Heute wurde das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz für drei Stunden besetzt. Ca. 40 AktivistInnen drangen in das Gebäude der Behörde ein und forderten: „Ich will meine Akten sehen“ oder „Verfassungsschutz auflösen“. Nach drei Stunde verließ man das Gebäude. Für dieses mal.
Man hätte schon aufwändigste nachrichtendienstliche Mittel nutzen müssen, um mitzukriegen, dass etwas im Busch war gegen den Verfassungsschutz. Der Behörde selbst ist es nicht aufgefallen und so standen die Türen weit auf, als etwa eine halbe Stunde vor der angekündigten Kundgebung ein Schwung DemonstrantInnen das Gebäude betraten. Nur dem schnellen Einsatz der Empfangschefin war zu verdanken, dass nur das schäbige Foyer und die Eingangstreppe besetzt wurde. Bei Kaffee, Tee und Glühwein und mit Musik wurde diskutiert, ob die von der Partei „Die Linke“ (PDL) vorgeschlagene Umwandlung des VS in eine Informations- und Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie ein sinnvoller Vorschlag sei oder der Laden gleich vollends abgeschafft werden müsse.
Vor der Tür froren indes diejenigen DemonstrantInnen, die zu spät gekommen waren. Der herbeigerufene stellvertretende Behördenleiter versuchte drinnen vergeblich, die DemonstrantInnen vom Gehen zu überzeugen. Seine Idee, die Besetzung als Hausfriedensbruch zu ahnden, überzeugte noch nichtmal die anwesende Polizei — das Kaffeekränzchen der BesetzerInnen störe faktisch nicht den Frieden des Hauses, hieß es vom Einsatzleiter.
Eine verzwickte Situation: Außer dem sichtlich überforderten Chefspion war niemand wild auf Bilder, die zeigen, wie AntifaschistInnen von Prügelbullen aus dem sowieso schon skandalumwitterten Thüringer VS gezerrt werden. Und wenn man Protest nicht kriminalisieren oder ignorieren kann, muss man ihn eben integrieren. So konnte dann letztlich der Thüringer Innenminister die Situation beilegen, indem er den BesetzerInnen ein Gespräch im Landtag anbot. Dass diese Unterhaltung nicht mehr als eine Geste von oben herab ist und das Ergebnis keinesfalls die Auflösung des Amtes sein wird, ist klar.
Dabei wäre die schon in den 1990er-Jahren nötig gewesen, als die Schlapphüte sich damit beschäftigt hatten, die vermeintlich linksradikal unterwanderte Landeszentrale für politische Bildung anzugreifen oder den DGB und den Flüchtlingsrat Thüringen zu diskreditieren, während sich die jetzt aufgeflogene Nazi-Terrorzelle unbemerkt und wahrscheinlich sogar mit Landesmitteln finanziert konstituieren konnte.
Dass der Laden es noch nicht mal schafft, die Tür abzusperren, wenn eine Demonstration vor dem Haus angekündigt ist, zeigt die Unfähigkeit der Behörde. Aufgelöst gehört sie aus politischen Gründen.
Update Presse:
Interview von Radio F.R.E.I. mit einer Teilnehmenden über Forderungen und Kritik am Verfassungsschutz:
[audio:http://freie-radios.net/mp3/20111215-verfassungss-45132.mp3]
Download bei freie-radios.net, Indymedia, MDR, TLZ.
Verfassungsschutz selber machen?
Sitzblockade auf der Treppe des Thüringer VS
Foyer besetzt – mit Kaffe, Tee und Glühwein
Frieren vor dem Gebäude