Antifaschismus selber machen!
Bei allen Ungereimtheiten, Lücken in den Darstellungen und offenen Fragen scheint eines doch offensichtlich: seit mehr als zehn Jahren agiert in Deutschland eine rechte Terrorzelle die sich zu neun Morden an MigrantInnen in verschiedenen Städten und einem Nagelbombenanschlag in einer überwiegend von türkischen Einwanderern bewohnten Straße in Köln bekennt. Auch der Mord an einer Polizistin und mehrere Banküberfälle werden der Gruppe zugerechnet. Obwohl die mindestens drei beteiligten Nazis Uwe Bönhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe 1998 kurz vor einer Hausdurchsuchung, bei der Ermittler unter anderem vier funktionierende Rohrbomben fanden, vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, konnten sie flüchten und untertauchen. Auch der Nazikader Tino Brandt des „Thüringer Heimatschutzes“, einer Naziorganisation in der die drei bis zu ihrem untertauchen aktiv waren, war bezahlter Spitzel des Verfassungsschutzes. Und trotzdem gelang es scheinbar unbemerkt über Jahre hinweg Menschen aus rassistischen Motiven heraus zu töten.
Schon damals wurden aus antifaschistischen Zusammenhängen heraus Nazistrukturen und Aktivitäten der radikalen Rechten öffentlich thematisiert und dagegen protestiert. In den Medien wird jetzt ein „Versagen des Verfassungsschutzes“ diskutiert. Das ist ohne Zweifel richtig. Aber die Blindheit gegenüber rechter Gewalt hat System. Es werden Statistiken geschönt, Ermittlungsverfahren erst gar nicht aufgenommen und stattdessen über linken Terrorismus schwadroniert weil in Berlin und Hamburg ein paar Autos brennen oder Antifaschisten_innen in Dresden einen Naziaufmarsch verhindert haben. Während Nazis also unerkannt morden können, kämpft das Familienministerium gegen Links- und Ausländerextremismus und initiiert ein Aussteigerprogramm für Linksextremist_innen. So viel zu staatlichem Handeln gegen Rechts.
Wie notwendig dagegen ein entschlossener Antifaschismus ist, zeigt nicht allein die Existenz einer rechten Terrororganisation. Dort wo Rassismus, Antisemitismus und Faschismus geduldet und akzeptiert werden, entstehen immer wieder rechte Terrorzellen, Mord und Totschlag. Da wo sich Nazis treffen und organisieren, in Naziläden, „Nationalen Zentren“ oder rechten Kneipen, dort wo sie sich gegenseitig bestärken können, auf Demonstrationen, beim kameradschaftlichen Liederabend oder einem Nazikonzert, überall dort ist der Hort für eine faschistische Ideologie die menschenverachtende Taten hervorbringt. Und überall dort muss sie bekämpft werden.
Dies alles geschieht in einer Gesellschaft die in weiten Teilen rassistisch, antisemitisch und sexistisch durchsetzt ist. Auch hier findet sich ein Nährboden für Neonazis und neonazistische Ideologie. Somit ist auch gegen bürgerliche Ausgrenzung und Diskriminierung eine starke, antifaschistische Bewegung notwendig, die auf öffentliche Debatten Einfluss nimmt und im Alltag präsent ist.
Dringend geboten ist auch die Solidarität mit den Opfern und ihren Angehörigen. Dass Polizei und Medien zu der Mordserie jahrelang nichts besseres eingefallen ist, als über Schutzgelderpressung und organisierte Kriminalität zu spekulieren, ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen und beweist nur aufs Neue, wie sehr Rassismus in Staat und Gesellschaft verwurzelt sind.
In den nächsten Tage und Wochen werden sicher noch weitere Details ans Tageslicht kommen. Währenddessen und darüber hinaus gilt: Den antifaschistischen Selbstschutz organisieren! Faschismus bekämpfen – auf allen Ebenen mit allen Mitteln!