Die nächste Razzia: ATTAC-Bundesbüro durchsucht
Gestern (Dienstag) Vormittag wurde das Bundesbüro des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC in Frankfurt durchsucht. Anlass war ein seit Monaten auf der Webseite von ATTAC veröffentlichtes Gutachten über das Agieren der Bayrischen Landesbank im Vorfeld des letzten Krisenzyklus: Die Bank hatte sich massiv mit Subprime-Krediten verspekuliert, sodas das im Auftrag der bayrischen Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten zu dem Schluss kam, „die Vorstandsmitglieder [hätten] in schwerwiegender Weise schuldhaft ihre Überwachungspflicht […] verletzt“.
Die Frankfurter Rundschau zitiert zu dem Vorgang eine ATTAC-Mitarbeiterin:
„Die Beamten standen plötzlich in unserem Büro und sagten, wir sollen ab jetzt nichts mehr anfassen und sie würden alle 15 Computer mitnehmen. Wir konnten die Ermittler dann überzeugen, dass es bei uns keine Fingerabdrücke zu finden gibt auf irgendeinem heißen Dokument, weil wir digital arbeiten.“ Daraufhin hätten die Beamten mit Hilfe von zwei extra hinzugerufenen Polizeitechnikern versucht, digital an das Dokument zu kommen, was aber an der mangelnden Kenntnis der Ermittler über das Betriebssystem Linux gescheitert sei. Schließlich hätten die Beamten das Gutachten von der Attac-Hompage heruntergeladen – wie man das von jedem Ort der Welt auch ohne Durchsuchung einfach hätte machen können. „Sie haben eine Datei kopiert, die sie auch von München aus hätten kopieren können. Wir glauben, dass es eine Einschüchterungsaktion war.“
Nach der Durchsuchung von 20 Wohnungen und Geschäftsräumen am vergangenen Dienstag ist das die zweite Razzia bei linken Zusammenhängen in dieser Woche. Wie auch das Eindringen der Polizei in das Filler am 30. März zeigt, kann es jeden treffen, der sich auf irgend eine Weise kritisch zu den herrschenden Zuständen ins Verhältnis setzt.
Daß die Antwort auf die Repression nur Solidarität sein kann, ist eine Plattitüde, die angesichts der derzeit ausbleibenden Reaktionen auf die Durchsuchungen (außer Leipzig nichts gewesen) ziemlich hohl klingt. Seit dem Antifasommer vor rund 10 Jahren hat sich die staatliche Einstellung zu linker Bewegung, vor allem zum Antifaschismus, stark gewandelt. Teile der Bewegung wurden eingekauft, radikalere Gruppen geduldet oder instrumentell eingesetzt — weil sie die extremen Rechten effektiver bekämpfen konnten als der Staat selbst. Es könnte sein, daß die Durchsuchungen (wie auch andere Ereignisse, z.B.die Eskalationsstrategie beim letztlich bürgerlichen Protest gegen Stuttgart 21 und die Einführung der „Extremismus-Klausel“) anzeigen, daß die Zeit des Duldens und Einbeziehens vorbei ist. Wenn dem so ist, müssen wir (das strategische und fragile „Wir“ derjenigen, die im weitesten Sinne eine grundlegende Umgestaltung der herrschenden Verhältnisse im emanzipatorischen Sinne anstreben) überlegen, wie wir uns zur gesteigerten Repression verhalten. Und das am besten, bevor die nächsten fünf Razzien unsere Zeit und Energie in Anspruch nehmen.