(K)Eine Antirademo ohne Zecken!

Die Genoss*innen von Dissens haben anlässlich der Demo am Samstag einen ausführlichen Kommentar zur Unmenschlichkeit der Asylpolitik geschrieben. Die aktuellen Verschärfungen des Asylrechts werden dort als Ergebnis einer Arbeitsteilung zwischen faschistischem Mob und bürgerlicher Politik analysiert, die Ignoranz der bürgerlichen Zivilgesellschaft kritisiert. Der Anklage gegen die Verlogenheit der Standordschützer*innen können wir uns anschließen. Auch wir haben uns gewundert, wieso am Samstag so wenige auf der Straße waren — würden aber, um das zu verstehen, in mehrere Richtungen blicken:

Wo war die bürgerliche Zivilgesellschaft?
Wie Dissens eingangs in einem Nebensatz andeutet, gibt es da dieses zivilgesellschaftliche Milieu, das vor allem gegen Nazis auf die Straße geht. Und ja, das hat oft einen Touch von „Volksgemeinschaft gegen Rechts“, also davon, „unsere“ (wie es dann heißt) großartige Demokratie gegen das bedrohliche Außen der Faschisten zu beschützen. Womit die Tendenz einhergeht, zu übersehen, dass der Rassismus, der Sexismus, die Ausbeutung von den Demokrat*innen in Regierung und Verwaltung organisiert werden und dass — wenn wir mal Body-Count machen — die Grenzen der Festung Europa weitaus mehr Todesopfer fordern als die Nazi-Schläger auf der Straße. Und ja, das hat dann auch was von Not-in-my-Backyard — gegen Frontex kann man ja eh nix machen, deswegen demonstrieren wir zusammen mit denen, die Frontex finanzieren, gegen Nazis in unserem Viertel. Und eben nicht zusammen mit Geflüchteten und Rassismusbetroffenen gegen die Politik der Regierung.

Wo waren die Zecken?
Gleichzeitig war aber bei der GEAS-Demo ein anderes Segment der Linken kaum vor Ort — nämlich Linksradikale und Antifa. Obwohl linksradikale Gruppen, vor allem Dissens, für die Demo mobilisiert haben, ist es kaum gelungen, unser Milieu zur Teilnahme zu bewegen. Während die krasse Repression gegen Genoss*innen im Antifa-Ost-Verfahren zu großen Demos und vollmundigen Ankündigungen von Sachschaden führen, sind Vorgänge wie der Brand in einem Lager in Apolda und die aktuelle GEAS-Reform anscheinend nicht Skandal genug, um viele erlebnisorientierten Genoss*innen auf die Straße zu locken — dabei gäbe es Ziele genug vor Ort, und auch bei der Demo wäre ein solider Schutz vor Anfeindungen und Angriffen auf der Straße nicht schlecht gewesen.

Über die Gründe der schwachen Beteiligung von Linksradikalen können wir nur spekulieren. Inhaltlich oder politisch lässt sie sich kaum verstehen: Demonstriert wurde am vergangenen Samstag gegen die rassistischen Verhältnisse, die vor allem in Redebeiträgen auch in ihrem kapitalistischen Zusammenhang kritisiert wurden. Woran liegt es also? Wenn wir dazu Mutmaßungen anstellen, sind wir schnell bei kulturpessimistischen Ideen über ritualisierte Abgrenzung, Fragmentierung der Öffentlichkeit durch Social Media oder halbierter Radikalität, die nur noch in klugen Texten stattfindet, nicht im gemeinsamen Handeln. Also: Was denkt ihr? Schreibt uns gerne, wenn Ihr Ideen dazu habt.

Was auch immer die Gründe sind, bei der nächsten Antira-Demo, die von selbstorganisierten Gruppen organisiert werden, hoffen wir auf eine weitaus breitere Beteiligung aus der linksradikalen Szene.