Über 300 Menschen demonstrieren für Kobanê und Shengal
Zum internationalen Aktionstag zur Solidarität mit Kobanê und dem andauernden Widerstand gegen den Angriff des IS am 1. November demonstrierten kraftvoll und lautstark über 300 Menschen in Erfurt. Es war die bisher größte und entschlossenste Demonstration, die vor allem auf den auszehrenden Widerstand der Kurd*innen in der belagerten Stadt Kobanê hinwies, aber auch auf die Not der eingeschlossenen, geflüchteten Yesiden im irakischen Shengal-Gebirge.
Mittels Redebeiträgen, Flugblättern und einem gut sichtbaren Transparent an den Domstufen wurde auf die Bedeutung des Kampfes hingewiesen. „Kobanê geht uns alle an!“ – das selbstverwaltete kurdische Gebiet Rojava im Norden Syriens ist politisch emanzipatorisches Modellprojekt in der Region und wird daher umso erbitterter von seinen Feinden bekämpft. Eine zentrale Forderung der Kämpfer*innen und verbliebenen Zivilist*innen in Kobanê ist daher die Einrichtung eines sicheren Korridors, um die Versorgung sicherstellen zu können, aber auch den Zugang für Freiwillige und die kurdische mitlitärische Unterstützung zu ermöglichen. Die zum Schriftzug „Kobanê“ aufgestellten Grabkerzen am Fuße des Erfurer Doms deuteten symbolisch auf die dringende Notwendigkeit der Unterstützung hin.
Die öffentliche Thematisierung des Konflikts ist eine wichtige Aufgabe, die mit der aufsehenerregenden Demonstration und den vielfältigen Redebeiträgen (Bericht eines Geflüchteten aus Kobanê, verschiedene Solidaritätsbekundungen von engagierten Bürger*innen, Politiker*innen und antifaschistischen Gruppen) durch die Erfurter Innenstadt geleistet werden konnte. Passant*innen verweilten bei den Kundgebungen am Domplatz, Fischmarkt, Wenigemarkt und Anger und ließen sich durch Flugblätter sowie persönliche Gespräche informieren.
Wir wollen hier auf die Pressemitteilung des Kulturvereins Mesopotamien hinweisen, als auch auf den Redebeitrag der Antifa Arnstadt-Ilmenau und das am Samstag verteilte Flugblatt. Außerdem zitieren wir im Folgenden unseren eigenen Redebeitrag.
Hinweis: Mit weiteren Aktionen ist zu rechnen – achtet auf Ankündigungen!
Redebeitrag des Infoladen Erfurt zur Demonstration am 01.11.2014 in Erfurt:
Solidarität mit den kämpfenden Menschen in Kobane und Shengal!
Heute, am 01.11. diesem internationalen Aktionstag, haben sich weltweit tausende Menschen in Solidarität mit den Kämpferinnen und Kämpfern in Kobane und Shengal versammelt. Wir sind heute hier, weil wir den Krieg und die Barbarei des IS verachten und unsere Unterstützung für die Menschen vor Ort ausdrücken möchten – und wir möchten, das sie weitere Unterstützung auch aus der linksradikalen Szene erhalten.
Der Kampf, der gerade in Syrien und im Irak geführt wird, ist nur scheinbar weit weg – politisch ist er uns näher, als es zunächst vielleicht scheint. Grundsätzlich geht nicht um einen Kampf für einen Nationalstaat wie Syrien, oder den Irak – es geht um einen Kampf für die selbstverwaltete Region Rojava und die in Not geratenen Eziden im Shengal-Gebirge. Konkret geht es jetzt nicht um die Durchsetzung pazifistischer Wunschträume, sondern um die praktische Selbstverteidigung eines erkämpften Raumes. Die Menschen in Kobane und Shengal können nicht anders, als zur Waffe zu greifen, wollen sie nicht massakriert oder versklavt werden. Ihnen gegenüber stehen diktatorische Regime und religiöse Fanatiker. Die Grausamkeiten, die vom Assad-Regime oder dem IS ausgehen, müssen hier nicht wiederholt werden.
Dieser Kampf geht uns alle an. Wir können nicht hier in Deutschland selbstverwaltete Räume fordern, und dann die Menschen in Rojava im Stich lassen – das wäre politisch inkonsequent und vor allem ignorant. Das demokratische Rätemodell, das es dort zu verteidigen gilt, ermöglicht den verschiedensten Bevölkerungsgruppen die gesellschaftliche und politische Teilhabe. Es ermöglicht emanzipative Entwicklungen, von denen alle Menschen vor Ort profitieren können. Und eben diese Verwirklichung der Selbstverwaltung ist der Hauptgrund für die Angriffe des IS. Denn die Rätestrukturen werden in einer autoritär beherrschten und vom Krieg geplagten Region eine politische Strahlkraft entwickeln. Dieses seit zwei Jahren sich entwickelnde politische Modell gefährdet die Allmachtsansprüche des IS und die politische Macht der angrenzenden Staaten, auch diese der Türkei – deshalb, können diese Kräfte ein freies kurdisches Autonomiegebiet nicht dulden. Genau dieses fortschrittliche Modell in Rojava gilt es auch für uns und unseren politischen Anspruch zu verteidigen, soweit es uns mit unseren Mitteln möglich ist.
Die Menschen in Kobane und Shengal brauchen jede öffentliche Unterstützung, die sie kriegen können. Es muss auch in linken und linksradikalen Gruppen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, was dort gerade zerstört zu werden droht. Der Kampf der YPG und YPJ (der kurdischen Volksverteidigungseinheiten) braucht unsere kontinuierliche Aufmerksamkeit und politische Unterstützung . Beispielsweise kann Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden, es können Soli-Aktionen organisiert werden, oder ganz pragmatisch: Ihr könnt spenden für die Verbesserung der Ressourcen der Selbstverteidigung durch die Widerstandskräfte. Hier in Erfurt kann das zudem z.B. auch heißen, Gruppen wie den Kulturverein Mesopotamien kennenzulernen, mit den Menschen hier zu sprechen und sich berichten zu lassen.
Supportet auf irgendeine Art die kurdische Community hier und die Bewegung in Rojava.
Lang leben Kobane und Shengal – Biji Kobane û Şengal!
Auf Transparenten und Schildern zu lesen: Forderung der kurdischen Kämpfer*innen und ihrer Unterstützer*innen weltweit