Morgen, am 10.3.2012, wird in Saalfeld unter dem Motto „Damals wie heute. Rechten Konsens brechen“ demonstriert. Aber was war eigentlich „damals“?
Schon Anfang der 1990er-Jahre zeichnete sich ab, dass die Region Saalfeld/Rudolstadt eine Hochburg der rechten Szene war. Am 17. August 1992 fand in Rudolstadt ein bundesweiter Hess-Marsch statt, bei dem 2500 Nazis ungestört durch die Straßen ziehen konnten. Kaum ein halbes Jahr später trafen sich verschiedene Nazivereine drei Tage lang unter dem Schutz von Polizei und Wiking-Jugend. Die Straßen waren in dieser Zeit fest in der Hand organisierter Nazis. Überfälle häuften sich, wer sich ihnen entgegen stellte, wurde verfolgt, bedroht, zuhause überfallen. Bei Volksfesten gab es Jagdszenen wie 10 Jahre später in Müggeln, nur mit dem Unterschied, dass das im Saalfeld der 1990er-Jahre niemanden aufregte – Bevölkerung, Medien, Verwaltung und Politik einte die Überzeugung, dass es keinen Rechtsextremismus in Saalfeld gebe, höchstens ein Problem mit gewaltbereiten Jugendcliquen. Folgerichtig wurden Antifas nicht nur von Nazis angegriffen: Von staatlicher Seite gab es Hausdurchsuchungen, bei denen es zu mysteriösen Drogenfunden bei drogenfrei lebenden AktivistInnen kam. Linke und Alternative wurden abgehört und observiert, einmal wurden Besucher eines Hardcore-Konzerts auf der Straße mit gezogener Waffe kontrolliert, ein anderes mal versuchte die Polizei die Türe eines linken Wohnprojekts zu sprengen.
Um diesem rechten Konsens etwas zu entgegnen, rief ein breites Bündnis von lokalen Antifas und der LAG Antifa/Antira zu einer Demonstration „gegen den rechten Konsens“ am 11.10.1997 in Saalfeld auf. Damit begann erst so richtig die Hexenjagd gegen den Antifaschismus. Fast alle lokalen Akteure gerieten völlig aus dem Häuschen darüber, dass ihr braunes Scheißkaff bundesweit als Nazihochburg in die Schlagzeilen geraten könnte. Vor allem lokal distanzierten sich auch Kräfte, von denen man eigentlich erwartet hätte, dass sie sich zumindest pro Forma antifaschistisch positionieren würden – wie die SPD und Teile der GRÜNEN. Die Stadtverwaltung und der Stadtrat Saalfeld veröffentlichte einen Offenen Brief gegen ihrer Meinung nach haltlose Unterstellung. In den Medien begann eine beispiellose Hetze, dem Innenminister gelang es, ein Schreckgespenst von „Chaostagen in Saalfeld“ an die Wand zu malen und die öffentliche Meinung stark gegen die Bündnisdemo zu beeinflussen. In diesem politischen Klima war es leicht für die Versammlungsbehörde von Saalfeld, die Demonstration zu verbieten. Infolge dessen wurden am 11.10. an die 500 anreisende DemonstrantInnen in Gewahrsam genommen, weitere 1400 demonstrierten an verschiedenen anderen Orten gegen das Verbot – u.A. blockierten die aus Berlin angereisten Busse bei Eisenberg mehrere Stunden lang die Autobahn A9.
Was der Heimatschutz aus der Mitte der Gesellschaft eigentlich hatten verhindern wollen, trat danach um so heftiger ein: Bundesweit wurde darüber diskutiert, wie man mit dem rechten Konsens in der Provinz umgehen könne. An der folgenden Demonstration am 14.3.1998 nahmen dann auch erwartungsgemäß mehr als 5000 Menschen teil. Um einer Verbotsverfügung schon im Vorfeld zu begegnen, hatte man sich einen erfahrenen Anwalt besorgt und bundesweite Polit-Prominenz in die Vorbereitung mit einbezogen. Trotzdem konterte die Versammlungsbehörde mit völlig absurden Auflagen und einem riesigen Polizeiaufgebot, dass sich dann auch prompt austoben musste. Auf dem Weg zur Demo fanden umfangreiche Durchsuchungen statt. Später prügelte dann an einem Kreisverkehr in Gorndorf ein bayrisches USK auf DemonstrantInnen ein – wohlbemerkt nicht auf den heraufbeschworenen Schwarzen Block, sondern auf einen völlig gemischten Teil der Demo. Brave StudentInnen, Familien mit Kindern, alte Leute bekamen hier zum ersten Mal Schläge mit dem Polizeiknüppel – eine Erfahrung, die noch Jahre später das gesunde Misstrauen eines Teiles der Zivilgesellschaft gegenüber dem Staatsapparat nährte.
Kaum zwei Wochen nach der Demo zeigte sich drastisch, wieviel von dem Märchen, Saalfeld habe kein Problem mit Rechts, zu halten war: Am 26. März 1998 wurde eine junge Frau aus der linksalternativen Szene von einem Nazi erstochen. Eine Mahnwache am Tatort wurde von Nazis bedroht und von einem Anwohner auf die andere Straßenseite verwiesen. Er machte sich Sorgen um seinen Gartenzaun.
Eines der Plakate für die später verbotene Saalfeld-Demo am 11.10.1997
Vorsicht, die Chaoten kommen – Bahnhofsvorplatz Saalfeld am 14.3.1998
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Auch der DGB-Landesvorsitzende Frank Spieht
Trotzdem kommt eine große Bündnisdemo zusammen
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