Erfolgreicher Protest bei Eröffnung von Verfassungsschutz-Ausstellung am Erfurter Ratsgymnasium

Völlig ins Wasser gefallen ist der Plan, dem Erfurter Ratsgymnasium und dem Thüringer Verfassungsschutz durch eine Ausstellung zum Thema „Feinde der Demokratie“ zu einem besseren Image zu verhelfen. Schon im Vorfeld der heutigen Eröffnung hatte eine Gruppe „Kritische Schüler_innen“ in einem Offenen Brief zusammen mit Eltern und ehemaligen Schüler_innen gefordert, die Ausstellung abzusagen oder zumindest einen kritischen Kommentar zuzulassen. Die Schulleitung und der Innenminister hatten das zurückgewiesen und sich gegen Störungen der Veranstaltung verwahrt. Das ist wohl nach hinten losgegangen. Am Ende mussten sich die Spione, der Innenminister und die Schulleitung dafür rechtfertigen, dass sie gerade zum jetzigen Zeitpunkt eine Ausstellung des skandalumwitterten Dienstes zeigen.

Schon vor der Ausstellungseröffnung wurde deutlich, dass es heute Widerspruch geben würde: Hoch über dem Schulhof hing ein riesengroßes Transparent mit der Aufschrift „Faschismus bekämpfen. Verfassungsschutz abschaffen.“ Weiter befanden sich im Publikum der Veranstaltung nicht wenige selbsternannte Extremist_innen.

So erhielt auch der Schulleiter des Ratsgymnasiums für seinen einführenden Beitrag kaum mehr als Höflichkeitsbeifall. Viel Zustimmung gab es hingegen für die Schüler_innen, die in Anschluss daran ein Transparent entrollten, aufstanden und ihr Rederecht einforderten. Nach einigem Hin und Her und viel Unruhe im Publikum wurde dies gewährt und zwar nicht — wie ursprünglich erklärt — nach der Eröffnung, sondern im direkten Anschluss an die Reden von Innenminister Geibert und Verfassungsschutzpräsident Sippel. Von diesen beiden gab es, was man von ihnen erwartet hatte: Der VS sei ganz wichtig, die Demokratie sei bedroht, von Nazis, auch von der RAF und islamistischen Ausländern (2,2% in Thüringen), und überhaupt sei die Ausstellung keine Imagekampagne, sondern ganz wichtig für die nachwachsende Generation.

Die zwei Schüler, die danach mit klassischer Musik die Wogen glätten sollten, entschieden sich dazu, dafür nicht zur Verfügung zu stehen und übergaben stattdessen direkt den ProtestiererInnen das Wort — was auch spontan von einem Liedermacher genutzt wurde, der ein Anti-Repressions-Lied spielte1.

Im Anschluss begründete ein kritischer Schüler, warum eine Ausstellung, die einseitig die Sicht des Verfassungsschutz darstelle, nicht dazu geeignet sei, die gebotene Kontroversität in der politischen Bildung zu gewährleisten. Im Anschluss legte Sandro Witt auf Einladung der SchülerInnen dar, an welchen Stellen der Thüringer VS in den letzten Jahren versagt hat. Ein Verfassungsschutz, der die Verfassung nicht schütze, sondern zivilgesellschaftliches Engagement diskreditiere, könne man sich sparen. Ähnlich äußerte sich ein weiterer Schüler, der forderte, antifaschistische Gruppen zu fördern statt zu kriminalisieren. Besonders ins Schwitzen kam Schulleiter Freise, der zuletzt gefragt wurde, wie sich denn nun genau das Christentum mit der Vorstellung einer wehrhaften Demokratie und der Humanismus mit der Bespitzelung abweichender Meinungen vertrage — eine Frage, auf die er nicht mehr antworten konnte, als erneut zum persönlichen Gespräch zu laden.

Abschließend blieb es dem Innenminister überlassen, seine KritikerInnen noch mal symbolisch zu umarmen und zu betonen, wie wichtig Protest und Widerspruch in einer Demokratie seien. Wohlbemerkt: Widerspruch, der erst nicht gehört werden sollte und Protest, der unterbunden worden wäre, wenn nicht kritische SchülerInnen, Eltern, Ehemalige und UnterstützerInnen interveniert hätten.

Hier ein Video von der Aktion von den Filmpiraten:


Kritische SchülerInnen erheben Einspruch


Ein Ständchen für den Verfassungsschutz


VS-Präsident Sippel muss sich rechtfertigen


Geheimdienst geh‘ heim!

  1. ohne titel – cover, Original von Konny

    ihr macht so viel geld mit euren waffen
    ihr schickt sie ja in aller herrenland!
    das wörtchen krieg wird von euch säuberlich verwaschen
    und zur ablenkung ruft ihr ganz deutlich „schland“!

    ihr sagt das boot ist voll und lasst abschieben
    und dabei geht halt auch mal einer drauf…
    und doch müsst ihr dann deutsche schulen schließen,
    weil es kaum noch deutsche kinder gibt darauf!

    und des lieben geldes willen lasst ihr
    unsere häuser räumen und dann noch damit
    unsere träume unsere hoffnungen und ideen.
    mit diesem mietspiegel, da hält ja keiner mit!

    und wenn wir denn am bahnhof betteln gehen
    zieht ihr wieder eure handschuhe an.
    wie oft hab ich die szenen schon gesehen
    und wenn mal einer wütend wird, ja dann…

    faltet die sorgenfalten und ihr redet von gewalt
    das man extremisten stoppen muss
    und dabei wird mit kalt

    denn wie extrem ist erst die welt
    die ihr kreiert und schützt vor uns
    mit knüppel und gewehr und militärischer vernunft

    leute seht genau hin
    woher kommt denn die gewalt?
    am anfang war doch nicht der pflasterstein!

    was ist mit rausschmiss und verwertung
    und den anderen schweinereien?
    gewalt hat vielerlei gestalt!

    so wie in erfurt, topf und söhne
    und in freiburg in vauban…
    da schlagen sie auf unsere träume ein!

    das ist kein frieden, keine freiheit,
    das ist unterdrücktes leben
    das ist die welt
    das ist extrem
    und gegen diese gehen wir an!
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