Erfurt: Arbeitsstunden nach Nazi-Übergriff. Aber nicht für die Nazis…
Pünktlich zur Erfurter Woche gegen Rechtsextremismus endete heute der Prozess gegen einen der Angegriffenen des Nazi-Überfalls auf die Erfurter Schlauchboot-Tour 2008. Prozess gegen einen Angegriffenen? — Ja, das gibt’s. Willkommen in Thüringen. Dazu eine PM einiger ProzessbeobachterInnen:
Mit einer vorläufigen Einstellung gegen Auflagen endete heute vor dem Landgericht Erfurt der Prozess gegen einen der Betroffenen eines Naziüberfalls vom 12.7.2008. An diesem Tag wurden ca. 50 Personen aus der Punkszene und dem Umfeld des Besetzten Hauses hinter der Krämerbrücke von ca. 20 Hooligans aus dem Spektrum der rechten Gruppierung „Kategorie Erfurt“ (KEF) überfallen. (Bericht auf Indymedia hier, auf NPD-Blog hier)
Dem 28jährigen Angeklagten wurde vorgeworfen, einen der Angreifer mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen zu haben. Was sich genau am 12.7.2008 zugetragen hat, konnte vor Gericht nicht abschließend geklärt werden. Der Hooligan, der in der Verhandlung als Geschädigter auftrat, sprach bis zuletzt von einem Flaschenwurf, der ihn im Gesicht verletzt habe, während zwei Polizeibeamte in teilweise widersprüchlichen Aussagen von einem Schlag mit einer Flasche auf den Hinterkopf sprachen. Entlastungszeugen wurden nicht gehört. Der Angeklagte selbst hatte den Tatvorwurf überzeugend zurückgewiesen, weswegen er in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht freigesprochen worden war. Weil die Staatsanwaltschaft Erfurt dagegen Revision eingelegt hatte, wurde heute vor dem Landgericht verhandelt. „Man wurde auch heute den Verdacht nicht los, daß die Staatsanwaltschaft ein starkes Intersse daran hat, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schlauchbotttour zu kriminalisieren“ sagte dazu eine Prozessbeobachterin aus der linken Szene.
Seit acht Jahren treffen sich Punks und Alternative in Erfurt jährlich zu einer Schlauchboottour, bei der sie in Trekkerreifen und mit Schlauchbooten einige Kilometer in der Gera zurücklegen. Zielpunkt ist traditionell die Krämerbrücke. 2008 hatten nach Angaben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erst Hooligans und kurz darauf Polizeieinheiten die Punks auf der Krämerbrücke attackiert.
Der Einstellung gegen Auflagen zugestimmt hat der Angeklagte, um weiteren Verhandlungstagen und dem damit verbundenen finanziellen Risiko aus dem Weg zu gehen. Während für die rechten Angreifer vom 12.7.2008 der Überfall bis heute ohne juristische Folgen geblieben ist, muss der Angeklagte bis März 2011 80 Arbeitsstunden ableisten.
Es sieht so aus, als sei die Erfurter Staatsanwaltschaft wild entschlossen, die Überzeugung des Innenministers, es gebe ein großes Problem mit linker Gewalt in Thüringen, zu belegen.
Ergänzung: Auf dem NPD-Blog ist zu lesen was die TLZ damals zu dem vorfall geschrieben hat.