Nachruf auf Frank Döbert (Jena)

Bereits am 19. April 2024 ist der Jenaer Antifaschist und Journalist Frank Döbert verstorben, wie einem gestern veröffentlichten Nachruf zu entnehmen ist.

Allen Angehörigen, Freund:innen und Weggefährt:innen, die trauern, wünschen wir Kraft und die Gewissheit, Frank ist seinen Weg gegangen: unbeugsam und nie still. Danke!

Wir dokumentieren den berührenden und solidarisch-kritischen Nachruf, der bei der FAU Jena erschienen ist und dem Wirken von Frank nachgeht:

Am Morgen des 19. April 2024 ist der Jenaer Journalist und Antifaschist Frank Döbert gestorben. Wir möchten mit diesen Zeilen an ihn erinnern.

 

Frank, geboren 1955, kam aus dem recht ruppigen Weißenfelser Arbeitermilieu und zog nach Jena, um hier Elektronik, Elektrotechnik und Betriebswirtschaft zu studieren. Danach arbeitete er wie so viele aus seiner Generation beim VEB Kombinat Carl Zeiss Jena.

 

In Jena fing Frank an, sich von den Zwängen seines Herkunftsmilieus und der Diktatur zu befreien. Er ließ sich dem sozialistischen Spießertum zum Trotz die Haare lang wachsen – so trug er sie bis zum Ende – und begann Rockmusik zu hören. Er setzte sich auch kritisch mit der Geschichte des Stalinismus und den Verhältnissen im autoritären Sozialismus auseinander, las z. B. verbotene Literatur wie Solschenizyn. Von der Oppositionsszene um die JG herum hielt er sich allerdings fern. Nach einem Antrag auf eine Westreise 1988 wurde er entlassen und arbeitete anschließend bei der SERO, der Annahmestelle für wiederverwertbaren Müll.

Frank Döbert in der Wendezeit, wahrscheinlich bei einer Menschenkettenaktion

In der Wendezeit gehörte Frank zu jenen, die sich keine Illusionen über den Westen machten. Im Interview für das Theaterprojekt „Der Dritte Weg“ 2009 sagte er: „Wir sind dann in der „Wende“ gleich rüber. Und auf dem Marktplatz, ich glaube in Coburg, da saßen ein paar Obdachlose und das erste, was ich gemacht habe, war, mich mit denen zu unterhalten. Es war das erste Westgespräch, die Obdachlosen haben mich aufgeklärt, wie beschissen die Gesellschaft ist.“

 

Seit 1990 arbeitete Frank als Journalist für die Ostthüringer Zeitung (OTZ). Er hat dabei immer wieder kritisch über die alten und neuen Nazis berichtet. So prägte er stadtweite Kontroversen um die Rolle von wichtigen Stadtpersönlichkeiten wie Jussuf Ibrahim, Peter Petersen und Rosemarie Albrecht im Nationalsozialismus und machte die Beteiligung des Jenaer Polizeibataillons 311 am Holocaust und Vernichtungskrieg im Osten bekannt. Er berichtete aber auch über die Tätigkeiten der neuen Nazi-Organisationen Thüringer Heimatschutz und NPD in den 90er Jahren, das Fest der Völker und das Braune Haus in den 2000ern sowie Thügida und die AfD in den 2010ern. Erst Anfang diesen Jahres gestaltete er die Ausstellung „Der Weg in den Untergrund“ über die Geschichte des NSU in der Stadtkirche Jena.

 

In den 1990er und frühen 2000er Jahren war Frank im Grunde der einzige Journalist, der sich unermüdlich bemühte, die rechte Gewalt zu einem öffentlichen Thema zu machen. Wenn er von gewalttätigen Angriffen der Neonazis erfuhr, recherchierte und berichtete er. Nicht immer kam er in der Zeit gegen die Wand des Schweigens und der Ignoranz des gesellschaftlichen Mainstreams in Bezug auf die rechte Gewalt an. Oft gelang es ihm nicht, dass seine Berichte in der Zeitung abgedruckt wurden. Das sorgte bei ihm für Wut und Frustration, aber er gab nicht auf. Die Artikel, die er abdrucken lassen konnte, gehörten nach dem Auffliegen des NSU 2011 zu den wenigen schriftlichen Quellen, über die sich die Geschichte der rechten Gewalt und der Neonazi-Strukturen in Jena nachweisen ließ.

 

Bei dieser Arbeit ging Frank selbst ein hohes Risiko ein. Eine damalige JG-Aktivistin hat folgende Geschichte erzählt. Am 9. November 2002, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, fand ein Neonazi-Aufmarsch in Weimar statt. Dort wurde angekündigt, dass der Neonazi Horst Mahler am selben Abend in Jena sprechen werde. Die antifaschistische Szene um die JG und den Infoladen hatte bereits mitbekommen, dass André Kapke, Ralf Wohlleben und andere Neonazis seit einer Weile an einem Haus in Jena-Altlobeda werkelten, und vermutete richtig, dass die Veranstaltung mit Horst Mahler dort stattfinden werde. Sie entschlossen sich, mit zwei Kleinbussen und drei PKWs zu einem spontanen Protest zum Braunen Haus zu fahren, und luden zwei Journalisten ein mitzukommen. Dazu gehörte Frank und er sagte sofort zu. Die circa 25 Antifaschist:innen parkten ihre Fahrzeuge, liefen die Straße zum sogenannten Braunen Haus herunter und verteilten Flyer in Briefkästen. Die Neonazis bemerkten sie und stürmten aus dem Haus. Mit Schlagwerkzeugen bewaffnet griffen sie die Antifaschist:innen an, drängten sie in eine Ecke, nahmen ihnen das Transparent ab und prügelten auf sie ein. Frank war mit dabei und dokumentierte die Geschehnisse. Sein Bericht war wichtig, um der Öffentlichkeit zu zeigen, was für eine Gefahr von den Neonazis und ihrem Braunen Haus ausging. Dies war nicht die einzige Situation, in der Frank seine eigene körperliche Unversehrtheit riskierte, um die Tätigkeiten und die Angriffe der Neonazis in das Licht der Öffentlichkeit zu bringen.

Anfang oder Mitte der 90er Jahre am Rande eines Fußballspiels mit Lothar König

Frank fühlte sich zudem den Opfern des Nationalsozialismus verpflichtet. Er hielt Kontakt zu Familien von Häftlingen aus dem KZ Buchenwald aus verschiedenen Ländern, war für sie ansprechbar und unternahm auf ihren Wunsch Recherchen über ihre Angehörigen.

 

Gleichzeitig war er der linken Szene und den sozialen Bewegungen in unserer Stadt wohlgesinnt. Mit den Mitteln, die ihm als Journalist zur Verfügung standen, unterstützte er die Antifa, Hausbesetzungen und den Infoladen und in den letzten Jahren zum Beispiel auch den Thüringer Verband der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschist:innen (TVVdN-BdA) und die Alternativen Orientierungstage (ALOTA) an der Universität Jena. Er berichtete über Soli-Konzerte, die alternative Gegenkultur, die Werkstätten der JG, linke politische Aktionen, Demonstrationen, kritische Veranstaltungen und bot auch selbst Vorträge an.

 

Frank war ruhelos und unermüdlich. Er nahm lange Reisen für Recherchen auf sich, verbrachte Tage am Stück in Archiven und Bibliotheken, begleitete unzählige Demonstrationen und Aktionen und hatte immer neue Ideen für nächste Projekte. Er hinterlässt eine umfangreiche Sammlung an eigenen Fotografien und recherchierten Materialien. Sein Nachlass wird zweifellos von großem Interesse für Historiker:innen und andere Wissenschaftler:innen sein und nicht zuletzt für jene, die sich mit der Geschichte unserer Bewegung beschäftigen, einen wertvollen Schatz darstellen.

Frank Döbert dokumentierte am 20.04.2016 die von der Polizei geschützte und durchgesetzte Neonazi-Demo von Thügida in Jena.

Es gibt eine Eigenschaft Franks, die wir nach seinem Tod besprochen haben: Er, der ja selbst von unten, aus der Arbeiterklasse kam und in der sozialistischen Gesellschaft an den Rand gedrängt wurde, hatte zwar oft und gerne Kritik und Vorbehalte gegen Menschen aus der sogenannten guten Gesellschaft, hat sich aber nie abschätzig über Menschen aus den unteren Schichten, über die Ausgestoßenen und über Leute mit Schwierigkeiten und Problemen geäußert. Er trat nicht nach unten, sondern begegnete diesen Leuten mit Achtung und Mitgefühl.

 

Sicherlich war Frank ein Einzelkämpfer. Aber es gibt nicht viele in seiner Generation, die sich zu DDR-Zeiten dem autoritären Regime verweigerten und sich nach der Wende eben nicht dem neuen System anbiederten, sondern weiter auf Oppositionskurs blieben. Dafür sind wir ihm sehr dankbar!

 

Wir denken an Franks Frau, seine Tochter und seine kleinen Enkelkinder und an die vielen Menschen in unserer Stadt, die in den letzten zwei Wochen ihre Trauer zum Ausdruck gebracht haben. Die öffentliche Beisetzung wird am Freitag, 17. Mai, 13 Uhr, auf dem Jenaer Nordfriedhof stattfinden. Wir treffen uns 12:45 am Haupteingang beim Blumenladen. Die Familie freut sich über alle Gäste!

 

Konstantin und Freund:innen