150 gegen Kammwegklause
Trotz Wind und Regen demonstrierten heute abend gut 150 Menschen jeden Alters gegen die „Kammwegklause“ in Erfurt. Die Demo war laut und gutgelaunt, es gab wesentlich bessere Musik als in der Nazikneipe und hier und da sogar Beifall von den Balkonen auf dem Herrenberg. Ob das heute abend in der Kammwegklause geplante Konzert mit der Band „Kategorie C“ derzeit stattfindet, ist unklar. Viel Publikum war an der Kammwegklause auf jeden Fall nicht zu sehen, was vielleicht auch daran liegen mag, dass die Ordnungsbehörde das Konzert mit Auflagen belegt hat, die u.A. die Anwesenheit von Polizei beim Konzert und eine Beschränkung auf 120 Zuschauer umfassen. Bis der Laden zumacht, werden wir noch das eine oder andere Mal den Herrenberg besuchen…
Hier noch unser Redebeitrag:Redebeitrag vom Infoladen Sabotnik zur Demo gegen die Kammwegklause am 20. Dezember in Erfurt
Wir begrüßen euch zur heutigen Demo gegen die Kammwegklause. Das Nazizentrum auf dem Erfurter Herrenberg existiert mit über zwei Jahren schon viel zu lange. Wir sind heute hier um uns den Nazis entgegenzustellen und deutlich zu machen, dass wir so lange wieder kommen bis der Laden geschlossen ist.
Die Kammwegklause dient der lokalen und überregionalen Naziszene als Veranstaltungsort, Konzertraum und Treffpunkt. Bis zuletzt beherbergte sie ein Ladengeschäft der Nazimarke Ansgar Aryan und ein Bürgerbüro der NPD. Die Klause ist damit ein Ort an dem Nazis unterschiedlicher Spektren zusammen kommen, sich kennen lernen und vor allem gegenseitig radikalisieren können. Die daraus entstehenden radikalisierten menschenverachtenden Einstellungen führen nicht selten zu direkter Gewalt gegen Minderheiten und Andersdenkende. Und diese Gewalttaten werden umso häufiger je stärker Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus gesellschaftlich anerkannt und verbreitet wird.
Die Wahlerfolge rechter und rechtspopulistischer Parteien bei der diesjährigen Europawahl zeigten einen europaweiten Rechtsruck. In vielen europäischen Ländern machen sich gleichzeitig rechte und reaktionäre Bewegungen zum Teil gewalttätig auf der Straße breit. In Deutschland haben wir es zu tun mit bundesweit tausenden von Bürgern die gegen den Zuzug von Geflüchteten hetzen. Der antimuslimische Rassismus der neuen Rechten sorgt derweil für ungeahnte Mobilisierungserfolge. Bei HoGeSa in Köln und Hannover kamen tausende Nazis, Hooligans und Rassistinnen und Rassisten zusammen. In Dresden versammelten sich zu Pegida bereits bis zu 15.000 Rassistinnen und Rassisten. Darunter zahlreiche rechte Bürger, Nazis und Hooligans. Während die Pegida-Protagonisten versuchen ihre „Bewegung“ auf weitere Regionen in Deutschland auszuweiten häufen sich öffentliche Stimmen, darunter der Sächsische Innenminister, die die Beweggründe der Rassistinnen und Rassisten ernst nehmen wollen. Neben dem sowieso schon rassistischen Umgang mit Geflüchteten in Deutschland werden weitere verschärfende Maßnahmen ergriffen. Die mögliche Abschiebung von Sinti und Roma trotz EU-Bürgerschaft und die Einrichtung einer Polizei-Sondereinheit gegen geflüchtete in Sachsen sind hier nur zwei Beispiele. Parallel zu den Bewegungen auf der Straße gelingen auch in Deutschland einer rechtspopulistischen Partei große Wahlerfolge. In mittlerweile drei Landtage ist die AFD eingezogen und zeigt durch öffentliche Sympathie Bekundungen gegenüber Pegida deutlich wo sie politisch steht.
Es ist kein Zufall dass sich gerade jetzt ein deutschland- und europaweiter Rechtsruck bahn bricht. Die kapitalistische Krise die seit Ende 2007 wütet hat alt geglaubtes erschüttert und große Teile der Gesellschaft verunsichert. Ein Teil, vor allem mittelständische Familienunternehmen, fühlen sich von der Krisenpolitik der Volksparteien nicht mehr repräsentiert und laufen in Scharen den Populisten der AFD hinter her. Ein anderer Teil von vor allem Kleinbürgern hat Angst vor einem sozialen Abstieg und projeziert diese Ängste auf Migranten und Geflüchtete. In beiden Reaktionen bleiben die eigentlichen Krisenursachen, der auf Konkurrenz und Mehrwertproduktion basierende Kapitalismus, unangetastet. Stattdessen wird auf diejenigen eingedroschen, die sowieso schon gesellschaftlich ausgegrenzt und marginalisiert werden.
Eine Ursache für die aktuelle Entwicklung ist auch, dass die berechtigte Angst vor Armut und Unsicherheit von Links viel zu wenig thematisiert wird. Die Sozialdemokratie hat vor 10 Jahren mit HartzIV den alten Sozialstaat beerdigt. Die radikale Linke kümmert sich seit vielen Jahren fast überhaupt nicht um die soziale Frage. Das ist ein Fehler, der mit dazu beigetragen hat, den Rechtsruck zu begünstigen.
Die Folgen dieses Rechtsrucks sind deutlich in der enorm steigenden Anzahl von Übergriffen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte abzulesen. Erst vor zwei Wochen brannten bei Nürnberg drei für die Unterbringung von Geflüchteten vorgesehene Gebäude. Die Entwicklungen die eine Szene dazu bringen zur Waffe oder Brandflasche zu greifen finden vor allem auch in Nazizentren wie der Kammwegklause statt. Angestachelt von rassistischen gesellschaftlichen Debatten und radikalisiert im Nazizentrum beginnt die Jagd auf Andersdenkende und Minderheiten.
Diesem treiben stellen wir uns entschlossen entgegen. Ob rassistische Bürgerbewegung oder Nazizentrum: wir sind schon da und machen euch einen Strich durch dir Rechnung!
Wir demonstrieren hier heute gegen die extreme Rechte, gegen die Kammwegklause. Wir sind aber auch zur Stelle wenn sich rassistische Bewegungen ausbreiten und beispielsweise gegen geplante Unterkünfte für Geflüchtete hetzen.
Unsere Antwort auf die soziale Frage ist grenzenlose Solidarität. Die zeigen wir z.B. wenn sich die Krisenakteure selbst feiern wollen wie bei der Eröffnung der Europäische Zentralbank am 18. März 2015 in Frankfurt.
In diesem Sinne: Kammwegklause dichtmachen! Rassismus bekämpfen! Kapitalismus abschaffen!