Lesen gegen Rassismus

Anlässlich der geplanten Sarrazin-Lesung haben wir unseren Buchbestand bezüglich Rassismus/Antirassismus durchgesehen und u.A. durch Bücherspenden aktualisiert. Wir danken den Spender_innen und möchten hier auf einige ausgewählte Bücher und Materialien hinweisen.

Wie Rassismus über die Presseberichterstattung zum Thema Kriminalität hergestellt wird, hat das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) untersucht und die Ergebnisse im Sammelband Von deutschen Einzeltätern und ausländischen Banden veröffentlicht. Das Buch legt dar, wie fünf Tageszeitungen und der SPIEGEL in der Berichterstattung Fremdheit konstruieren und Flüchtlinge und Migrant_innen als gefährliche Gruppe dargestellt werden. Die Untersuchung ist eingebettet in eine Darstellung der politischen Lage in Bezug auf Rassismus in den späten 1990er-Jahren und endet mit einem Leitfaden für die Vermeidung diskriminierender Berichterstattung. Methodisch steht das DISS für kritische Diskursanalyse, was vielleicht kompliziert klingt, aber für Wissenschaft auf jeden Fall sehr lesbar und verständlich ist.

Aus der Perspektive Kritischer Psychologie betrachtet Uto Osterkamp Rassismus als Selbstentmächtigung. Der so betitelte Sammelband ist beim Argument-Verlag erschienen und bündelt Texte aus 10 Jahren Forschungsarbeit einer Projektgruppe aus Wissenschaftler_innen, Flüchtlingen, und Praktiker_innen aus der Flüchtlingsarbeit. Entsprechend bietet das Buch eine Reflexion der Alltagspraxis im Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland sowie politische und theoretische Überlegungen z.B. zu institutionellem Rassismus oder zur Funktion der Psychologisierung von „Ausländerfeindlichkeit“. Auch diesem Buch gelingt es größtenteils, komplizierte Zusammenhänge gut lesbar zu formulieren.

Eine Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs liefert der Soziologe und Politologe Robert Miles mit seinem Werk Rassismus, ebenfalls erschienen bei Argument. Das Buch gilt als eines der Standardwerke der Rassismusforschung und legt überzeugend die Entstehungsgeschichte der modernen Vorstellung einer Gliederung der Menschen in „Rassen“ als soziale Konstruktion bzw. Ideologie dar. Weiter diskutiert Miles die Vor- und Nachteile verschiedener Rassismuskonzepte und verbindet diese mit anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit in seiner Definition von Rassismus als wirkmächtige Ungleichheitskonstruktion, die mit materiellen oder symbolischen Ausschlüssen einhergeht. Das Buch folgt mehr als die beiden vorherigen den Regeln wissenschaftlicher Literatur, ist aber didaktisch brillant geschrieben und daher auch für Nicht-Soziolog_innen mehr als lesenswert.

Wie die Mehrheitsgesellschaft Fremdheit herstellt, erklärt die Sozialwissenschaftlerin Birgit Rommelspacher mit dem Begriff Dominanzkultur. Der so betitelte Sammelband untersucht Rassismus, Sexismus und Nationalismus mit Blick auf die Normalitätskonstruktionen und Identitäten der Mehrheit. Das Buch ist im feministischen Orlanda Frauenverlag erschienen und nimmt z.T. schon 1995 vorweg, was in den letzten Jahren unter dem Stichwort Whiteness bzw. Weißsein diskutiert wird — die Untersuchung der Rassifizierung statt der Rassifizierten.

Eigentlich für die Bildungsarbeit geschrieben bietet der Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit neben zahlreichen Methoden auch Hintergrundtexte und Arbeitspapiere zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen im erweiterten Themenfeld Rassismus: Vorurteile, Eigen- und Fremdkonstruktion, Rassismus und Weltwirtschaft, Antisemitismus, Nation und Nationalismus, Rassismus und Sprache, etc. Die Bausteine richten sich an Teamer_innen und Aktivist_innen und bietet mehr als die anderen hier vorgestellten Bücher die Möglichkeit, auf wenige Seiten komprimiert gesellschaftspolitisch relevantes Wissen nachzulesen. Wer sich die Mühe macht, die Hintergrundtexte und/oder Arbeitspapiere aus dem umfangreichen Inhaltsverzeichnis raus zu suchen, findet z.B. einen fünfseitigen Grundlagentext darüber, wieso es sinnvoll ist, über Rassismus als gesellschaftlichem Verhältnis zu sprechen statt von Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenhass.

  • Von deutschen Einzeltätern und ausländischen Banden. Medien und Straftaten. Margarete Jäger, Gabriele Cleve, Ina Ruth, Siegfried Jäger (Hrsg.), Duisburg 1998. Im Infoladen unter MR47
  • Rassismus als Selbstentmächtigung. Ute Osterkamp, Hamburg 1996. Im Infoladen unter MR45
  • Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, Robert Miles, Hamburg 1991. Im Infoladen unter MR48
  • Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht. Birgit Rommelspacher, Berlin 1998. Im Infoladen unter MR46
  • Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit. DGB-Bildungswerk Thüringen, Erfurt 2003. Im Infoladen unter den Büchern, die einfach zu großformatig zum einsortieren sind oder online unter http://baustein.dgb-bwt.de