Rote Hochburg Herrenberg?

Die Filmpirat*innen stellten am 20. Juli ihren Videobeitrag „Die Kammwegklause – Über den Umgang mit einem rechtsextremen Zentrum in Erfurt“ vor. Etwa 159 Interessierte folgten der Einladung ins Stadtteilzentrum Herrenberg, um den Film zu sehen. Im Vorfeld hatten ortsansässige Nazis, wie Enrico Biczysko, ihr Kommen angekündigt – die Drohung blieb unerfüllt. In dem knapp 14-minütigen Video werden u.a. Anwohner*innen des Herrenbergs, Hans-Jürgen Czentarra (Ortsteilbürgermeister, PDL), Thomas Ziegler (Leiter Polizeidienststelle Erfurt Süd), Manfred Stein (Eigentümer / Vermieter) und Toni Lütgenau (Juso-HSG, Erfurt) interviewt. Das Video wird bald online verfügbar sein, die Filmpirat*innen riefen zur Verbreitung des Beitrags auf.

Nach der Premiere erhielt ein Vertreter der Kampagne „Nazizentren dichtmachen – gegen die ‚Kammwegklause‘ in Erfurt“ die Gelegenheit, deren Anliegen und Arbeit vorzustellen. Es schloss sich eine kurze Diskussion mit Beiträgen von Czentarra, Stein und dem Publikum an. Der Ortsteilbürgermeister wurde nicht müde zu betonen, dass der Herrenberg wieder „rote Hochburg“ werden solle, dafür werde er sich weiterhin „penetrant“ einsetzen. Dagegen zeigte Immobilien-Besitzer Stein kein politisches Verständnis für die Situation: Bevor Gabriele Völker die Kammwegklause zu einem festen Treffpunkt der Neonaziszene in Thüringen gemacht hatte, hätte er immer wieder Ärger mit „den Italienern“ gehabt, welche die Gastwirtschaft vor 2012 mieteten. Bei seinen Besuchen vor Ort habe er außerdem nichts vom neonazistischen Treiben bemerkt. Auf die Nachfrage, ob er sich als Eigentümer nicht gegen den Anstrich des Gebäudes in den Farben der deutschen Reichsflagge hätte einsetzen können, reagierte er nüchtern: „Dass das was mit Braun zu tun hat, wusste ich nicht.“ Über Frau Völker und ihre Gefolgschaft wusste er nichts negatives zu berichten. Für Stein sind deutsche Neonazis scheinbar die besseren Mieter. Er beschwerte sich einzig darüber, dass in der Kammwegklause bereits sechs Scheiben eingeschlagen wurden. Czentarra mit Bezug auf Stein: „Es sagt es jetzt nicht, aber er hat die Schnauze voll.“ Seinen eigenen Vorteil suchend tritt Stein in Verhandlungen mit der Stadt Erfurt und der Wohnungsbaugenossenschaft Einheit. Die Immobilie „Kammwegklause“ bietet er der Stadt für einen Euro an, im Gegenzug fordert er eine Kaufoption auf eine städtische Immobilie. Nur wenn seine Bedingungen erfüllt werden, wird das Objekt verkauft, womit der Nazitreffpunkt „Kammwegklause“ der Vergangenheit angehören würde. Wie die Verhandlungen um Steins Bedingungen laufen und welche und ob überhaupt eine Einigung erzielt werden kann, erfahren wir in naher Zukunft. Czentarra geht mit Sicherheit von einem Verkauf des Objektes aus, er wünscht sich eine Gastwirtschaft mit erschwinglichen Preisen für die Anwohner*innen – zu DDR-Zeiten war die Kammwegklause nämlich ein beliebtes kulinarisches Ausflugsziel. Ein Schmankerl noch: Laut Czentarra und Stein dürfen in der Kammwegklause unter Frau Völker keine Konzerte mehr stattfinden.

Kammwegklause dichtmachen!


Mit regem Interesse vor dem Stadtteilzentrum


Am Mikro: Hans-Jürgen Czentarra, Ortsteilbürgermeister


Eine von mehreren Nazischmierereien in einer Unterführung am Herrenberg: „Schluss mit Multikulti!“