Heute schon an morgen denken
Auf Indymedia findet sich ein Bericht zur Konferenz für die Aktionen gegen den zu erwartenden Naziaufmarsch im Februar in Dresden unter wenig überraschendem Titel „Aktionskonferenz beschließt Blockade“.
Einen Beitrag zur Diskussion zur Vorbereitung hat die AG17 geschrieben. Unter dem Titel „Dresden – 13. Februar ist mehr als nur ein Nazi-Aufmarsch“ heisst es:
Die Rechnung des Bündnisses „Dresden – nazifrei“ schien 2010 aufgegangen zu sein. Es gab eine Massenmobilisierung und die Nazis konnten ihren Demo-Startpunkt nicht verlassen. Die „Spontandemo“ mehrerer tausend Nazis zu diesem Startpunkt konnte nicht verhindert werden.
Wo ist das Problem?
Alles im grünen Bereich, könnte mensch meinen bei solch einer Erfolgsstory. Wird der Tag jedoch mal etwas weniger oberflächlich betrachtet, so bleibt eine ganze Reihe Manöverkritik zu leisten, was wir an dieser Stelle jedoch nicht tun werden. Uns geht es um die inhaltliche Stoßrichtung, wenn es denn überhaupt eine gibt. In dem ganzen anschließenden Jubel fiel den wenigsten federführenden Gruppen dieses Events auf, dass der Nährboden für den größten Nazi-Aufmarsch Deutschlands in dem Aufruf zu Massenblockaden 2010 nicht mehr angetastet wurde: der Opferdiskurs der Deutschen als Verlierer des 2. Weltkrieges und seine besondere Ausprägung in Dresden. In Dresden wurde schließlich dem Holocaustleugner David Irving als „Historiker“ gehuldigt und die öffentliche Wahrnehmung der Bombardierung stark durch die Goebbelspropaganda beeinflusst. Die Mär von der „Unschuldigen Stadt“ war gefundenes Fressen für die Nazis, die sich im Opferdiskurs eins fühlen konnten mit der Dresdner Bevölkerung. Der Widerstand der dortigen Zivilgesellschaft sah deshalb auch lange Zeit sehr mau aus. Nur langsam und verschämt schleicht sich in das öffentliche Bewusstsein Dresdens, dass es sich wohl doch nicht um eine „unschuldige Stadt“ voller Kunstschätze und Flüchtlinge handelte, sondern um eine Garnisionsstadt, strategischer Verkehrsknotenpunkt und einem florierenden Rüstungsstandort des 3.Reiches. Die Fakten wurden nicht von der Dresdner Bürgerschaft selbst erarbeitet, sie wurden von außen an sie herangetragen z.B. durch Historiker wie Frederick Taylor. Anstatt endlich mal das kollektive Rumgeheule sein zu lassen, wird dieses Gedenken und der eigene Opferdiskurs nun als Geläutertheit gegen die Nazis in Anschlag gebracht. Das nationale „Wir“ der Berliner Republik braucht derzeit keine Nazis und empfindet jene als standortschädlich und Imageschädigung.Nix Falsches sagen wollen?
Uns drängt sich der Verdacht auf, dass der Opferdiskurs und das „Gedenken“ Dresdens bewusst thematisch bei der Blockademobilisierung 2010 ausgeklammert und lediglich die Nazis zum Problem erklärt wurden, um ja keine Verstimmungen bei Teilen der anvisierten Bündnispartner_innen in Kauf nehmen zu müssen. Wurde sich im Bündnis „Dresden – nazifrei“ auf einen Schweige-Konsens in Sachen bürgerlicher Opferdiskurs geeinigt, taten dies die öffentlichen Medien nicht. Dort wurde dann munter drauf los berichtet, dass in Dresden das „Gedenken“ durch die Blockaden vor den Nazis geschützt wurde. Interviews belegten, dass dies auch für einen beträchtlichen Teil der Blockierer_innen zutraf. Dass später in den „7 Thesen“ sich selbst bescheinigt wurde, den „vorherrschenden Diskurs“ in Dresden verändert zu haben, scheint wohl eher PR gewesen zu sein. Er wurde nicht mal angetastet!Massen-Event – sonst nichts?
Der 13. Februar 2011 wirft seine Schatten voraus. Die Nazis planen bereits und das antifaschistische Spektrum auch und die offiziellen Gedenkfeiern werden wieder abgehalten wie eh und je. Die antifaschitische Mobi wird ein Selbstläufer sein. Schließlich ziehen erfolgreiche Events die Antifa-Szene magisch an. In Dresden „ging ja was“ 2010 und so kann auch der nächste Aufruf für Dresden unverfänglich, allgemein und vor allem „gegen Nazis“ sein. Dass mensch dabei dem Dresdner Opferdiskurs einen Bärendienst erweist, scheint bei einer solchen Erlebnisbefriedigung sekundär zu sein. Das sollte es aber nicht. Auch wenn es weniger massenkompatibel ist und für Widerspruch sorgen wird gehört beides fokussiert: bürgerliches Gedenken und Nazi-Aufmarsch. Dabei geht es uns nicht um Polemik a la „Bomber Harris“ (was eher eine Bankrott-Erklärung in Sachen Kritikvermittlung von Teilen der Antifa zu sein scheint) sondern darum sich beidem gemeinsam entgegen zu stellen. Hier geht es nicht nur um Action auf der Straße sondern auch um inhaltliche Kritik und eine deutliche Positionierung gegen Nationalismus jeglicher Ausprägung, mag jener nun modernisiert und geläutert oder aber auch stur und beharrend daher kommen.Genau dies macht für uns der 13. Februar in Dresden zu einer brisanten Aufgabe und nicht die Quantitäten.