Das Schweigen durchbrechen!

nichts sehen,hören,sagenBereits im Juni berichteten wir von einer Flyer-Aktion im Erfurter Stadtteil Herrenberg. Diese Aktion hat Übergriffe und Bedrohungen von Neonazis im Stadtteil und an der lokalen Gemeinschaftsschule thematisiert, das Schweigen dem gegenüber, zumindest ansatzweise, durchbrochen und ausdrücklich Solidarität mit den Betroffenen rechter Gewalt eingefordert.

Jedoch blieben konkrete Maßnahmen ebenso aus, wie eine breite Debatte über die Situation im Stadtteil und den Umgang mit neonazistischer Gewalt. Einzige Konsequenz scheint zu sein, dass diejenigen die solch skandalöse Zustände thematisieren als Nestbeschmutzer empfunden und entsprechend mit ihnen umgegangen wird. Ein Sozialarbeiter, der einen offensiven Umgang mit der Gewalt von Neonazis im Stadtteil einforderte, wurde von seinem Arbeitgeber Perspektiv e.V. gekündigt.

Der Journalist Peter Nowak hat kürzlich in einem nd-Artikel auf die Situation des Sozialarbeiters, der inzwischen zusammen mit der Basisgewerschaft FAU für seine Rechte gegenüber seinem früheren Arbeitergeber kämpft, berichtet. Im folgenden dokumentieren wir diesen Artikel, wie auch einen Aufruf der FAU zur Vernetzung von Sozialarbeiter*innen:

Fertig gemacht – Ein Thüringer Schulsozialarbeiter fühlt sich mit rechten Angriffen allein gelassen

Von Peter Nowak 10.11.2017

Nazis machen krank. Für Sebastian Steinert, dessen richtiger Name zur Sicherheit nicht genannt werden soll, handelt es sich dabei nicht um einen Demo-Spruch, sondern um bitteren Ernst. Als Schulsozialarbeiter in der Erfurter Gemeinschaftsschule am großen Herrenberg war er wiederholt Attacken einer Gruppe rechter Jugendlicher ausgesetzt. Nach einem Angriff mit einem Gasspray musste er sich in ärztliche Behandlung begeben.

Steinert geriet ins Visier der Rechten, weil er sich hinter Schüler stellte, die von den Rechten bedroht worden waren. Die zivilgesellschaftlichen Initiativen MOBIT und Ezra sprechen in einem dem »nd« vorliegenden Dossier von einem »rassistischen Normalzustand« an der Schule und ziehen einen Zusammenhang zur neonazistischen Gruppe Volksgemeinschaft, die in dem Stadtteil einen Treffpunkt unterhält. Ihre Gründer stammen aus der rechten Kameradschaftsszene und hatten Funktionen in der NPD und der Partei »Die Rechte«. Die Gruppe wird vom Thüringer Verfassungsschutz beobachtet.

Die Stadtverwaltung Erfurt bestätigte die rechten Vorfälle, an denen vor allem zwei Schüler mit Neonazikontakten beteiligt waren. »Zudem gab es Angriffe und Bedrohungen der beiden Schüler gegen den Sozialarbeiter«, heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des SPD-Stadtverordneten Denny Möller. Doch statt Unterstützung habe er von seinem Arbeitgeber, dem in der Jugendsozialarbeit aktiven Verein Perspektiv, zu hören bekommen, er sei selber Schuld, wenn er zum Angriffsobjekt der Rechten werde, beklagt Steinert gegenüber »nd«.

Nach einer halbjährigen Krankheit wurde er entlassen. Der folgende Rechtsstreit ist inzwischen beendet. Der Verein zahlte eine Abfindung und stellte ein wohlwollendes Arbeitszeugnis aus. Zu den Vorwürfen wollte man sich gegenüber »nd« nicht äußern. Steinert kämpft nun darum, dass seine psychischen Probleme nach den Bedrohungen durch die Rechten als Berufskrankheit anerkannt werden. In diesem Fall wären anschließend Arbeitsschutzmaßnahmen und Unterstützungsangebote für die Betroffenen möglich.

Die Krankenkasse hat seinen Antrag zunächst abgelehnt. Dagegen klagt der Sozialarbeiter mit Unterstützung der Basisgewerkschaft FAU. Aus ihrer Sicht geht es dabei nicht nur um den Einzelfall. »In sozialen Berufen ist die Belastung zumeist nicht körperlicher, sondern psychischer und emotionaler Natur. Diese Belastung führt zu psychischen Krankheiten, die oft nicht anerkannt, sondern belächelt werden«, moniert Konstantin Berends von der FAU Jena. Die Gruppe will zu einem Treffen linker Sozialarbeiter einladen.

Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1069617.fertig-gemacht.html

Die Einladung zum, im Text angekündigten, Vernetzungstreffen linker Sozialarbeiter_innen findet ihr hier:


Einladung: Sozialarbeiter_innen Vernetzung

Datum: 30. November 2017 – 18:30 – 21:30 Uhr
Ort: FAU Gewerkschaftslokal Milly Witkop, Bachstraße 22, Jena

Wir sind FAU-Mitglieder oder der Gewerkschaft nahestehende Sozialarbeiter_innen.

Die Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit sind in vielen Bereichen problematisch, sowohl für die Arbeiter_innen selbst als auch für die Menschen mit denen gearbeitet wird. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Unterdrückungsverhältnisse wie Rassismus, Sexismus und Klassismus hier eine große Rolle spielen. Gleichzeitig mussten wir feststellen, dass, bezieht man in diesem System Stellung, einer_m schnell klargemacht wird, wie die Machtverhältnisse für Arbeiter_innen geregelt sind.

Wir möchten dabei nicht mehr vereinzelt stehen, wir sind auf Menschen angewiesen die zueinander stehen. Daher möchten wir zu einem ersten Vernetzungstreffen einladen, bei dem wir überlegen wollen, wie wir uns gegenseitig fachlich und auch bezogen auf die Arbeitsverhältnisse austauschen und unterstützen können.

Unser Ziel ist es, langfristig ein Netzwerk aufzubauen, das uns gegenseitig fördert und das uns bei Arbeitskämpfen und genauso bei fachlichen Fragen Rückhalt bietet. Dabei ist es unser Wunsch, dass dieses Netzwerk keine zusätzliche Belastung für uns darstellt sondern uns empowert.

Wir wünschen uns, Menschen zu treffen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder auch einfach ähnliche Probleme sehen, daher soll diese Einladung erstmal nur an Menschen weitergeleitet werden, die sich zu Diskriminierung positionieren und auch bereit sind, solidarisch füreinander einzustehen. Natürlich sind auch Studis, Praktikant_innen, Erzieher_innen und so weiter gemeint, also alle, die sich von unserer Einladung angesprochen fühlen!

Wir möchten bewusst mit der FAU zusammenarbeiten, da wir uns als (Sozial)Arbeiter hier auf ein selbstorganisiertes Netzwerk von kämpferischen Arbeiter_innen verlassen können.