Neue Nazigruppe in Erfurt

Seit spätestens Ende April gibt es eine neue Nazigruppe in Erfurt mit dem Namen „Kollektiv 56 – Erfurts Jugend rebelliert“ (‚Erfurts Nazis schwadronieren‘ wäre ein besserer Untertitel), die im Web auf WordPress und Twitter in Erscheinung tritt. Die Gruppe kommt offensichtlich aus dem Spektrum der Autonomen Nationalisten und mobilisierte zum Naziaufmarsch des III. Weg am 1. Mai in Saalfeld und zum ‚antikapitalistischen Block‘ am „Tag der deutschen Zukunft“ der Freien Kräfte am 6. Juni im brandenburgischen Neuruppin (einen Artikel zur Kritik am völkischen ‚Antikapitalismus‘ findet ihr hier).

Es ist anzunehmen, dass der Erfurter Neonazi Sascha Wühr zu dieser neuen Nazigruppe gehört. Dieser ist seit vielen Jahren an Aufmärschen der extremen Rechten beteiligt. Beispielsweise meldete er am 23. März die Thügida-Demo in Erfurt an und war er an etlichen Sügida Aufmärschen in Suhl anzutreffen. 2012 war er Redner auf einer Nazi-Kundgebung der Freien Kräfte (‚Erfurt aktiv gegen Sexualstraftäter und Kinderschänder‘) im Rieth in Erscheinung getreten. Wühr fiel schon des öfteren durch ein hohes Aggressionspotential und eine latente Gewaltbereitschaft auf. Zuletzt bei PEGADA/Endgame, als er vor laufenden Kameras Journalisten bedrohte.

Auf der Website des Kollektiv56 wird behauptet, das Kürzel K56 sei seit einiger Zeit in der Stadt und auf Klamotten aufgetaucht – gut, das ist uns zwar immer noch nirgendwo aufgefallen, aber nun wissen wir Bescheid. Weiterhin gilt: Nazis das Leben vermiesen.

Inhaltlich gibt es den üblichen Dreck – rassistische Hetze gegen Geflüchtete und die ewige Paranoia vor ‚Überfremdung‘ dominieren. In Zeiten rasant zunehmender rechter Angriffe und Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte müssen wir dieses Gefasel leider ernst nehmen.

Passt auf euch auf. Zeigt euch solidarisch mit allen von Rassismus Betroffenen.

Update 28.7.15:
Im Bereich Trommsdorffstraße/Anger sind in den letzten Tagen vermehrt Nazi-Sticker geklebt worden. Wenn ihr in der Stadt unterwegs seid haltet die Augen danach offen, entfernt diese und klebt antifaschistische Sticker.

Rote Hochburg Herrenberg?

Die Filmpirat*innen stellten am 20. Juli ihren Videobeitrag „Die Kammwegklause – Über den Umgang mit einem rechtsextremen Zentrum in Erfurt“ vor. Etwa 159 Interessierte folgten der Einladung ins Stadtteilzentrum Herrenberg, um den Film zu sehen. Im Vorfeld hatten ortsansässige Nazis, wie Enrico Biczysko, ihr Kommen angekündigt – die Drohung blieb unerfüllt. In dem knapp 14-minütigen Video werden u.a. Anwohner*innen des Herrenbergs, Hans-Jürgen Czentarra (Ortsteilbürgermeister, PDL), Thomas Ziegler (Leiter Polizeidienststelle Erfurt Süd), Manfred Stein (Eigentümer / Vermieter) und Toni Lütgenau (Juso-HSG, Erfurt) interviewt. Das Video wird bald online verfügbar sein, die Filmpirat*innen riefen zur Verbreitung des Beitrags auf. Weiterlesen

Solidarität mit den Opfern des IS-Anschlags in Suruc

Am gestrigen Montag demonstrierten etwa 50 Menschen ihre Solidarität mit den Opfern des am gleichen Tag in der Türkei durch einen Anschlag des IS ermordeten Jugendlichen. Der IS griff eine Versammlung der Föderation der Sozialistischen Jugendverbände der Türkei an, die sich auf den Weg nach Kobane gemacht hatten, um dort die Aufbauarbeiten zu unterstützen. Es kamen mindestens 30 Menschen ums Leben.

Wie in vielen Städten fand auch in Erfurt eine Solidaritätsaktion statt, die spontane Zusammenkunft zog vom Bahnhof weiter Richtung Anger. Lest [hier] das verteilte Flugblatt des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan, welcher zu Protestaktionen aufruft.

Videopremiere zur Kammwegklause

Die Filmpirat*innen laden am kommenden Montag zur Premiere ihrer Videodokumentation über die Kammwegklause, einem beliebten und zentralen Treffpunkt der Neonaziszene im Erfurter Südosten.

Die Kampagne „Nazizentren dichtmachen – gegen die ‚Kammwegklause‘ in Erfurt“ hatte Ende Mai bereits den Eigentümer der Immobilie, Manfred Stein, in die Öffentlichkeit gerückt. Wir hoffen, dass der Beitrag der Filmpirat*innen ebenfalls Aufklärung leistet.

20. Juli, 19 Uhr, Stadtteilzentrum Herrenberg / Urne (Stielerstr. 3, 99099 Erfurt / Haltestelle Abzweig Wiesenhügel)

Achtung: Nazis haben sich angekündigt.

Es bleibt dabei: Kammwegklause dichtmachen!

[Soli 1708] Update: Prozess verschoben – Solidarität mit Stefan

Update: Der Prozess wurde verschoben – neuer Termin 2. September, ebenfalls 9 Uhr. (Quelle: Rote Hilfe OG Erfurt)

Am bevorstehenden Mittwoch findet der Prozess gegen Stefan statt. Der Antifaschist hatte sich an den Protesten gegen die NPD am 17.8.13 beteiligt – fast zwei Jahre später muss er vor Gericht.
Die Soligruppe 1708 ruft zur Prozessbegleitung auf. Den Kurzaufruf und aktuelle Infos gibts bei der Erfurter Ortsgruppe der Roten Hilfe.

Mittwoch, 15. Juli, 8:30, Amtsgericht Erfurt (Prozessbeginn 9:00, Sitzungssaal 18)

Erfurt: Vertreibungspolitik in der Innenstadt

Während im Mittelmeer Menschen auf der Flucht ertrinken, haben die Erfurter wichtige Probleme: Auf dem Anger trinken Jugendliche Bier. Und sie nehmen dabei keine Rücksicht auf die finanziellen Interessen der BetreiberInnen von Außengastronomie. Das ruft natürlich Widerspruch hervor.

Zuerst waren es die Nazis. Eine rechte Facebook-Gruppe ereiferte sich über Punks, die es sich auf dem Anger mit selbst mitgebrachtem Bier gut gehen lassen. Jetzt treten die Gewerbetreibenden nach: Heinz-Jochen Spilker, Vorstands-Vorsitzender des City-Managements-Vereins und Thomas Nagelschmitz vom Kaufhaus Anger 1 möchten gerne festlegen, wer den öffentlichen Raum in Erfurt wie nutzen darf. Das Ziel des City-Management-Vereins ist, Erfurt als Stadt des Wohnens, Arbeitens, Einkaufens, der Freizeit und Kultur attraktiver zu machen. Die Frage ist aber, wie so oft, für wen. Junggesellenabschiede, Erlebnisgastronomie und penetrante Werbeveranstaltungen können gerne auf dem Anger auflaufen. Aber wehe, Menschen mit wenig Geld und abweichendem Wertesystem wagen es, einen schönen Platz für sich in Beschlag zu nehmen. Dann steht der Erfurter Spießer Seit an Seit mit den Nazis, um das arbeitsscheue Gesindel zu vertreiben und ruft nach dem starken Arm des Gesetztes, konkret nach einer rechtlichen Handhabe gegen herumlungernde Jugendliche. Laut einem Artikel in der TA hat sich die Stadtverwaltung noch nicht entschieden, wie sie auf die autoritären Wünsche der Gewerbetreibenden reagieren soll. Es bleibt ihr auch wenig übrig, nachdem das Alkoholverbot in der Innenstadt gerichtlich als „nicht anlass- sondern personenbezogen“ kassiert worden war. Auf dem Anger zeigt sich nun das Ergebnis von Verdrängungspolitik. Jahrelang hat man versucht, die Punks von der Krämerbrücke zu vertreiben. Die naive Phantasie der Technokraten und Sozialplaner war dabei wohl, dass sie sich in Luft auflösen oder nach Gotha ziehen würden, wenn die Krämer nur unattraktiv genug gestaltet wird. Aber wer an der einen Stelle vertrieben wird, taucht halt auf der anderen wieder auf, jetzt eben auf dem Anger. Und warum sollen eigentlich zwei reiche Männer, die für Kapitalinteressen sprechen, entscheiden dürfen, wer wo und wie seine Freizeit verbringt? Wieso soll die Innenstadt für Gewerbetreibende ein El Dorado sein, für Arme und Jugendliche dagegen nicht zugänglich? Gewerbetreibende nutzen steuerfinanzierte Infrastruktur, von den Straßen angefangen über die Vereinsräume des Citymanagement im Rathaus bis zur Müllentsorgung dessen, was die werte Kundschaft aus der Gastronomie im Erdgeschoss des Anger 1 rausträgt. Wieso soll es dann illegitim sein, wenn Punks den öffentlichen Raum nutzen?

Wenn Ihr das auch bescheuert findet, schreibt dem Erfurter Ordnungsdezernent Alexander Hilge an die Adresse dezernat03@erfurt.de. Kopie bitte an den Infoladen.

Zur Ergänzung ein Rückblick zu Vertreibungspolitik in Erfurt:

Die Toten kommen — auch nach Erfurt

In Anlehnung an eine Aktion des „Zentrum für politische Schönheit“ unter dem Motto „Die Toten kommen“ wurden in den letzten Tagen in Erfurt Grabmale zum Gedenken an diejenigen Menschen, die auf ihrer Flucht vor Verfolgung, Krieg, Diskriminierung, Perspektivs- und Hoffnungslosigkeit den Tod gefunden haben, aufgestellt. Anscheinend haben sich mehrere Gruppen von der Aktion inspirieren lassen. Einige Hinweise darauf haben wir im Netz gefunden, andere wurden uns anonym zugespielt. Eine aktionistische autonome Gruppe erklärte zu den Kreuzen:

Wir solidarisieren uns mit allen Geflüchteten! Wir sprechen uns gegen jede Form von Ausbeutung von Ländern des globalen Südens, gegen Krieg und damit verbundene politische und wirtschaftliche Maßnahmen jeglicher Länder und gegen verdeckten und offenen Rassismus aus!!!
Flucht hat immer Gründe und ist ein Menschenrecht, was geschützt werden muss!!!
Es waren Menschen wie DU und ICH!

Grabmal in Erfurt an der Stadtmauer
Grabmal in Erfurt am Juri-Gagarin-Ring
Erste Gräber an der Stadtmauer Juri-Gagarin-Ring (?)

Grabmal an der Deutschen Bank in Erfurt Grabmal an der Deutschen Bank in Erfurt
Ein weiteres an der Deutschen Bank in der Bahnhofstraße.

Grabmal am Angerbrunnen in Erfurt Grabmal am Angerbrunnen in Erfurt
Am Angerbrunnen

Grabmal auf dem Wenigemarkt in Erfurt
und auf dem Wenigemarkt

Ohne Bild: Auch am Bürgeramt wurde ein Grabmal errichtet.

Für ein Grabmal in einer belebten Fussgängerzone braucht man einen starken Schraubenzieher (um das Pflaster aufzubrechen), einen Sack Blumenerde, Blumen, eine Flasche Leitungswasser (zum Angießen), eine Holzlatte, eine Säge, Holzleim und einen Edding.

Kurdinnen informieren in Erfurt

Am Dienstag Nachmittag informierten Genossinnen vom kurdischen Kulturverein Mesopotamien e.V. auf dem Erfurter Anger über die aktuelle Situation in Rojava. Der IS hatte am 25. Juni über die türkische Landesgrenze erneut Kobane und Orte in der Umgebung angegriffen. Dabei kamen mindestens 231 Menschen ums Leben. Noch im Januar hatten wir gemeinsam die Befreiung der Stadt feiern können.

Lest [hier] das verteilte Flugblatt des Mesopotamien e.V. mit näheren Informationen.

Hinweis: Am Donnerstag, den 2. Juli, gibt es zur Donnerstagskundgebung auf dem Anger ab 17 Uhr mit Kurd*innen und Unterstützer*innen ins Gespräch zu kommen.