Samstag Nachmittag in der Thüringer Kleinstadt Bad Langensalza: Die Sonne scheint, die Geschäfte sind bereits geschlossen und die meisten Bürger_innen der Stadt verbringen das angebrochene Wochenende im Garten oder an Omas Kaffeetafel. Vor dem Bahnhof treffen sich unterdessen rund 200 Personen, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Kur- und Rosenstadt seit 2010 nicht nur die NPD-Landeszentrale beherbergt, sondern auch Redaktionssitz diverser Postillen sowie Veranstaltungsort für Rechtsrockkonzerte ist. All dies bündelt das „Bürohaus Europa“ am Rande der Stadt, das auch Zielpunkt der Demonstration unter dem Motto „Nachmieter gesucht – Weg mit dem NPD Zentrum in Bad Langensalza“ sein sollte. Gefolgt waren diesem Aufruf nicht nur autonome Antifas, sondern zu sehen waren auch Fahnen von der Partei DIE LINKE, den JUSOS, oder Regenbogenfahnen mit der PACE-Aufschrift und ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift „Linke Kultur statt brauner Bude“. Kinder waren ebenso dabei wie Rentner_innen, dennoch dominierte die Farbe schwarz die ersten zwei Drittel des Demonstrationszugs, der sich schließlich mit rund einer Stunde Verspätung in Bewegung setzte.
Begleitet wurden die Demonstrant_innen von einem losen, unbehelmten Polizeispalier. Da die Veranstalter_innen großen Wert auf einen friedlichen Verlauf der Demonstration legten, wurde immer wieder an die Teilnehmer_innen appelliert, sich nicht auf Auseinandersetzungen einzulassen, umgekehrt mussten die Polizist_innen immer wieder darauf hingewiesen werden, dass für den Schutz der Versammlung die Ordner_innen zuständig seien und Transparente dafür da sind, dass man sie lesen kann. Auch die anwesenden Landtagsabgeordneten mussten sich immer mal wieder beschwichtigend einmischen, dennoch war die Stimmung überwiegend entspannt.
Ort der ersten Zwischenkundgebung war der sog. Nackte Reiter. Die Redner_innen machten nochmals deutlich, warum man an diesem Tag in Bad Langensalza auf die Straße gegangen war und welche Bedeutung das „Bürohaus Europa“ für die Naziszene im Freistaat, aber auch über Thüringens Landesgrenzen hinaus besitze. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass man dafür einen langem Atem brauche sowie ein breites gesellschaftliches Bündnis, das sich dem Anliegen anschließe. Ein Redner betonte darüber hinaus, dass das Problem nicht nur bei den organisierten Nazis zu suchen sei, sondern auch bei einem Staat der sich nicht an seine eigenen Ideale wie Menschenwürde und gleiche Rechte halte. Angeprangert wurde eine rassistische Gesetzgebung, die Flüchtlinge diskriminiere, an den gesellschaftlichen Rand stelle und psychisch zerstöre. Auch die solidarischen Grüße des 82-jährigen Auschwitzüberlebenden Horst Walkling-Röhn wurden überbracht, der leider krankheitsbedingt nicht selbst sprechen konnte. Er forderte die Teilnehmenden auf, beim Kampf gegen rechte Tendenzen in der Gesellschaft nicht locker zu lassen und wünschte dem antifaschistischen Kampf viel Erfolg.
Durch die malerische Altstadt und vorbei an einer von Ordnungsamtsmitarbeiter_innen und Polizist_innen akribisch abgesicherten Straßenbaustelle ging es zum Ziel der Demonstration, dem bereits durch Farbbeutel bunter gewordenen „Bürohaus Europa“. Hier wurde noch einmal betont, dass sich die Ideologie des Herrenmenschentums, die für die durchs Fenster guckenden derzeitigen Mieter stünden, fundamental von der der Demonstrationsteilnehmer_innen unterscheide. Der Rückweg zum Bahnhof durch ein Wohngebiet wurde durch einen lautstarken Musikmix, der von den Rolling Stones über Ton Steine Scherben und Konstantin Wecker bis hin zu egotronic reichte, untermalt. Auch am Rande auftauchende Nazis und verbale Auseinandersetzungen mit der Polizei konnten die gute Stimmung unter den Demonstrant_innen nicht trüben.
Update:
Einen weiteren Bericht mit Fotos gibt es bei Indymedia.