kind abzuschieben, obwohl der Hausarzt sagt, das Kind wäre im Krankenhaus besser aufgehoben als im Bus nach Mazedonien. Die Kultur der Abschiebung kommt in Bewegung, wenn Uniformierte bewaffnet losziehen, um Menschen zu deportieren. Sie wird real, wenn eine Roma-Akitivistin nach Serbien abgeschoben wird und dort auf die Peiniger trifft, vor denen sie 2014 nach Deutschland geflohen war.

Es reicht also nicht, gegen die Rassisten von der AfD auf die Straße zu gehen.

Informiert euch, wie Ihr gegen Abschiebungen aktiv werden könnt und wie Ihr Geflüchtete unterstützen könnt!
Greift ein, wenn Ihr rassistische Kontrollen oder andere Maßnahmen seht!
Und: überlegt euch einfach selbst, wie ihr auf eure Art und Weise effektiv Sand ins Getriebe der menschenfeindlichen Abläufe streuen könnt!

Denn genau das ist ja wohl damit gemeint, wenn es heißt: „Wir können was dafür, wenn wir nichts dagegen tun.“

Neben diesem Textdokument konnte Lt. Harraway weitere interessante kulturelle Artefakte dokumentieren:


Der Anfang der „Demonstration“


Spott über den Gegner


Ebenso


Die tödlichen Blumen aus Episode 38?


Starke Frauen begrüßen die Zukunft

Weil der Transporter ausnahmsweise nicht kaputt gegangen ist, konnte Lt. Harraway nach dem Ende der Demonstration problemlos auf die Excelsior zurückkehren.