Rundgang über das ehemalige Topf&Söhne-Gelände
Genau 1 Jahr nach der Räumung des Besetzten Haus Erfurt fand heute ein Rundgang über das ehemalige Topf&Söhne-Gelände statt. Schon seit 2008 hatte es keinen solchen mehr gegeben, weil mit dem Beginn der Bauarbeiten das Gelände nicht mehr zugänglich war.
Der Sorbenweg in Erfurt – vor dem Verwaltungsgebäude von Topf&Söhne
Der Rundgang beginnt im Sorbenweg — früher Station 1 des nun unter frischem Asphalt begrabenen Rundgangs, der hier online zur Verfügung steht. Von hier aus sieht man das ehemalige Verwaltungsgebäude. Dort soll ab 27. Januar 2011 die Dauerausstellung Techniker der „Endlösung“ gezeigt werden. Die ReferentInnen des heutigen Rundgangs sprechen über die frühe Firmengeschichte der Ofenbauer von Auschwitz und kritisieren das Erinnerungskonzept der Stadt: „Die riesige Industriebrache und die vielen historische Mauern haben das Ausmaß der Erfurter Beteiligung am Prozess der Vernichtung viel deutlicher gemacht, als das einzelne Steelen und eine Ausstellung im Verwaltungsgebäude können.“
Denn wo genau die Verladerampe oder die Zwangsarbeiterbarracken gestanden haben, kann man sich heute nur noch schwer vorstellen. Wir stehen irgendwo zwischen den Stationen 2 und 3 des Rundgangs und erfahren, daß die Techniker der Vernichtung mitnichten überzeugte Nationalsozialisten gewesen sind. Vielmehr haben sich Leute wie der leitende Ingenieur Kurt Prüfer dem Grauen von der rein technischen Seite angenähert. Die Frage, wie man möglichst viele Körper in möglichst kurzer Zeit in Asche verwandelt, war für ihn ein interessantes technisches Problem. Nicht nur in Erfurt, auch auf Montage in Auschwitz hat er ein erstaunliches Talent darin bewiesen, dieses Problem zu lösen, ohne seine moralischen Implikationen zur Kenntnis zu nehmen und die angemessenen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Früher Zwangsarbeit und Technik der Vernichtung, heute Gartenmarkt
Ungefähr vor dem Gartenmarkt befand sich früher die Montagehalle. Der Rundgang widmet sich hier den ZwangsarbeiterInnen, die auf dem Gelände vernutzt wurden. Es geht auch um die KPD-Betriebsgruppe und ihr Versagen. Es steht fest, daß die Gruppe gewusst hat, was bei Topf&Söhne hergestellt wird. Die KommunistInnen haben es geschafft, im Untergrund weiter zu arbeiten und die ZwangsarbeiterInnen zu unterstützen. Gegen die Technik der Vernichtung haben sie nichts unternommen.
Blick von der früheren Toreinfahrt in Richtung wo unser Haus stand
Der Rundgang endet nach einer knappen Stunde dort, wo früher das Hauptgebäude der Besetzung — darin auch der Infoladen — gestanden hat. Was auf dem Gelände zwischen 2001 und 2009 stattgefunden hat, ist für viele Teilnehmer_innen nichts Neues. Trotzdem wird es hier nochmal erwähnt.
Am Ende wird dort, wo unser Haus stand, noch einmal Musik abgespielt. Eine stellt Blumen hin. Einer erzählt, daß er einen guten Teil seiner Jugend hier verbracht hat. Es sei schon ein bedrückendes Gefühl, heute auf dem Parkplatz zu stehen. Auf die Frage, was er sich heute wünscht, antwortet er: „Daß ganz, ganz viele Leute am Samstag zur Demo für ein neues Zentrum kommen“ — ein Wunsch, dem wir uns nur voll und ganz anschließen können.
Wo unser Haus stand, stehen heute ausnahmsweise mal Blumen
Es waren gezählte 70 Leute jeden Alters auf dem Rundgang. Zwei Mitglieder des Förderkreis Topf&Söhne betrachteten das Geschehen zusammen mit der Polizei aus der Ferne.