Und jetzt kommt Weihnachten: Letzte AfD-Demo und Gegenproteste in Erfurt

Start der Gegendemo
(Quelle: MDR/Sascha Richter)

Am Mittwoch, 18.11, demonstrierten etwa 500 Menschen gegen die AfD in Erfurt. Die Demonstration des „Grenzen abschaffen“-Bündnisses und diesem der Jugendverbände (Achtung FB) begann um 17:30 mit einer Kundgebung vor dem Bürgeramt in der Bürgermeister-Wagner-Straße, in dem sich auch die Ausländerbehörde befindet. Ein Redebeitrag von Roma Thüringen und ein weiterer kritisierten u.a. die restriktive deutsche Asylpolitik und den deutschen rassistischen Alltag. Daraufhin ertönte ein Appell, sich aktiv gegen Abschiebungen einzusetzen.

Der Demonstrationszug bewegte sich über Juri-Gagarin-Ring, in die Bahnhofstraße, durch die Unterführung nach Süden und hielt zu einer Zwischenkundgebung kurz vor dem Einbiegen auf die Windthorststraße. Sodann ging es weiter Richtung Landtag. In der Johann-Sebastian-Bach-Straße stand man aufgrund zuvor gestellter Hamburgergitter in großem Abstand zur AfD-Kundgebung. Die Demonstrierenden ließen sich davon nicht abschrecken und machten erheblichen Lärm. Musik dröhnte vom Lautsprecherwagen in Richtung AfD. Dass deren Kundgebung in irgendeiner Weise davon gestört wurde, ist unwahrscheinlich. Die Fixierung auf Frontmann Höcke lässt Umwelteinflüsse nur reduziert durchdringen.
Während des Aufenthaltes am Landtag kam es für einzelne Protestierende zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die allgemein an diesem Abend ziemlich pissig auftrat. Auch innerhalb der Demo kam es zu Pöbeleien – u.a. wurde ein Mensch mit SPD-Fahne dazu aufgefordert, diese wieder einzupacken, als ein Redebeitrag die bevorstehenden Abschiebungen – an der die SPD als Regierungspartei wesentlich Mitverantwortung trägt – thematisierte und von schon durchgeführten Abschiebungen in Erfurt in den letzten Tagen und Wochen berichtete.

Tatsächlich kam es in den letzten Wochen bislang unseres Wissens nach zu keinem einzigen breiten Versuch, Abschiebungen in Erfurt zu verhindern – dies liegt u.a. daran, dass man oft genug erst zu spät von den Abschiebungen erfährt. Das wiederum liegt sowohl daran, dass Abschiebungen durch die veränderte Gesetzeslage nicht mehr angekündigt werden müssen, als auch daran, dass der Austausch von linken AktivistInnen mit Geflüchteten nur marginal stattfindet. Dieser Austausch ist aber eine wichtige Voraussetzung, wenn es zu einem solidarischen Kampf gegen die deutsche Asylpolitik kommen soll. Der eklatante Widerspruch zwischen einer lautstarken Demonstration, wo u.a. Parolen wie „Schiebt ihr unsere Freunde ab, machen wir die City platt!“ gerufen werden, und der tatsächlichen alltäglichen Ohnmacht muss thematisiert werden, wenn sich daran etwas ändern soll.

Auf der AfD-Versammlung vor dem Landtag nahmen etwa 3500 Menschen teil, diese hatte also wieder etwas an Zulauf gewonnen. Thema waren vor allem die Pariser Attentate. Die nur schlecht verborgene Freude von Rechtspopulisten und Neonazis, nun mit mahnendem Finger „Wir haben es euch ja gesagt!“ rufen zu können, ist allgemein kaum zu ertragen. Die „Anschläge seien eine Folge der seit Jahrzehnten verfehlten Einwanderungs- und Asylpolitik“. Was die Entstehung von ISIS und die Attentate (bei den meisten Attentätern handelte es sich zudem um europäische Staatsbürger) nun genau direkt mit deutscher Asylpolitik zu tun haben sollen, ist der AfD letztlich egal – schließlich geht es um die Instrumentalisierung der Solidarität mit den Opfern der Anschläge für den eigenen Zweck: völkische, deutschnationale Politik vorantreiben. Dass die erklärten Feindbilder von ISIS (Andersgläubige, Frauenemanzipation, Homosexualität, Judentum und Israel, Liberalismus & ‚Westen’ etc.) oftmals auch die Hassobjekte von Rechtspopulisten und Neonazis sind, wurde ebenso wenig thematisiert.

Im nächsten Jahr will die AfD wieder auf die Straße. Wir bleiben dran.


Demonstrationszug vor der Ausländerbehörde (Quelle: TLZ)