WE WILL RISE in Erfurt: Kleine Antira-Demo zur Ausstellungseröffnung
60 Menschen haben am vergangenen Donnerstag in Erfurt anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „WE WILL RISE“ gegen Rassismus und Abschiebungen und für globale Bewegungsfreiheit demonstriert. Die Ausstellung kann bis zum 30. Juni 2016 in der Michaleliskirche besichtigt werden und zeigt die Kämpfe von Geflüchteten ausgehend vom Refugee March for Freedom im Jahr 2012 bis zur Besetzung des Oranienplatzes und der Gerhard-Hauptmann-Schule in Berlin.
Vor der Staatskanzlei begrüßte das Bildungskollektiv die Bewegung der Flüchtlinge im Rückgriff auf Angela Davis als Bewegung des 21. Jahrhunderts, die die Regeln der nationalen Ordnung nicht anerkennt und sich mit dem Grenzübertritt ein basales Recht nimmt, für dessen Geltung es zu kämpfen gilt. Die Ausstellungsgruppe machte deutlich, dass die Bewegung u.A. in Erfurt mit dem Break-Isolation-Camp ihren Ausgang genommen hat und nun zurück ist, um weiter für die Rechte und die Würde der Geflüchteten zu kämpfen. Auf dem Anger traf die Demonstration auf die Kundgebung gegen Sozialabbau und wurde von einer Sprecherin begrüßt: „Es gibt in Deutschland auch Armut und Not. Aber was wir auf keinen Fall zulassen dürfen ist, dass sich die Armen dieser Welt gegeneinander ausspielen lassen“. Stattdessen gelte es internationale Solidarität zu zeigen. Das Grenzen-Abschaffen-Bündnis sprach anschließend und betonte nochmals, dass es wichtig ist, gemeinsame Kämpfe zu führen (siehe unten). Jose Paca, Vorsitzender des Erfurter Ausländerbeirats führte zum Abschluss ausführlich aus, dass die Würde des Menschen für Alle zu gelten habe und daher jede Pöbelei, jeder rassistisch motivierte Angriff und auch jede Abschiebung ein Verbrechen sei.
In der Michaeliskirche gab es anschließend die Möglichkeit, die Ausstellung anzusehen. In 28 Bildtafeln, zahllosen Originaldokumenten und vielen Video- und Audiostationen bietet sie einen vielfältigen, subjektiven und kämpferischen Blick auf die Kämpfe der Jahre 2012-2015. Als interaktive Ausstellung bietet sie die Möglichkeit, den Zeitstrahl zu ergänzen und zu kommentieren.
Die Ausstellung ist noch bis zum 30. Juni zu sehen und ist Montag-Freitag von 11 bis 16 Uhr geöffnet.
Formelle Eröffnung
Materialfülle
Angela Davis in der Kirche
Hier noch der Redebeitrag von Grenzen Abschaffen:
Dear Friends and Comrades,
In 2015, so many people decided to flee worldwide, as hadn’t been the case since the Second World War. A lot of people reached Europe, and for a short moment, they succeeded in breaking through Fortress Europe. Last summer, Germany celebrated itself as ‚Welcoming-Champion’. At the same time, there was a new wave of open racism and nationalism. Half of the Thuringian population and a big part of Germans, who usually stay at home and quietly think to themselves, that there are too many migrants in Germany, went to the streets and put their racism into action. This showed results on different levels: closed borders, people who got hurt, burning Lager, and racist mass mobilizations with regionally different results.
In the fall of 2015, two things came together in Erfurt: The national government discussed the tightening of the asylum law, and passed a row of new restrictive laws. At the same time, the right wing populist party AFD mobilized up to 5000 people to the streets every week and established a new, self-confident right wing movement. Neither was acceptable to us – in the world we want to live in, there is no space for racism, exclusion and closed borders.
This is why we started the campaign „Abolish all borders! Against the current state of affairs in Germany and Fortress Europe!” Our goal is to bring an antiracist perspective into the wide specter of protests against the AFD. We invited refugees to speak at the anti-AFD-protests, we held own contributions and distributed flyers during the protests, alongside with banners and paroles that tried to influence the public reception of the anti-AFD-protests.
Another goal is to make the connection between growing global flight- and migration-movements and the right-wing shift in Germany and in all of Europe more visible and to put it in a global, societal perspective. It is the capitalist societal system, that is based on nation states, exploitation and oppression and that produces wars, suffering and violent expulsions. This system produces the reasons to flee in the first place, and is also the reason that nation states close down their borders from so-called ‘foreigners’. This is not what we want – instead, we want a free society based on solidarity and without borders.
We know that we’re only at the very beginning of this struggle. We also know, that we must overcome a lot of pitfalls and obstacles. We must come together and support each other in our struggles for a better life. We must overcome language barriers, fears and insecurieties via personal exchange and communication. We should support each other, when struggling with state offices, Neonazis or the police. Instead of a wide spread paternalism, we should meet and see eye to eye. Refugees don’t want our second hand clothing, they want to be taken seriously as people with their own needs and demands. Our own political ambitions cannot simply be generalized – rather, we should reflect them together and then develop a liberating and militant perspective for our struggle.
Let’s work together toward this goal! Abolish all borders! For the freedom of movement worldwide and for an unconditional and unlimited right to stay for all!
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Genossinnen und Genossen,
2015 war das Jahr, in dem sich so viele Menschen wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr zur Flucht entschieden. Dabei erreichten viele Menschen Europa und konnten kurzzeitig die Festung Europa durchdringen. Noch im Sommer feierte sich Deutschland als „Wilkommensweltmeister“. Gleichzeitig kam unverhohlener Rassismus und völkischer Nationalismus zu Tage. Die Hälfte der Thüringer*innen und ein großer Teil der Deutschen, die sonst zu Hause blieben und der Aussage zunickten, dass Deutschland in einem gefährlichen Maße überfremdet sei, gingen nun auf die Straße und setzten ihren Rassismus in Taten um. Resultate gab es auf verschiedensten Ebenen: dichte Grenzen, verletzte Menschen, brennende Unterkünfte und rassistische Massenmobilisierungen regional mit unterschiedlicher Anziehungskraft.
So kamen in Erfurt im Herbst letzten Jahres zwei Dinge zusammen: Die Bundesregierung debattierte über Asylrechtsverschärfungen und setzte diese mehrmals durch. Zum Zweiten mobilisierte die AfD bis zu 5000 Teilnehmer*innen auf zunächst wöchentliche Demonstrationen und brachte damit eine selbstbewusste rechte Bewegung auf die Straße. Beides war für uns nicht hinnehmbar. Denn in einer Welt, in der wir leben wollen, hat Rassismus, Ausgrenzung und Abschottung keinen Platz!
Deswegen haben wir die Kampagne „Grenzen abschaffen! Gegen deutsche Zustände und Festung Europa!“ gegründet. Ziel dieser Kampagne ist vor allem auf den breiten Protesten gegen die AfD eine antirassistische Position sichtbar zu machen. Dafür haben wir Geflüchtete eingeladen auf den Demonstrationen zu sprechen, eigene Redebeiträge gehalten, Flyer verteilt und über Transparente und Parolen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung der Proteste genommen.
Ein weiteres Anliegen ist, die weltweit zunehmenden Fluchtbewegungen und den Rechtsruck in Deutschland und Europa in einen globalen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen. Denn es ist das nationalstaatlich verfasste, auf Ausbeutung und Unterdrückung basierende kapitalistische Gesellschaftssystem, das Krieg, Elend und Vertreibung produziert. In den Grundlagen dieses Systems ist das Hervorbringen von Fluchtursachen auf der einen Seite und die Abschottung gegen vermeintlich Fremde auf der anderen Seite bereits angelegt. Darauf haben wir keinen Bock und stellen dem die Idee einer solidarischen Gemeinschaft ohne Grenzen entgegen.
Dass wir auf dem Weg dorthin noch ganz am Anfang stehen, ist uns bewusst. Bewusst ist uns auch, dass wir in den Kämpfen, die wir führen noch unzählige Fallstricke und Hindernisse überwinden müssen. Es gilt, gemeinsam aufeinander zuzugehen, uns in den Kämpfen für ein besseres Leben zu unterstützen und im persönlichen Austausch die Überwindung von Ängsten, Unsicherheiten und Sprachbarrieren zu ermöglichen. Genauso müssen wir uns gegenseitig bei Ämter-, Bullen- und Nazistress unterstützen. Der weitverbreitete Paternalismus muss zugunsten einer Begegnung auf Augenhöhe weichen. Geflüchtete wollen nicht unsere abgetragenen Klamotten, sie wollen als Menschen mit eigenen Bedürfnissen und Forderungen ernst genommen werden. Unsere politischen Ansprüche können nicht verallgemeinert, sondern müssen gemeinsam reflektiert werden, um eine emanzipatorische und kämpferische Perspektive zu entwickeln.
Lasst uns gemeinsam Schritte in diese Richtung wagen. In diesem Sinn: Grenzen abschaffen! Für globale Bewegungsfreiheit und ein bedingungsloses Bleiberecht für alle!