Ganser in Erfurt, CDU beunruhigt

Am 14 und 15.11.2023 soll Daniele Ganser in der Alten Oper Erfurt auftreten. Schon 2018 hatte der Verschwörungstheoretiker in der Alten Oper gesprochen. ATTAC Erfurt, der AntiRa Campus Erfurt, die Antifaschistische Koordination Erfurt, Jusos und GRÜNE Jugend, das Biko, Martina Renner, die Falken Erfurt und wir hatten damals die Absage der Veranstaltung gefordert. Passiert war daraufhin nichts. Aber 2023 verbreitet Ganser nicht nur für Antisemitismus anschlussfähige Verschwörungstheorien, sondern verortet in seinen Vorträgen (ganz in antiamerikanischer Tradition) die Gründe für den Ukraine-Krieg einseitig aufseiten des US-Imperialismus. Und hier ist nun wirklich eine Grenze erreicht. Antisemitismus, das geht ja noch, aber Wehrkraftzersetzung? Entsprechend fordert (laut einem TA-Artikel) jetzt auch die CDU, dass die Veranstaltung zumindest aus dem offiziellen Veranstaltungskalender der Stadt Erfurt gestrichen wird. Dem ist der Oberbürgermeister nachgekommen.

Auf dem Lokalsender Salve-TV hatte sich Peter Aßmann von Nemo Entertainment (der Event-Agentur, die Gansers Shows organisiert) schon im März ausführlich darüber beschwert, dass Ganser immer wieder kritisiert und sogar ausgeladen wird – und das, so Aßmann, in der Regel ohne Argumente. Auch wenn es Herrn Aßmann, ebenso wie Gansers Pressesprecher Dirk Wächter (aus Sömmerda*), dem Oberbürgermeister, der CDU und dem Inhaber der Alten Oper schon 2018 gelungen ist, sämtliche Argumente gegen Ganser zu ignorieren, wollen wir sie mal wieder auffrischen:

Ganser nutzt typische verschwörungstheoretische Argumentationsmuster. Seine erste Frage ist immer »Wem nützt es?« – damit will er nahelegen, dass diejenigen, die von einem Geschehen profitieren, dafür auch verantwortlich sind.

Ganser verwechselt Korrelation mit Koinzidenz, wenn er bei allen möglichen Phänomenen nahelegt: »Das kann kein Zufall sein!«. Aber wer wissenschaftlich vorgeht, muss nicht nur zeigen, dass bestimmte Phänomene zusammen auftreten, sondern auch, welchen Zusammenhang es zwischen beiden gibt. So werden in Regionen mit vielen Störchen auch viele Kinder geboren. In Gansers Logik lässt sich daraus der Schluss ziehen, der Storch bringe die Babys.

Ganser umgibt sich mit der Aura der Wissenschaftlichkeit und wedelt bei jeder Gelegenheit mit seinem Doktortitel, um seine Autorität zu untermauern. In der Wissenschaft hat er aber nichts zu melden: Eine Rezension von Gansers Dissertation spricht von dubiosen Analysen und sieht bestenfalls »eine journalistische Arbeit mit einem großen Löffel Verschwörungstheorien«. Seinen letzten Lehrauftrag in St. Gallen hat er 2018 verloren**, durch die Zeilen wird deutlich, dass sein Geschäftsmodell (steile Thesen in großen Hallen) einfach zu unseriös ist, um für eine Hochschule tragbar zu sein.

Ganser argumentiert in einfachen Gut-Böse-Schemata, sowohl beim Umgang mit seinen Quellen wie auch mit seinen Kritiker_innen. Wer ihn kritisiert, gehört zur gleichgeschalteten Systempresse, wer ihn unterstützt, wird zur seriösen Quelle erklärt, wie z.B. die verschwörungstheoretische Webseite KenFM, das COMPACT-Magazin (Sprachrohr von Pegida und AfD) und der deutsche Ableger des russischen Staatsfernsehens Russia Today.

Mit seinen unterhaltsamen Vorträgen voller verschwörungstheoretischer Andeutungen rund um 9-11, Corona und die Weltpolitik füllt er große Hallen und nimmt über 30-40€ pro Ticket. Das esoterikkritische Psiram-Wiki bezeichnet ihn entsprechend als Verschwörungsunternehmer, ganz ähnlich sind die Einschätzungen von Belltower News und dem Volksverpetzer.

Ganser pflegt Kontakte zur Nazi-Szene, deutlichster Beleg dafür ist vielleicht ein Gespräch zwischen Ganser, Jürgen Elsässer und dem verurteilten Rechtsterroristen Karl-Heinz Hoffmann, das auf Youtube zu finden ist. Aber auch seine Auftritte beim Bautzner Friedenspreis und der Anti-Zensur-Koalition von Ivo Sasek machen deutlich, dass er keinen Anlass sieht, sich von Reichtsbürgern, identitärer Bewegung, Holocaustleugner_innen, autoritären Sektenführern oder der AfD abzugrenzen.

2018 hatten wir Gansers »in rhetorische Fragen verpackte Kultur der Hetze gegen Sündenböcke« als »Spiel mit dem Feuer« bezeichnet, dass »in einer Zeit, in der rechtspopulistisches und ungleichheitsorientiertes Denken auf dem Vormarsch ist« zur »Faschisierung der Gesellschaft« beiträgt. Dem ist wenig hinzuzufügen – nur dass fünf Jahre später der Faschismus in Thüringen noch weitaus anschlussfähiger ist als 2018.

 

* In der ursprünglich veröffentlichten Version hieß es, Dirk Wächter sei auch aus Erfurt, wir haben das am 27.8.2023 korrigiert. Danke für den Hinweis.

** Anscheinend hat die Aargauer Zeitung den Artikel inzwischen aus dem Netz entfernt, wir haben deswegen jetzt die Version von archive.org verlinkt