Kleine laute Demo gegen Sammelabschiebungen in Erfurt

„Müsst Ihr sowas auf dem Weihnachtsmarkt machen?“ fragte einer, der mitbekam, dass heute 67 Menschen in Erfurt laut und spontan gegen die gerade erfolgte Sammelabschiebung nach Mazedonien demonstriert haben. Tja, was soll man sagen? Ausgerechnet zu Weihnachten, wo es ja um Liebe gehen soll, darum, dass man den Nächsten lieben soll wie sich selbst. Aber anscheinend nur, wenn der Nächste nicht von Woandersher kommt. Denn zu viele Nächste von Woanders will man in Thüringen nicht haben, auch wenn der zuständige Minister ein GRÜNER und der Ministerpräsident ein nach eigenem Selbstverständnis linker Christ ist. Deswegen schiebt man ab, auch wenn man eigentlich weiß, dass man Leute in Armut und Elend schickt.
Der Flüchtlingsrat Thüringen weist in diesem Zusammenhang auf den Koalitionsvertrag hin, in dem es heißt:

„Allen, egal ob sie als Asylsuchende, Bürgerkriegsflüchtlinge oder aus anderen Gründen nach Thüringen geflüchtet sind, soll mit Respekt und Würde begegnet werden. Dieser Anspruch soll sich im konkreten Verwaltungshandeln widerspiegeln. Unabhängig von der Chance auf die Anerkennung in einem Asylverfahren sollen alle eine unvoreingenommene, würdige und faire Behandlung erfahren.“

Fairnes, Respekt und Würde heißt im rot-rot-grün regierten Thüringen, dass die Polizei im Morgengrauen unangekündigt anrückt und Dich in eine ungewisse Zukunft mitnimmt.

Ergänzung vom 4.12.2015: Die Gruppe frai spricht von 40 Teilnehmer_innen. Wir haben 67 gezählt:

Erfurt: Spontandemonstration durch die Innenstadt als Reaktion auf erneute nächtliche Abschiebungen
PM der Gruppe frai vom 3.12.2015

Heute fand um 19:30Uhr in der Innenstadt Erfurts erneut eine Demonstration statt. 40 Menschen äußerten Kritik und ihre Wut anlässlich der Abschiebung von 63 Asylsuchenden am gestrigen Mittwochmorgen aus ganz Thüringen nach Mazedonien. Bei der Versammlung, die während des Weihnachtsgeschäfts erhebliche Irritationen, aber vereinzelt auch Sympathiebekundungen erfuhr, wurde die praktische Umsetzung der deutschen Vertreibungspolitik mittels Flugzetteln und Sprechchören kritisiert.

Auch in dieser Woche wurden Menschen ohne jegliche Vorankündigung in der Nacht zwischen vier und sechs Uhr von der Polizei abgeholt und weggeschafft. Sie hatten nur wenig Minuten Zeit, sich anzuziehen und ihre Sachen zu packen. Teilweise wurden die Asylsuchenden noch in Polizeigebäuden konzentriert, um dann gesammelt über den Flughafen Halle-Leipzig abgeschoben zu werden.

Die Angst vor weiteren Abschiebungen sorgt in den Erfurter Geflüchteten-Unterkünften weiterhin für schlaflose Nächte. Die Menschen, die von diesen Abschiebungen betroffen waren und sind, stammen aus den sog. „sicheren Herkunftsstaaten“. „Deutschland legt einfach fest, welche Länder sichere Herkunftsstaaten sind, und diese Liste kann sich jeder Zeit ändern. Deutsche haben sie sich ausgedacht…. Geflüchtete müssen das ausbaden…“, sagt ein*e Rom*nja.

Gerade in den Balkanstaaten trägt die deutsche Regierung Verantwortung an den dortigen z.T. kriegerischen Konflikten. Durch seine Kriegsbeteiligung hat Deutschland an dem Zerfall Jugoslawiens mitgewirkt. Bis dahin konnten Rom*nja und andere ethnische Minderheiten gesellschaftlich teilhaben. Seit dem Zerfall von Jugoslawien sind sie starker rassistischer Diskriminierung ausgesetzt, die ihre Existenz bedroht.
Durch die versuchte Vernichtung von Sinti*ze und Rom*nja hat Deutschland eine besondere Verantwortung, die es aber nicht wahrnimmt. Im Gegenteil führt Deutschland eine Politik der Ausgrenzung und Vertreibung kontinuierlich fort. „Wir fordern ein uneingeschränktes Bleiberecht unabhängig vom Herkunftsstaat!“, so Lara Müller, eine Demonstrationsteilnehmerin.

Flyer welcher während der Sponti verteilt wurde:

Jede Abschiebung ist eine zu viel!

Gestern Morgen, am 02. Dezember, wurden 63 Menschen aus Thüringen über den Flughafen Leipzig / Halle nach Mazedonien abgeschoben. Es war die bislang größte Sammelabschiebung in Thüringen. Deshalb demonstrieren wir heute hier. Weil wir so etwas nicht unbemerkt geschehen lassen wollen. Weil wir nicht stumm zuschauen wollen. Weil wir unsere Wut über diese unmenschliche und rassistische Abschiebepraxis auf die Straße tragen wollen.

Seitdem die neue Asylrechtsverschärfung in Kraft getreten ist, lassen sich die Säulen deutscher Asylpolitik – Abschreckung, Abschottung, Ausgrenzung und Abschiebung – noch viel einfacher durchsetzen. So werden Abschiebungen nicht mehr angekündigt – das heißt, Familien und Einzelpersonen mit abgelehnten Asylantrag müssen in ständiger Angst leben, plötzlich und ohne Vorankündigung von der Polizei abgeholt und zwangsdeportiert zu werden. Dies geschieht in den letzten Wochen systematisch und regelmäßig. Menschen werden mitten aus ihrem Leben gerissen, verlieren Freundinnen und Freunde und das bisschen Sicherheit, was sie in Deutschland mehr haben als in ihren Heimatländern. Menschen werden dorthin abgeschoben, woher sie geflohen sind. Sie werden dorthin verschleppt, wo Krieg, rassistische Diskriminierung, Armut, religiöse Verfolgung, Hunger und mehr schlimme Dinge auf sie warten. Dem Flughafen Leipzig/Halle kommt dabei als ‚Drehkreuz der ostdeutschen Abschiebemaschinerie‘ eine besondere Rolle zu. In den letzten Wochen wurden Menschen nach Serbien, Albanien, Kosovo und Mazedonien von dort abgeschoben.

Unser Ziel bleibt: Abschiebungen stoppen. Geht in die Lager für Geflüchtete, knüpft Kontakte, informiert euch, wo Lager sind, vernetzt euch und unterstützt die Menschen, die von Abschiebung bedroht sind!

Abschiebestopp für Alle – unabhängig vom Herkunftsland!
Informiert euch:
The Voice Refugee Forum: http://thevoiceforum.org/
Alle bleiben: http://www.alle-bleiben.info/
Break Deportation: http://breakdeportation.blogsport.de/
Broschüre ‚Gemeinsam mehr erreichen — Abschiebungen verhindern!‘:
http://www.inventati.org/blgoe/index.php/publikationen/antira-broschuere