450 gegen AfD-Kundgebung in Erfurt

<img style="width: 40%;Float: left;margin: 0px 15px 15px 0px;" Rund 450 Menschen gingen am Sonntag gegen eine Kundgebung der nationalistischen AfD in Erfurt auf die Straße. Eine Gegendemonstration, organisiert u.a. von „Auf die Plätze“, Sprachcafe und linken Jugendverbänden zog, vom Hauptbahnhof aus, durch die Altstadt zur Kundgebung der Wutbürger_innen auf dem Domplatz und wieder zurück.

Dem Aufruf der AfD folgten rund 2000 Anhänger_innen, darunter Rassist_innen und Faschist_innen von Pegida, Thügida, Die Rechte und Identitärer Bewegung. Aus der AfD-Kundgebung heraus kam es, neben Beschimpfungen und Drohungen, zu einem gewalttätigen Übergriff (Video, <a href="MDR) auf zwei Frauen. In der Pilse versuchten Erfurter Nazi-Hools ebenfalls Menschen anzugreifen.

Ums kurz zu machen: Es freut uns zu sehen, dass vor allem junge Menschen der rassistischen und chauvinistischen Kackscheiße der AfD widersprechen und es kotzt uns an zu sehen, wie die AfD und ihre Sympathisant_innen, durch Bedrohungen und Übergriffe, dies zu verhindern versuchen.
Wenn ihr also derartiges beobachtet bzw. ihr oder eure Freund_innen betroffen seid/wart, wendet euch an das Bündnis „Auf die Plätze“ (facebook) oder auch direkt an uns. Außerdem könnt ihr euch bestehenden antifaschistischen Initativen und Gruppen anschließen und dort, zusammen mit anderen, aktiv werden. Eine Übersicht findet ihr hier.

Fotos von Lionel C. Bendtner auf flickr

Im folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag eines Genossen:

Schaut man sich das Motto der heutigen AfD—Kundgebung an, so bringt es zwei Themen miteinander zusammen, die erst einmal nichts miteinander zu tun haben: Den Moscheebau in Erfurt mit dem Zustand des Sozialstaats in Deutschland. Was verbindet diese beiden Themen miteinander? Beide Themen werden von der AfD aufgegriffen, um eine völkische und rassistische Spaltung der Gesellschaft voran zu treiben.

Denn wie interpretiert die AfD gesellschaftliche Konflikte und welche Angebote kann sie unterbreiten?

Schauen wir zunächst auf den Moscheebau. Eigentlich könnte es uns egal sein, ob sich in einem Erfurter Stadtteil Menschen in einem religiösen Neubau zum Freitag zum Gebet treffen. Genauso wie es mir egal ist, wer sonntags lieber in die Kirche geht statt auszuschlafen. Grundprinzipien unserer Gesellschaft sind Religionsfreiheit und die Trennung von Religion und Staat, auch
wenn diese Trennung in Deutschland nicht hundertprozentig vollzogen ist. Wer religiös sein will, darf das tun, doch er soll mich damit in Ruhe lassen.

Doch die AfD versucht eine andere Trennlinie zu ziehen. Für sie ist der Islam nicht eine Religion unter anderen, sondern sie versucht, ihm die Legitimation in unserer Gesellschaft abzusprechen und Millionen von Muslime, die in diesem Land leben, unter Generalverdacht zu stellen. Religiöse Fanatiker wie der Islamische Staat dienen ihr dazu, ein Bild zu zeichnen, der den Islam als Ganzes brutal und gewalttätig erscheinen läßt. Ungeachtet der Tatsache, dass der weit überwiegende Teil der Opfer islamistischer Gewalt selbst Muslime sind.

Der Islam ist für die AfD keine Religion, sondern ihm werden Wesenszüge zugeschrieben, die in ihrer Grundsätzlichkeit an den biologistischen Rassismus vergangener Tage erinnert: Was früher
Rassen waren, ist heute Kultur und Religion. Die Abwertung des Islams versucht, Ungleichheit und die eigene Besserstellung zu begründen. Diesem Versuch stellen wir uns entschieden entgegen!

Schauen wir als nächstes auf das Thema Familiennachzug. Mir ist es egal, mit wem Menschen zusammenleben: Allein oder mit mehreren, mit Kindern oder ohne, ob hetero oder homo, mit Trauschein oder ohne.

Die AfD sieht das anders. Sie bekennt sich zur traditionellen Familie als gesellschaftlichem Leitbild mit einer reaktionären Rollenzuteilung zwischen Frauen und Männern. Alles, was nicht in
dieses starre Bild passt, wird abgewertet und als „unnatürlich“ erklärt. Die homophoben und antifeministischen Positionen der AfD finden hier ihren Ausdruck. Dass es der AfD gerade nicht um den Erhalt der Familie als solches geht, zeigt sich nirgends so deutlich, wie beim Thema Familiennachzug. Für Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, soll gerade die traditionelle Familie nicht erhalten, sondern mit allen Mitteln verhindert werden. Die AfD ist nicht familienfreundlich, sondern zutiefst menschenfeindlich. Es geht ihr nicht um das Wohl der Menschen, sondern um einen biologistisch begründeten Erhalt eines halluzinierten deutschen Volkes. „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ heißt es bei der AfD. Frauke Petry hat einmal gesagt, Familienpolitik sei Bevölkerungspolitik. Genauso wie beim Umgang mit dem Thema Religion wird hier das völkische und rassistische Weltbild der AfD deutlich. Wir sind hier, weil wir diesem zynischen und menschenfeindlichen Weltbild den Kampf ansagen!

Kommen, wir zum letzten Punkt, den Sozialstaat. Auch ich mache mir Sorgen um den Sozialstaat. Die Politik der letzten 20 Jahre hat dazu geführt, dass sich die Lebensbedingungen von vielen
Menschen in Deutschland verschlechtert haben: Die Ausweitung prekärer Beschäftigung, die Einführung eines Zwangssystems namens Hartz IV, die Verschlechterung bei der Rente und im
Gesundheitswesen. All dies muss kritisiert und verändert werden. Doch was sagt die AfD zu diesen Themen: Schaut man sich AfD-Positionen näher an, so findet man allerortens Forderungen, den
neoliberalen Umbau der Gesellschaft weiter voran zu treiben: Hier einige Beispiele: Während Gewerkschaften viele Jahre für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn gekämpft haben, war er für die AfD ein neosozialistischer Jobkiller, den sie vehement bekämpfte. Streiten wir für die Wiedererhebung der Vermögenssteuer, damit die Besitzenden endlich wieder zum gesellschaftlichen Reichtum in angemessener Form beitragen, ist die AfD für eine Abschaffung der Vermögenssteuer. Fordert der DGB eine Reform der Erbschaftssteuer, damit hohe Erbschaften auch der Gesellschaft zugute kommen, will die AfD die Erbschaftssteuer ganz abschaffen. Statt wirksamer Kontrollen in der Arbeitswelt und einer Stärkung der Mitbestimmung spricht die AfD von Bürokratieabbau und Deregulierung. Die AfD als Verteidiger des Sozialstaats zu bezeichnen, hieße den Bock zum Gärtner zu machen. Dass es nicht bei bloßen Ankündigungen bleibt, zeigt ein Blick nach Österreich. So steht im Koalitionsvertrag zwischen der konservativen ÖVP und der rechtsextremen FPÖ eine Verlängerung der Arbeitszeiten. Zusammenfassend kann man sagen, dass die AfD eine Klientelpolitik für Reiche betreibt und eine Politik verfolgt, die zutiefst neoliberal und arbeitnehmerfeindlich ist.

Diese Politik kaschiert sie, indem sie abermals rassistische und völkische Ressentiments befördert. Das Vorgehen der AfD erinnert an die Geschichte von den drei Personen, die an einem Tisch sitzen. Der Reiche nimmt alle Kekse bis auf einen aus der Verpackung und sagt dann zum Armen: „Pass‘ auf, der Flüchtling will Dir Deinen Keks wegnehmen.“ Statt eine Politik zu kritisieren, die die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werden lassen hat, wird die Schuld den Geflüchteten zugeschoben. Auch dieser rassistischen Interpretation sozialer gesellschaftlicher Konflikte müssen wir unseren Widerstand entgegenstellen!

Zum Schluss möchte ich noch kurz ausführen, was aus dem Gesagten folgt. In der Auseinandersetzung mit der AfD geht es im Kern um die Frage, welche gesellschaftlichen Bruchlinien die
Diskussion beherrschen: Die Trennlinien der AfD sind dabei klar: Abendland gegen Morgenland, Deutsche gegen Ausländer, Wir gegen Die. Dabei schlägt sie gleichsam mit einer argumentativen
Axt Kerben in die Gesellschaft, die ihre völkischen und rassistischen Bruchlinien verstärken sollen. Ziel ist es, die Privilegien weißer, deutscher, heterosexueller Männer zu legitimieren und zu verteidigen. Wir sind heute hier, um uns diesem Versuch gemeinsam und entschlossen entgegenzustellen.

Doch dabei wird es aus meiner Sicht nicht reichen, die AfD moralisch zu verurteilen. Viele Menschen sind verunsichert, sie haben das Gefühl, ihr Leben nicht selbst zu bestimmen und einer
zunehmend globalisierten Konkurrenz wehrlos ausgeliefert zu sein. Wenn es nicht für alle reicht, dann versuche ich möglichst viel für mich zu retten. Unser zentrale Aussage sollte deshalb sein: Es ist genug für alle da.

Wenn 40 Menschen auf dieser Welt soviel Geld und Güter besitzen wie 3 Milliarden Menschen, dann ist genug für alle da. Wenn wir die Deutungshoheit der AfD in der gesellschaftlichen
Auseinandersetzung verhindern wollen, müssen wir klar sagen, wofür wir stehen und selbstbewußt für unsere Positionen werben. Wir stehen für eine Vielfalt der Lébensweisen, in der das Wohl aller im Zentrum steht. Dabei lassen wir uns nicht gegeneinander ausspielen.

Und wir stehen für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums innerhalb unserer Gesellschaft und im globalen Maßstab und eine Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den
Menschen. Es geht nicht darum, das Gestern zu verteidigen, sondern das Morgen zu erringen. In diesem Sinne: Gegen völkische und rassistische Engstirnigkeit, für eine globale emanzipatorische Perspektive!