[Erfurt] 10. Punxboottour

Schlauchboottour Erfurt 2011Heute, am 23.07.2011 fand in Erfurt die mittlerweile 10. Punxboottour statt. Das heißt, dass sich morgens um 12:00 Uhr Punks, Alternative und alle Anderen die in Partylaune sind mit alten Reifen in Erfurt in einen Zug setzen, nach Bischleben fahren um zu Frühstücken und später mit den Reifen als Boot in die Gera begeben um durch den Luisenpark bis zur Krämerbrücke zu fahren.

Dieses Jahr fand neben der Bootstour auch noch das Fußballspiel Rot-Weiss Erfurt gegen Carl-Zeiss Jena (3:0) statt. Das sah mensch auch deutlich am durch das Polizeigeprägte Stadtbild. Da der Treffpunkt für die Bootstour (Hauptbahnhof) auch der Anreisepunkt für die Jenaer und einer der Sammelpunkte für Erfurter Fans ist, waren die Zahlreichen Beamten in Grün wie Dunkelblau-Schwarz auch leicht verwirrt. So verirrten sich mindestens zwei gut verkabelte Zivilbeamte zu den ca. 30-40 Leuten, die auf dem Bahnsteig den Zug in Richtung Bischleben erwarteten. Aber nicht nur die Zivilbeamten verirrten sich auf den Bahnsteig, auch einige Beamt_Innen in Kampfanzügen schienen auf den Zug nach Bischleben zu warten. Offensichtlich fiel ihnen rechtzeitig auf, dass ihr Reiseziel nicht Bischleben ist, weshalb sie nicht mit in den Zug stiegen.
In Bischleben selbst kam es dann aber tatsächlich zu einer kurzen Begegnung mit ein paar Polizist_Innen, die meinten, dass der Frühstücksort nicht einfach so zu betreten sei, schließlich wäre er Privateigentum. Später kam auch noch der Eigentümer des Grundstücks hinzu, war aber scheinbar beruhigt als ihm gesagt wurde die Zecken seien nach einer Stunde weg.
So kam es schließlich tatsächlich zur 10. Punxbootstour. Einige Menschen auf alten Reifen in der Gera, dazu noch etwas (oder auch etwas mehr) Alkohol sorgten für viel Spaß. Das größte Problem des Tages war das Wetter. Teilweise nur 15° Celsius plus Wind sind im Wasser keine allzu tollen Bedingungen. Das nächste Problem wurde – wie erwartet – die Polizei, die den geplanten Treffpunkt Krämerbrücke schon frühzeitig belagerte. Den dort anwesenden Menschen wurde ca. um 17:20 Uhr nahegelegt zu verschwinden, da es eine Verordnung gäbe, dass Menschen die dem „linken Spektrum an diesem Tag im Bereich der Krämerbrücke nichts zu suchen“ hätten. Ein paar wenige Menschen meinten, dass die „Verordnung“ nicht sonderlich glaubhaft sei. Um einer Diskussion bezüglich Glaubwürdigkeit vorzubeugen tat die Polizei genau das, was sie am besten kann – sie drohten mit einer sogenannten IDF. Als ein Mensch fragte, ob ihm der Begriff übersetzt werden konnte wurde in äußerst unfreundlichem Tonfall das Wort „Identitätsfeststellung“ über die Lippen gebracht. Gleichzeitig wurde damit gedroht, der „nächste Schritt“ sei „die Stadtverordung, welche den Alkoholkonsum in der Innenstadt verbietet“. Als da Argumentiert wurde, dass diese Innenstadtverordnung in einigen Städten bereits gekippt wurde, da sie einen massiven Einschnitt in die Versammlungsfreiheit bedeutet, wurde nur wieder gedroht. Im Laufe dieser „Diskussion“ wurde den Anwesenden durch die Polizist_Innen mitgeteilt, dem „Leiter der Veranstaltung wurde bereits mitgeteilt“, dass diese Bootstour nicht an der Krämerbrücke enden könnte. Stattdessen hätte mensch sich auf das „Venedig“ (ca. 10 Minuten Flussabwärts) als Endpunkt geeinigt. Da Kommunikation mit den Beamt_Innen auch an diesem Tag sinnfrei ist, lösten sich die Menschen an der Krämerbücke schließlich auf und verschwanden in Richtung Venedig bzw. Schlösserbrücke. An der Schlösserbrücke gab es nämlich ein paar Minuten später eines der Highlights der Tour zu sehen: Die Boote fuhren mitsamt ihren Insass_Innen einen Miniwasserfall hinab. Dabei verloren zwar einige der Boote ihre Insass_Innen und einige der Insass_Innen kurzeitig ihre Boote aber alles in allem war ein enormer Spaßfaktor vorhanden. Recht schnell hatten sich einige Bürger_Innen versammelt um mit zuzusehen, wie Punks, Alternative usw. Spaß haben. Und auch diesen Bürger_Innen war ein gewisses Grinsen ins Gesicht geschrieben.
Einige Meter weiter wurde einigen unterkühlten Fahrer_Innen das Grinsen allerdings aus dem Gesicht gepustet. Und zwar durch die Freund_Innen der Polizei. Diese meinten nämlich, es unterkühlten Menschen untersagen zu können, bereits an der Krämer auszusteigen um sich aufzuwärmen. Nachdem sie anfingen die Menschen zurück ins Wasser zu stoßen gingen schließlich ein paar Menschen dazwischen und redeten auf die Beamt_Innen ein, dies sei Nötigung sowie Körperverletzung, die Menschen seien sichtbar unterkühlt und müssten aus dem Wasser. Den Beamt_Innen schien das aber erst etwas auszumachen, nachdem Dienstausweise gefordert wurden. Einen Dienstausweis bekam zwar niemand zu sehen, aber die befürchtete Eskalation blieb aus. Schließlich „durften“ dann sogar einige der Leute kurz aus dem kalten Wasser raus, bevor sie weiter in Richtung Venedig gingen bzw. fuhren.
Dort wurden die Menschen von weiteren Beamt_Innen beobachtet und nach einer gewissen Zeit bekamen sie auch ihre Wechselklamotten und gingen sich aufwärmen.
Heute Abend gibt es außerdem noch eine Party im AJZ, um – hoffentlich zahlreich – diesen Tag angenehm ausklingen zu lassen und noch das eine oder andere Gläschen zu leeren.

Party ist wichtiger als Deutschland!

Schlauchboottour Erfurt 2011

Schlauchboottour Erfurt 2011

Erfurt: Vertreibungspolitik in der Innenstadt

Während im Mittelmeer Menschen auf der Flucht ertrinken, haben die Erfurter wichtige Probleme: Auf dem Anger trinken Jugendliche Bier. Und sie nehmen dabei keine Rücksicht auf die finanziellen Interessen der BetreiberInnen von Außengastronomie. Das ruft natürlich Widerspruch hervor.

Zuerst waren es die Nazis. Eine rechte Facebook-Gruppe ereiferte sich über Punks, die es sich auf dem Anger mit selbst mitgebrachtem Bier gut gehen lassen. Jetzt treten die Gewerbetreibenden nach: Heinz-Jochen Spilker, Vorstands-Vorsitzender des City-Managements-Vereins und Thomas Nagelschmitz vom Kaufhaus Anger 1 möchten gerne festlegen, wer den öffentlichen Raum in Erfurt wie nutzen darf. Das Ziel des City-Management-Vereins ist, Erfurt als Stadt des Wohnens, Arbeitens, Einkaufens, der Freizeit und Kultur attraktiver zu machen. Die Frage ist aber, wie so oft, für wen. Junggesellenabschiede, Erlebnisgastronomie und penetrante Werbeveranstaltungen können gerne auf dem Anger auflaufen. Aber wehe, Menschen mit wenig Geld und abweichendem Wertesystem wagen es, einen schönen Platz für sich in Beschlag zu nehmen. Dann steht der Erfurter Spießer Seit an Seit mit den Nazis, um das arbeitsscheue Gesindel zu vertreiben und ruft nach dem starken Arm des Gesetztes, konkret nach einer rechtlichen Handhabe gegen herumlungernde Jugendliche. Laut einem Artikel in der TA hat sich die Stadtverwaltung noch nicht entschieden, wie sie auf die autoritären Wünsche der Gewerbetreibenden reagieren soll. Es bleibt ihr auch wenig übrig, nachdem das Alkoholverbot in der Innenstadt gerichtlich als „nicht anlass- sondern personenbezogen“ kassiert worden war. Auf dem Anger zeigt sich nun das Ergebnis von Verdrängungspolitik. Jahrelang hat man versucht, die Punks von der Krämerbrücke zu vertreiben. Die naive Phantasie der Technokraten und Sozialplaner war dabei wohl, dass sie sich in Luft auflösen oder nach Gotha ziehen würden, wenn die Krämer nur unattraktiv genug gestaltet wird. Aber wer an der einen Stelle vertrieben wird, taucht halt auf der anderen wieder auf, jetzt eben auf dem Anger. Und warum sollen eigentlich zwei reiche Männer, die für Kapitalinteressen sprechen, entscheiden dürfen, wer wo und wie seine Freizeit verbringt? Wieso soll die Innenstadt für Gewerbetreibende ein El Dorado sein, für Arme und Jugendliche dagegen nicht zugänglich? Gewerbetreibende nutzen steuerfinanzierte Infrastruktur, von den Straßen angefangen über die Vereinsräume des Citymanagement im Rathaus bis zur Müllentsorgung dessen, was die werte Kundschaft aus der Gastronomie im Erdgeschoss des Anger 1 rausträgt. Wieso soll es dann illegitim sein, wenn Punks den öffentlichen Raum nutzen?

Wenn Ihr das auch bescheuert findet, schreibt dem Erfurter Ordnungsdezernent Alexander Hilge an die Adresse dezernat03@erfurt.de. Kopie bitte an den Infoladen.

Zur Ergänzung ein Rückblick zu Vertreibungspolitik in Erfurt:

Wem gehört die Stadt? Der Punkxboottour!

Seit Jahren ist in Erfurt umstritten, wer sich den öffentlichem Raum zueigen machen darf. Schon 2008 hieß es auf dieser Seite:

Schon seit Jahren betreibt die Stadt Erfurt eine Vertreibungspolitik gegen Arme und AbweichlerInnen. So ist seit dem Jahr 2003 Straßen­musik und das Verteilen von Flugblättern stark eingeschränkt und „stö­rendes Verhalten“ verboten. Bei Zuwiderhandlung drohen Geldbußen von bis zu 5000€. Schon 2003 gab es dagegen Proteste. Die jetzt rechtskräftig gewordene Verschärfung der Stadtordnung wurde durch die Stadtverwaltung erlassen. Sie besagt, daß in Fußgängerbereichen und auf der Krämerbrücke „das mit dem Verzehr von Alkohol verbunde­ne (..) Lagern (..) oder längere Verweilen“ verboten ist – außer man kann sich den Aufenthalt in zugelassenen Freischankflächen leisten.

Gegen die Vorschrift hat ein betroffener Bürger geklagt, was im Sommer 2012 dazu geführt, dass das Oberverwaltungsgericht Weimar das Alkoholverbot in der Erfurter Innenstadt kassiert hat. Aber die Auseinandersetzung darum, wem die Stadt gehört, findet natürlich nicht nur vor Gericht statt. Am vergangenen Wochenende wurde sie wie jedes Jahr hinter der Krämerbrücke ausgetragen, wo ca. 50 Punks nach der traditionellen Punxboottour anlandeten. Juhu!

Viele Zuschauer*innen an der Schlösserbrücke:

Hindernisse, die überwunden werden wollen: Absprung…

Am Ziel, der Krämerbrücke, wird weitergefeiert.

Heute mal nicht mit Prosecco…
heute kein Proseccobrunch

… was manche nur abscheulich finden.

Aber Erfurt kann ja nicht immer nur Puppenstube sein…