150 gegen Abschiebeknast, da ist noch Luft nach oben

Am 5. Juli wurde in Arnstadt gegen einen neuen Abschiebeknast demonstriert. Abschiebeknast, man muss das vielleicht noch mal sagen, bedeutet, dass Menschen eingesperrt werden, weil sie ihr Recht auf Bewegungsfreiheit wahrgenommen haben. Anders gesagt, weil sie einfach nicht hier sein sollen. Wie auch immer man es sagt, es bleibt eine fundamentale Ungerechtigkeit. Es geht darum, rassistische Regeln durchzusetzen, indem man Leute, die nichts Verwerfliches getan haben, einsperrt — mitten in Thüringen, mit dem Zug 15 Minuten von Erfurt entfernt.

Eine Anmerkung dazu richtet sich an unsere linksradikalen Genoss*innen: Irritierend war, dass am 5.7. in Arnstadt nur ca. 150 Menschen auf der Straße waren. Der Vergleich mit der Anti-Repressions-Demo in Jena mit 10.000 Leuten ist natürlich schräg: Der 14. Juni wurde monatelang vorbereitet, die Demo war bundesweit, das Bündnis war spektrenübergreifend. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass man viele Linksradikale auf die Straße kriegt, wenn es um Antifa im engeren Sinne geht, wenn man mit Wut auf einen fassbaren Gegner (die Scheiß-Nazis, die Bullen) losgehen kann, statt sich mit einem Regime zu beschäftigen. Aber das Grenzregime hat konkrete Institutionen mitten in Thüringen. Und die können angegriffen werden.

Wir sehen, dass im Feld Antirassismus alltägliche Soli-Arbeit wie Gutscheintausch, Ämterbegleitung, Soli-Asyl, etc. viele Kapazitäten frisst. Um so wichtiger für uns, diese Kämpfe zu unterstützen. Dafür müssen wir davon aber erfahren, deswegen ein zweite Anmerkung an die Organisator*innen der Demo: Unser Eindruck ist, dass die Werbung vorwiegend über einige wenige, reichweitenstarke Social-Media-Accounts betrieben wurde. Und man sieht, dass das irgendwie klappt: 150 Leute ist für Arnstadt nicht nichts. Aber: Man sieht auch, dass man so ein ganz bestimmtes Milieu erreicht: jung, studentisch, alternativ. Wer nicht auf Insta, nicht in den richtigen Messengergruppen ist oder vielleicht noch nicht mal ein Smartphone hat, kriegt von so einer Mobilisierung schlichtweg nichts mit. Das ist auch ein Teil der Erklärung dafür, warum nur 150 auf der Straße waren.

Für den langfristigen Kampf gegen den Abschiebeknast in Arnstadt hoffen wir, dass es gelingt, die eingespielten Rollen (wütende Antifas hier, moralischer Antirassismus dort, beides mit Hang zum Klicktivismus) zu überschreiten und dadurch neue Bündnisse und stärkere Kämpfe möglich zu machen.