Kundgebung: „Hände weg von unserem Fahrer!“ am 14. Februar in Erfurt


Auf einer Demonstration gegen die Räumung des Besetzten Hauses in Erfurt wird Thomas plötzlich von einem Greiftrupp der Polizei unter Einsatz von Pfefferspray aus dem Lautsprecherwagen gezerrt und festgenommen. Er soll einen Polizisten angefahren und sich bei der Festnahme gewehrt haben. Jetzt, zwei Jahre später, soll ihm nun der Prozess gemacht werden. Wir sind solidarisch mit Thomas und kritisieren polizeiliche Willkür und die Kriminalisierung von Protesten!
Am 16. April 2009 wurde das Besetzte Haus auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände in Erfurt brutal von der Polizei geräumt. Dies veranlasste zahlreiche Unterstützer_innen der acht Jahre währenden Besetzung dazu, bundesweit an Solidaritätsaktionen teilzunehmen oder eigene zu organisieren. Auch Thomas beteiligte sich durch Fahren des Lautsprecherwagens auf einer Demonstration nach der Räumung in Erfurt.
Als sich der Demonstrationszug vom Anger aus in Richtung Fischmarkt bewegen wollte, stürmte die Polizei plötzlich den Lautsprecherwagen. Sie zerrten Thomas unter Einsatz von Pfefferspray aus dem Wagen und verhafteten ihn.
Heute, knapp zwei Jahre später, am 14. Februar 2011, beginnt der Gerichtsprozess gegen ihn. Die willkürlichen Tatvorwürfe laut Anklageschrift lauten: „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz jeweils in Tatmehrheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung“.

Dass diese Vorwürfe nicht nur völlig überzogen erscheinen, sondern hinter dem Vorgehen der Polizei bewusstes politisches Kalkül steckt, lässt sich an der damaligen Demonstration und dem kommenden Prozess gegen Thomas aufzeigen. Am Abend des 16. April 2009 versammelten sich mehrere hundert Menschen, um mittels einer Demonstration gegen die am Morgen stattgefundene Räumung des Besetzten Hauses auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände in Erfurt zu protestieren. Bereits vor Beginn der Demo zeichneten sich die anwesenden „Sicherheitskräfte“ durch aggressives Verhalten aus.
Unzählige Vorkontrollen wurden durchgeführt und eine Reihe von Personalien aufgenommen. Als die Demo loslaufen wollte, kam es zu Übergriffen der Polizei auf die Demonstrationsteilnehmer_innen, in deren Verlauf mehrere Personen, darunter der Angeklagte, festgenommen wurden. Pfefferspray und Schlagstöcke wurden eingesetzt. Die Polizei wollte die Demo mit Gewalt am Loslaufen hindern. Von der Polizei wurde behauptet, dass nur eine Standkundgebung angemeldet gewesen sei, dass einzelne Demoteilnehmer_innen vermummt gewesen seien oder einfach, dass sich potentielle Straftäter_innen unter den Demonstrant_innen befänden. Über eine Stunde wurde die Demonstration am Anger festgesetzt. Der Polizei war offensichtlich daran gelegen, die Demonstration zu verhindern oder zumindest möglichst lange aufzuhalten und zu schikanieren.
Diese Zustände sind nicht neu. Wer häufiger Demonstrationen oder Kundgebungen besucht oder einfach so in Kontakt mit der Polizei kommt, weiß, wie oft Polizist_innen willkürlich handeln. Wie Gesetze nach eigenem Gutdünken ausgelegt und vollzogen werden. Wie ihnen missliebige Personen oder Personengruppen schikaniert und in politische Versammlungen hineingeprügelt, diese verboten oder an den Stadtrand verdrängt werden. Offensichtlich erscheint dabei, dass nicht nur die_der einzelne, ausführende Polizist_in willkürlich handelt, sondern dass dahinter oft auch politische Entscheidungen stehen. Dass der Protest gegen die Räumung nicht gewollt war, zeigt dieser aggressive Polizeieinsatz deutlich.

Der Prozess gegen Thomas und Prozesse gegen andere Angeklagte haben unter anderem die Aufgabe, den Umgang mit den Demonstrationsteilnehmer_innen und die Handlungen der Polizei dabei im Nachhinein zu legitimieren. Wenn die zuvor anhand sehr weit ausgelegter Gesetze Festgenommenen nun beschuldigt und angeklagt werden, ist es für die Polizei politisch nützlich, von einem Gericht ihr Vorgehen bestätigt zu bekommen. So soll die Legitimation nachgeholt werden, in der Vergangenheit alles richtig gemacht zu haben. Ein gerichtliches Verfahren soll somit dazu dienen, die Polizei in ihrem Handeln auch für die Zukunft darin zu bestärken, genauso vorgehen zu können.
Gleichzeitig sollen eventuell verurteilte Angeklagte kriminalisiert und Protest delegitimiert werden. Dies dient den Staatlichen Repressionsorganen zur Abschreckung. Menschen sollen eingeschüchtert werden und sich nicht mehr trauen, ihren Protest auf die Straße zu tragen. Alle Lautiwagen-fahrer_innen von Demonstrationen müssen gegebenenfalls, bei einer eventuellen Verurteilung von Thomas, mit ähnlichen willkürlichen und repressiven Maßnahmen rechnen. Dem können wir nur entgegenwirken, wenn wir Thomas unterstützen, ihn bei seinem Prozess begleiten und wenn wir trotz der eventuell neuen Risiken weiter Lauti-Wagen_Fahrer_innen bleiben. Ein Herz für Thomas und ein Herz für politische Aktionen – trotz Staatlicher Repression!

Die Alltäglichkeit dieses Vorgangs ist ein Grund mehr, ihn zu kritisieren und dagegen vorzugehen. Wenn am 14. Februar der Prozess gegen Thomas eröffnet wird, spielt für die Richterin das oben Genannte sicher nur eine untergeordnete Rolle. Dann geht es nur um eine individuelle Schuld oder Unschuld von Thomas, um individuelle Taten von Polizist_innen und anderen Zeug_innen. Es liegt an uns, die dargestellten Zusammenhänge zu thematisieren und an die Öffentlichkeit zu bringen. Es liegt auch an uns, Thomas solidarisch zur Seite zu stehen, denn jede_r von uns hätte zu diesem Zeitpunkt von der Polizei verprügelt und verhaftet werden können.
Angeklagt ist Thomas allein – gemeint sind wir alle!

Kommt zur Kundgebung „Hände weg von unserem Fahrer! Ein Herz für Thomas!“
am Montag, dem 14. Februar um 12.30 Uhr vor dem Amtsgericht in Erfurt!
Begleitet den Prozess ab 13.15 Uhr im Sitzungssaal 8.
Solidarität mit Thomas!