Kampagne gegen Abschiebungen: Sarah und Miloud bleiben!
Den beiden im Flüchtlingsheim Zella-Mehlis lebenden Flüchtlingen Olesia & Miloud Lahmar Cherif droht die Abschiebung. Beide sind mitwirkende in dem von The Voice und dem Theaterhaus Jena initiierten Theaterstückes „My heart will go on“, dass den „Umgang der deutschen Behörden mit den Flüchtlingen, ihre isolierte, recht- und würdelose Position in unserer Zivilgesellschaft, ihre fortwährende, und leider nur zu berechtigte Angst vor Abschiebung“ thematisiert. Miloud ist zudem langjähriger Aktivist bei The Voice. Noch ist nicht geklärt welchen Einfluss das Mitwirken in dem Theaterstück und das Engagement bei The Voice auf die Ablehnung des Asylantrages durch die Ausländerbehörde Meiningen hatte.
Neben dem Theaterhaus Jena hat bisher auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Thüringer Landtag ein Bleiberecht für die beiden gefordert. Im Rahmen der Kampagne „Break Deportation“ wollen Flüchtlingsinitiativen und linke Gruppen zu konkreten Unterstützungsaktionen aufrufen.
In einer von Sarah und Miloud veröffentlichten Erklärung heißt es: „Es ist unser Recht zu entscheiden, wo wir leben wollen – dafür werden wir weiter kämpfen.“ Dem können wir uns nur anschließen.
Erklärung: Abschiebeprozess – Familie Lahmar Cherif
Am 4.3.2012 haben wir von der Ausländerbehörde Schmalkalden-Meiningen einen Brief bekommen, in dem uns bis zum 7.5.2012 Zeit gegeben wird, Deutschland freiwillig zu verlassen – wenn wir uns weigern, werden sie uns abschieben.
Aufgrund unserer unterschiedlichen Nationalitäten (Algerier, Ukrainerin) planen sie, uns entweder zu zwingen, zusammen in eines der beiden Länder zu gehen, oder uns getrennt voneinander abzuschieben. Obwohl wir unsere offiziellen Personalausweise und Heiratsdokumente abgegeben haben, die unsere Ehe beweisen, drohen sie uns mit Trennung durch Abschiebung.Wir wollen nicht gezwungen werden, in einem Land zu leben, in dem wir uns nicht sicher fühlen. Es ist unser Recht zu entscheiden, wo wir leben wollen – dafür werden wir weiter kämpfen. In der Ukraine wurde ich von ukrainischen Faschisten verfolgt und mit dem Tod bedroht, nur weil ich aufgrund meines Aussehens als Ausländer identifiziert wurde. Meine Frau würde in Algerien aufgrund ihres jüdischen Glaubens mit geringer bis gar keiner sozialen Anerkennung und in Gefahr leben. Allein ihr Glauben reicht aus, um von extremistischen Islamisten umgebracht zu werden.
Ich bin Miloud und seit meiner Ankunft in Deutschland Aktivist von The VOICE Refugee Forum. Ich habe den Großteil meiner Zeit damit verbracht, den institutionellen Rassismus hierzulande öffentlich anzuklagen und Gerechtigkeit sowie gute Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Deutschland und auf der ganzen Welt zu fordern. Ich habe für eine Änderung der Situation im Lager-Wohnblock von Zella-Mehlis gekämpft, in dem ich selbst noch lebe. Viele Dinge haben sich seitdem in Zella-Mehlis geändert – die meisten der Familien haben Wohnungen bekommen und damit das schreckliche Lager verlassen. Ich habe dem Thüringer Innenminister in einer Podiumsdiskussion bei Radio Lotte in Weimar die Stirn geboten – der Minister hatte keine andere Wahl, als das Lager Zella-Mehlis besuchen zu kommen.
Die Ausländerbehörde hat mich seit der ersten Aktion für die Schließung von Zella-Mehlis im Visier gehabt. Genau am Tag einer Kundgebung und Demonstration in Meiningen habe ich einen Brief bekommen, in dem ich aufgefordert werde, eine 60€-Strafe zu zahlen, weil ich Monate zuvor auf dem Weg zu einer Karawane-Konferenz in Berlin im Erfurter Hauptbahnhof wegen der Residenzpflicht kontrolliert wurde.
Meiner Frau wurden ärztliche Versorgung und ihr Recht auf psychologische Behandlung verweigert. Sie wurde sogar vom Meininger Sozialamt davon abgehalten, überhaupt einen Arzt aufzusuchen. Die Greizer Ausländerbehörde setzte uns bereits 2010 unter Druck, drohte uns mit Abschiebung und damit, uns zu trennen, weshalb meine Frau Olesia in eine schwere Depression geriet. Sie konnte acht Tage lang nicht sprechen und wurde ins Stadtrodaer Krankenhaus eingeliefert. Als sie nach elf Tagen wieder entlassen wurde, ließ der Druck durch die Ausländerbehörde Greiz nicht nach. Ich habe mich deshalb dazu entschlossen, mit ihr nach Norwegen zu gehen, wo wir 14 Monate blieben. Meine Frau verbrachte neun Monate durchgehend in drei verschiedenen Kliniken in Oslo und Umgebung, unter anderem in Blackstad, wo sie einen Selbstmordversuch unternahm, als sie verstand, dass uns Norwegen aufgrund der Dublin-II-Verordnung nicht dauerhaft aufnehmen würde. Die norwegischen Ärzte warnten uns, dass im Falle neuerlicher Auslöser für das Trauma die Auswirkungen auf meine Frau noch schlimmer sein könnten und zu einer schweren und langfristigen Depression führen können. Infolge der jetzigen Abschiebeandrohung verschlimmert sich ihre schwierige Situation, was mir große Sorgen bereitet.
Mein Leben wird in Deutschland stattfinden. Ich habe im Dezember 2011 angefangen, Deutsch zu lernen, obwohl ich den Kurs selber gar nicht bezahlen konnte. Freunde unterstützten mich mit Spenden. Ich bin außerdem in Kontakt mit der Technischen Universität Ilmenau und möchte mein vorher begonnenes Studium im Mechanischen Ingenieurwesen dort im kommenden Semester fortsetzen, vor allem nachdem ich grünes Licht von der TU Ilmenau bekommen habe und auf finanzielle Unterstützung durch Spenden bauen kann. Meine Frau und ich sind Teil des Theaterstücks „My heart will go on“, das vom Theaterhaus Jena zusammen mit The VOICE Refugee Forum entwickelt wurde. Wir sind beide als Schauspieler beteiligt, die Aufführungen dauern bis Ende Mai 2012 an, eine Wiederaufnahme des Stücks in der neuen Spielzeit ist ebenfalls geplant.
Ich werde Deutschland nicht unter Zwang verlassen. Ich werde nie das Lager Zella-Mehlis verlassen – bevor nicht alle anderen dort raus sind und ich als Letzter es schließen werde.
Meine Mission in Zella-Mehlis ist noch nicht beendet.
Miloud Lahmar Cherif, Algerier,
Asylsuchender in Deutschland seit dem 29.12.2009Olesia „Sarah“ Lahmar Cherif, Ukrainerin,
Asylsuchende in Deutschland seit dem 29.12.2009Miloud & Olesia Lahmar Cherif
The VOICE Refugee Forum
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