Demonstration gegen den Coburger Convent – ein Bericht der Reisegruppe STH

Am 11. Juni 2011 fuhren wir, wie jedes Jahr, aus Thüringen nach Coburg, um an der Demonstration gegen den Coburger Convent teilzunehmen. Dieser Convent ist der jährliche Pfingstkongress von ca. 100 Turner- und Landsmannschaften, also widerlichen Männerbünden, vergleichbar mit Burschenschaften. Der Protest in diesem Jahr unterschied sich dabei kaum zu denen der Vorjahre.

Kaum in Coburg angekommen und unser Transportmittel verlassend, wurden wir schon auf die bayrischste aller Weisen willkommen geheißen, nämlich durch das USK, eine Polizei-Schlägereinheit, vergleichbar mit dem Thüringer BFE. Nach Personalienkontrolle, intensiver Durchsuchung in Taschen und am Körper und nachdem zum offensichtlichen Bedauern der Polizisten (es waren alles Männer) auch kein „Rauschgift“ im Regenschirm versteckt war, konnten wir passieren. 300 Meter weiter, kurz vorm Bahnhofsvorplatz, wo die Auftaktkundgebung stattfand, hielten uns das zweite Mal, diesmal nicht ganz so wortkarge, im Umgang mit Menschen offenbar besser geschulte, Polizisten an (wieder alles Männer). Hier gab es die zweite Kontrolle. Dass wir das Ganze schonmal durchhatten, interessierte die Herren herzlich wenig. Nach Kontrolle Nummer zwei, konnten wir zur Auftaktkundgebung durchdringen. Auf dem Platz vor dem Coburger Bahnhof hatten sich bis zum Start der Demonstration geschätzt zwischen

150 und 200 Menschen versammelt – also etwa so viele, wie in den Vorjahren. Nach zwei Redebeiträgen über den Coburger Convent (CC) und die deutsche Burschenschaft ging es los, durch die Stadt und bis zum Markt. Die Demonstration, die nebenbei bemerkt harmloser war als ein bayrischer Viehtrieb, wurde umschließend von Uniformierten begleitet und abgefilmt. Man weiß wohl nie…

Aus den Boxen schallte linke Folklore von Ton Steine Scherben bis Quetschenpaua. Die Pop-Antifa- und Elektrowelle scheint Bayern, oder zumindest Oberfranken, ausgelassen zu haben. Und auch inhaltlich waren die Beiträge an diesem Tag politisch eher altbacken. Zurück blieb der Eindruck, dass die Kritik eher reformistisch an die Verantwortlichen appellierte (zu bemerken u.a. an den permanenten Ansprachen „Liebe Bürger“, „Liebe Stadt Coburg“, „Liebe Presse“) anstatt kategorisch zu werden und zu erklären, warum dieser Kongress stattfindet und wieso das außer 200 zum Teil weit gereisten hier niemanden stört. Dieser fehlende radikale Charakter der Kritik konnte dann nur durch die Wunderwaffe der radikalen Bewegungslinken kompensiert werden, nämlich verbalradikale Phrasen, die aus dem Lautsprecher tönten (z.B. „Für die soziale Revolution“). Diese wirkten merkwürdig bis anachronistisch, wo am CC problematisiert wird, dass er sich nicht genug von Nazis abgrenzt oder wo sich empört wird, dass man als Organisator_innen für die geleistete Aufklärungsarbeit eigentlich im Rathaus empfangen werden müsste. Die inhaltliche Stoßrichtung schwankte zwischen Appellen an Stadtrat, Presse wie CC und Aufrufen mal Revolution zu machen, weil eh alles scheiße ist. Zurück blieb, neben verdutzten Eingeborenen am Streckenrand, eine inhaltliche Nebulösität.

Den Tiefpunkt stellte aber eine Kundgebung zwischen Markt und Bahnhof, auf der Mitte der Strecke, irgendwo in der Coburger Innenstadt dar oder präziser: ein Redebeitrag der Linkspartei bzw. deren Jugendorganisation Solid. Dieser war nicht nur inhaltlich schwer verdaulich, sondern vor allem die Vortragsweise erinnerte an eine bizarre Mischung aus Sportpalaststimme und Ernst Busch. Inhaltliches Anliegen des Redner schien es, zu begründen, warum der Habitus des CC, sich unpolitisch zu bezeichnen, Blendwerk sei, da ja im Grunde alles politisch ist. So weit nicht falsch, doch was danach kam, war auf so viele Weisen scheußlich, dass man gar nicht anzusetzen weiß. Um den radikalen Anspruch zu wahren betonte der Redner, dass, wer ihn kenne, wüsste, dass er der bürgerlich-libertären (sic!) Gesellschaftsordnung ja eher kritisch gegenüberstehe. Denn diese verspreche zwar Gleichheit, aber einige seien dann doch gleicher als andere. Nach dieser populistischen Weisheit brachte er die Kernpunkte seines Programmes frenetisch zum Ausdruck, indem er mehrfach innbrünstig durchs Mikrofon schrie, man stehe hier für Frieden, Freiheit und Solidarität und die Teilnehmer_innen aufforderte es ihm gleichzutun. Von dieser bizarren bis beschämenden Situation abgesehen: Sind die Begriffe Frieden, Freiheit und Solidarität für sich stehend schon etwas wünschenswertes? Könnte nicht „Frieden, Freiheit, Solidarität“ das künftige Jahresmotto des CC werden? Auch hier ist man für Frieden in Deutschland, für die Freiheit des Marktes und die nationale Solidarität. Dass so etwas, wie ideologische Bedeutungsverschiebungen aus Ideen und philosophischen Verheißungen (wie Freiheit und Gleichheit) Ideologien machen, die sie für die Dienstbarmachung des Bestehenden fruchtbar machen, ist eine grundlegende Einsicht, die die Kritik von Herrschaft erst möglich macht. Doch soviel ideologiekritische Reflexion war offenbar zu viel verlangt für einen Redner, der mit seinem Beitrag anderes im Sinn hatte, als zur Aufklärung beizutragen.

Der zweite Redebeitrag beschäftigte sich mit dem Extremismus-Begriff und seiner Instrumentalisierung zur Kriminalisierung emanzipatorischer Kräfte bzw. der Schutzfunktion für konservative bis faschistische Kreise, die sich durch das Bekenntnis zur FDGO von allen Übeln freisprechen können.

Am Marktplatz angekommen und während die schon traditionellen Angriffe der Polizei auf die Demonstrant_innen zu beginnen schienen, verabschiedete sich unsere Reisegruppe etwas angenervt, was nicht zuletzt auch daran lag, dass wir der populistischen Aufwiegelung überdrüssig waren und dass wir nicht so recht an eine soziale Revolution glauben wollten, die mit einem Rathausempfang beginnt und auf einer solchen auch nicht tanzen würden.

Bis zum nächsten Jahr…