300 Menschen gegen Thügida

Am Montag, den 26.10.2015 fanden sich 300 Menschen vor einer Geflüchtetenunterkunft in der Erfurter Carl-Zeiß-Straße ein und verhinderten, dass die Nazis von Thügida an dieser vorbeiziehen konnten.

Schon 17.30 waren trotz der widrigen Anreisebedingungen schon viele Menschen vor Ort und feierten mit den Refugees. Die Straße vor der Unterkunft war voll mit Menschen, Refugees hielten Redebeiträge. Sie bedanken sich für den Support und erklärten, dass JEDER Geflüchtete einen guten Grund hat um die gefährliche Reise, über tausende Kilometer, über Mittelmeer oder Landweg, über Stacheldraht, an bewaffneten Grenzsoldaten vorbei nach Deutschland zu wagen. Dafür gab es Applaus von allen Anwesenden.

Etwa gegen 19:30 wurde die Situation dann unübersichtlich weil die Nachricht aufkam, dass die Nazis ihre Demo absagt hätten, da sie ihre ursprüngliche Route, vorbei an der Unterkunft, nicht laufen können. Die Polizeiführung sicherte den Anmeldern der Gegenkundgebung zu, dass die Nazis nicht in die Nähe dieser gelassen werden würden, woraufhin die Kundgebung vor der Unterkunft — zur Verwunderung der Anwesenden — plötzlich abgemeldet wurde. Widerspruch dagegen wurde mit Verweis auf die Zusagen der Polizei abgetan. Etwa zur selben Zeit kam die Nachricht, dass die Nazis nun doch auf veränderter Route, Richtung Drosselberg laufen werden. Ein Mensch von der Piratenpartei meldete im selben Moment, ohne vorherige Absprache, eine Spontandemo in Richtung der Abschlusskundgebung der Nazis an. Jetzt herrschte unter den Anwesenden Uneinigkeit darüber, ob sie an der Unterkunft bleiben, Nazis-gucken-wollen oder Richtung Innenstadt abfahren. Leider schlossen sich viele der Spontandemo der Piraten an welche mittels Megafon die einzigen verständlichen Ansagen machen konnten. Dass sich beim Schutz der Refugees auf Zusagen der Polizei verlassen wurde und Nazis bepöblen scheinbar wichtiger ist, als Refugees vor diesen zu schützen war fahrlässig und die falsche Entscheidung. Die Spontandemo sollte laut Polizei in Sicht- und Hörweite der Nazis enden. Tatsächlich aber ca. 150 Meter entfernt und durch Bäume und Büsche verdeckt im Nirgendwo.

Zu dieser Zeit kam über Twitter die Info, dass Nazis in Kleingruppen vor die Unterkunft ziehen. Diese Info erreichte die Menschen auf der Spontandemo nicht. Obwohl die nur ca. 300 Meter entfernt stand, entschieden sich die Ersten zur Straßenbahn Richtung Innenstadt zu gehen. Am Anger angekommen hieß es, dass Nazis ohne Polizeibegleitung vor die Unterkunft kamen und mit „Wir sind das Volk“- Rufen versuchten, Geflüchtete einzuschüchtern. Wo die Polizei in diesem Moment war können wir nicht sagen.

Die Erkenntnis, dass auf Zusagen der Polizei kein Verlass ist, ist nicht neu. In der konkreten Situation verursachte sie Bauchschmerzen.

Wir schließen aus dem Ablauf des Tages, dass bei Naziaufmärschen in der Nähe von Geflüchtetenunterkünften der Schutz der Refugees vor Übergriffen und Pöbeleien an erster Stelle stehen muss. Es kann nicht nur darum gehen, so nah wie möglich, an die Nazis ran zu kommen um sich dann Parolen-rufend an einer Polizeikette die Beine in den Bauch zu stehen.

Der Ablauf zeigt auch, dass eine Organisationsstruktur, die es erlaubt, dass von oben Herab entschieden wird, Mist ist. Konkret: Die Situation ist entstanden, weil eine Einzelperson am Megafon eine falsche Entscheidung getroffen hat und ihr dann alle nachgedackelt sind. Hätte man in dieser Situation ein Bezugsgruppenplenum gemacht und gemeinsam überlegt, wie man mit der neuen Situation umgeht, wäre es leichter gewesen, sich solidarisch zu den Refugees zu verhalten, vielleicht hätte man sogar eine Lösung gefunden, zusätzlich noch gegen die Nazis vorzugehen.

PS: Die Nazis waren laut Polizei ca. 200. Diese Tatsache ist aber eigentlich nebensächlich für das Durcheinander was gestern als Gegenprotest durchging.