Care am Boden beim care-revolutionären Stadtrundgang
Etwas verspätet hier ein Bericht vom care-revolutionären Stadtrungang am vorletzten Wochenende.
Der Stadtrundgang war eine Aktion des lokalen Auslegers des bundesweiten Netzwerk Care-Revolution, dass seit einiger Zeit versucht, die bezahlte und unbezahlten Tätigkeiten, bei denen direkte menschliche Bedürfnisse im Zentrum stehen — Pflege, Erziehung, Bildung, Hausarbeit und vieles mehr — auf die politische Agenda zu setzen. Weil für uns ein Feminismus ein notwendiger Baustein einer umfassenden Gesellschaftskritik ist, beteiligen wir uns am Netzwerk und waren beim Stadtrundgang dabei.
Das Netzwerk argumentiert, dass es neben der gewöhnlichen Ökonomie, um die sich ständig alle sorgen, eine unsichtbare Ökonomie gibt, die oftmals kostenlos oder unterbezahlt von Frauen erledigt wird. Während z.B. Banken gerettet werden, lagert der Kapitalismus unzählbar viele Stunden notwendiger Care in den privaten und prekären Bereich aus. Diese Tätigkeiten sind für das menschliche Wohlbefinden viel unmittelbarer wichtig als die meisten Dinge, die am Fließband oder am Schreibtisch produziert werden. Deswegen will das Netzwerk die Erfüllung von Care-Bedürfnisse in den Mittelpunkt des politischen Handelns stellen, um damit eine Transformation in Gang zu setzen, an deren Ende eine bedürfnisorientiert(ere) Gesellschaft stehen soll — die Care-Revolution!
Angeführt von einer Care-Kali, die mit acht Armen allerlei erledigt und der die Anstrengung schon ins Gesicht geschrieben steht, hat der Rundgang Orte aufgesucht, an denen unsichtbare Reproduktionsarbeit geleistet wird und dies in Redebeiträgen zum Thema gemacht: Maus und Elefant auf dem Anger haben gehört, wie die Doppelbelastung in der Medienbranche dazu führt, dass Frauen in der Leitungsebene und bei den „harten“ Themen wie Politik außen vor stehen. Viel Aufmerksamkeit erhielt ein Beitrag über die Zustände in der Altenpflege in der Nähe eines Pflegeheims. In der Michaelisstraße vor dem Collegium Maius wurde über die Schwierigkeiten berichtet, die Bestrebungen einer akademischen Laufbahn und dem (Allein-)Erziehen von Kindern mit sich bringen. Vor der Allerheiligenkirche ging es um die Arbeitsbedingungen bei kirchlichen Trägern und auf dem Fischmarkt wurde deutlich, welche systematische Lücken in der Unterbringung dazu führen, dass die Care-Bedürfnisse von Geflüchteten ganz besonders wenig beachtet werden. Den Abschluss machte ein Die-In, bei dem die Teilnehmer_innen nach und nach umgefallen sind, um symbolisch zu zeigen, dass die Care in vielen Bereichen derzeit am Boden ist.
Die regionale Care-Vernetzung plant derzeit, die überarbeiteten Redebeiträge zu veröffentlichen. Wir halten euch darüber auf dem Laufenden. Bei Interesse an einer feministischen Vernetzung in Thüringen wendet euch an die Regionalgruppe.
Der Rundgang
Care am Boden