Erfurt: Rassistische Kontrollen und Sanktionen für Übertreten der Landkreisgrenze

Nach der Lebhaft-Abschluss-Veranstaltung vergangenen Samstag kam es am Erfurter Hauptbahnhof gezielt zu rassistischen Kontrollen gegen als „Ausländer“ stigmatisierte Menschen. Wir dokumentieren einen Beitrag von The Voice:

Nach einer Informations- und Kulturveranstaltung, die sich gegen die gesetzlich verordnete Diskriminierung von Flüchtlingen durch das Lagersystem und die Residenzpflicht wandte, wurden im Stadtbereich Erfurt und vor allem im Hauptbahnhof gezielt Personenkontrollen von Flüchtlingen durchgeführt.
Zu der Veranstaltung der Initiative „LebHaft“, die im August im Rahmen einer „NoLager-Tour“ vier Flüchtlingslager in Westthüringen besucht hatte, waren rund 60 Flüchtlinge aus acht verschiedenen Lagern nach Erfurt gereist. Um auf die Isolation und rassistische Diskriminierung von Flüchtlingen hinzuweisen, hatte unter anderem am Samstagmittag vor dem Erfurter Hauptbahnhof eine Polit-Performance stattgefunden, während der eine Gruppe von Flüchtlingen gemeinsam mit antirassistischen AtkivistInnen durch Improvisationstheater Thematiken wie Residenzpflicht, Abschiebung, Angst, Grenze oder Freiheit darstellte. Zwischendurch gab es kurze Abrisse zum zugrunde liegenden rassistischen Gesetzeswerk und zur aktuellen Praxis von Behörden und Polizei.
Der Nachmittag wurde in einer Saalveranstaltung mit persönlichen Berichten und politischen Einschätzungen von Flüchtlingen, mit einer Vorstellung der No-Lager-Tour und weiterer Information u.a. zur aktuellen Lage von Geduldeten gestaltet. Am Abend gab es Konzerte mit unter anderem Erfurter und Hamburger Punk- oder Elektrobands sowie einer Band iranischer Flüchtlinge, die teils Populärmusik spielten und teils einfach jammten.

Während die Veranstaltung ihrem Anspruch, die Isolation voneinander zu durchbrechen, mühelos gerecht werden konnte, setzten die Behörden auf Einschüchterung und öffentliche Stigmatisierung von Flüchtlingen und MigrantInnen: Polizeipatroullien in gepanzerter Uniform kontrollierten im Bereich des Hauptbahnhofs gezielt alle Menschen, die ihrem Begriff von „deutsch“ nicht entsprachen – die Maschinenpistole in der Hand. Unterstützt wurden die bewaffneten Beamten von Zivilpolizisten, die ebenfalls durch den Bahnhof striffen und Reisende festhielten. Auf den Grund der Kontrolle angesprochen, erwiderten die Beamten zunächst, es handele sich um „zufällig ausgewählte Personen“. Auf weiteren Protest der Gruppe hin wurde eingestanden: „Wir suchen Leute aus, bei denen wir hoffen, etwas zu finden.“ Dass es sich hierbei um eine eindeutig rassistische Maßnahme handele, wollten die Beamten nicht einmal bestreiten.

Einige der Flüchtlinge erwartet nun eine Geldstrafe von mindestens 40 Euro, weil sie von ihrem Grundrecht auf Bewegungs- und Meinungsfreiheit Gebrauch machen wollten.
Passanten im Bahnhof kommentierten die Kontrollen des Wochenendes als eine Folge der „Terror-“Panikmache des Bundesinnenministeriums und der Medien. Das einzige, was die jüngsten Schikanen aber von früheren unterschied, war die gesteigerte Zahl an Beamten und die schwere Bewaffnung. Anscheinend hat sich die Öffentlichkeit schon so sehr an die regelmäßigen Kontrollen von als „Ausländer“ stigmatisierten Menschen gewöhnt, dass nur noch die kürzlich aufgefrischte Konstruktion „Migranten-Muslime-Terrorismus“ zu ihrer erneuten Wahrnehmung führt.
Dass an jedem Tag in jedem Bundesland und egal an welchem Ort Menschen aufgrund ihres Aussehens von der Polizei schikaniert und rechtlich diskriminiert werden, wird konsequent ausgeblendet.

http://thevoiceforum.org/node/1864