Gema, ACTA, Kapital, … und Du?

Es ist kaum sechs Wochen her, da sind tausende auf die Straße gegangen, um gegen die Datensammelwut und den Ausbau der Überwachung des Internets durch das ACTA-Abkommen zu protestieren. Die Bundesregierung hat ihre Ratifizierung danach zurückgezogen. Aber der größte Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung kommt heutzutage nicht vom Staat. Es sind die Googles, Facebooks und Amazons dieser Welt, die weit mehr über die Masse ihre Kund_innen wissen, als jeder Geheimdienst sich jemals hätte träumen lassen. Niemand wird dazu gezwungen, intime Details im Netz preiszugeben, trotzdem machen alle mit. Das Online-Spiel Data Dealer macht die Logik der Datenkraken sichtbar, indem die Spieler_innen in die Rolle eines Internet-Unternehmens schlüpfen. Deutlich wird dabei vor allem eins: Wenn etwas kostenlos ist, bist höchstwahrscheinlich Du das Produkt.

Unser Angebot ist dagegen: Wer bei der nächsten Infoladen-Öffnungszeit am 2. April die Mitgliedschaft in einem Social Network kündigt, bekommt dafür eine kostenlose und anonyme Mailadresse bei einem unkommerziellen und linken Mailprovider, der keine Logs anlegt und für deutsche Behörden nicht erreichbar ist!

Hausdurchsuchungen bei Brandt und Dienel

Ab Mittwoch morgen fanden in Sachsen und Thüringen mehrere Hausdurchsuchungen wegen groß angelegtem Versicherungsbetrug statt. Die Staatsanwaltschaft Gera vermutet, dass ein zum Gutteil der rechten Szene zugehöriger Personenkreis mehrere Scheinfirmen gegründet hat, um dort pro Forma Beschäftigten über fingierte Unfälle Versicherungsleistungen zukommen zu lassen. Unter den Verdächtigen befinden sich Tino Brandt (ehemals Chef des Thüringer Heimatschutz) und Thomas Dienel (ehemals Funktionär bei jedem rechten Klüngel, der ihn genommen hat) — beides früher V-Männer des Thüringer Verfassungsschutz. Bei Brandt wurde zudem nach Waffen gesucht. Mehr dazu bei der Leipziger Internetzeitung und dem MDR.

Von Kulturgütern und anderen Verbrechen

Fronttransparent der Demo gegen die Messe Reiten - Jagen - Fischen in Erfurt
„Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich – aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wär[e] man nie dabei gewesen.“

Kontrastreicher hätte sich Erfurt an diesem Märztag wohl kaum präsentieren können. So schallt es aus einhundert Mündern „Blut, Blut an euren Händen“, formt sich zu einem Echo entlang der umliegenden Altbaufassaden und verliert sich schließlich, kaum wahrnehmbar auf dem sich in Sichtweite befindenden Domplatz. Dort zelebriert die Stadt feierlich die Eröffnung einer neuen Bratwurstsaison. Doch diese radikale Komposition aus Empathie und Rücksichtslosigkeit ist weder zufällig arrangiert noch wird sie die einzige an diesem Tag bleiben.

Denn jährlich grüßt die Tierquälerei aus dem Thüringer Messegelände und labelt diese Zusammenkunft „Reiten, Jagen und Fischen“. Zeitgleich formierte sich aber auch in diesem Jahr ein antispeziesistischer Demonstrationszug auf dem Vorplatz des Erfurter Hauptbahnhofes. Kraftvolle Sprechchöre begleiteten diesen auf seinem Weg zur ersten geplanten Zwischenkundgebung am Verkehrsknotenpunkt „Anger“.
Aus der Lautsprecheranlage, die wohl nicht grundlos auf die nächstgelegene „Nordsee“-Filiale ausgerichtet war, tönten zwei ausführliche Redebeiträge, die das Verhältnis von menschlichen und nicht-menschlichen Individuen in der Fischerei, wie auch in der Praxis des Reitens kritisch reflektierten. So brechen neueste wissenschaftliche Studien endgültig mit einem der hartnäckigsten Mythen der Anglergemeinschaft, indem sie zeigen, dass im Wasser lebende Wirbeltiere durchaus Schmerzen empfinden.

Vor den Schaufenstern der Modegeschäfte „Breuninger“ und „Natur Pur“ kam es zu zwei weiteren Unterbrechungen. Dort gehaltene Beiträge kritisierten die erbarmungslose Unterwerfung tierischer Existenz, repräsentiert durch Leder-,Woll- und Pelzwaren, unter die kapitalistische Verwertungslogik. Fraglich ist jedoch, ob jene Worte auch jenseits der Polizeispaliere vor den Eingangstüren der beiden Modehäusern wahrgenommen werden.

Im Hirschgarten fand die Demonstration ihren Abschluss. Ein letzter Redebeitrag entlarvte die Identifikation der modernen Jagdpraxis mit dem Naturschutzes als Maskerade. Weiterhin setze sich dieser inhaltlich mit dem Duktus der Jägersprache auseinander, welcher die Einzigartigkeit individueller Existenz der von Jagd betroffenen Lebewesen auf den Begriff „Stück“ reduziert. Da Jagd heute in Europa nicht mehr zur Nahrungsversorgung notwendig ist, bleibt festzustellen, dass sie den Ausübenden als bloße Befriedigung von Machtgelüsten dient.

Gegen 14:30 versammelten sich dann ungefähr 90 Person zu einer angemeldeten Kundgebung vor dem Eingang der Messe „Reiten, Jagen und Fischen“. Neben der Verteilung von Infomaterial konfrontierten die Protestierenden lautstark das betäubte Gewissen der passierenden Besucherströme mit den unschönen Realitäten ihrer „Hobbies“.

Im Angesicht der zahlreichen MessebesucherInnen muss wohl abschließend konstatiert werden, dass es sich sowohl bei Demonstration, als auch der nachfolgenden Kundgebung nur um einen verzweifelten Tropfen Mitgefühl auf dem glühenden Rostgrill einer Gesellschaft, zu deren wichtigsten Kulturgütern die Bratwurst gehört, handelt.
Es bleibt also nur zu hoffen, dass die Potentiale eines antispeziesistischen Diskurses innerhalb der linken Bewegung, gerade in der Analyse von Diskriminierungsmechanismen nicht verloren gehen.

Denn wie Leo Tolstoi schon treffend formulierte: „Solange es Schlachthöfe gibt, wird es Schlachtfelder geben.“

Lesen gegen Rassismus

Anlässlich der geplanten Sarrazin-Lesung haben wir unseren Buchbestand bezüglich Rassismus/Antirassismus durchgesehen und u.A. durch Bücherspenden aktualisiert. Wir danken den Spender_innen und möchten hier auf einige ausgewählte Bücher und Materialien hinweisen.

Wie Rassismus über die Presseberichterstattung zum Thema Kriminalität hergestellt wird, hat das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) untersucht und die Ergebnisse im Sammelband Von deutschen Einzeltätern und ausländischen Banden veröffentlicht. Das Buch legt dar, wie fünf Tageszeitungen und der SPIEGEL in der Berichterstattung Fremdheit konstruieren und Flüchtlinge und Migrant_innen als gefährliche Gruppe dargestellt werden. Die Untersuchung ist eingebettet in eine Darstellung der politischen Lage in Bezug auf Rassismus in den späten 1990er-Jahren und endet mit einem Leitfaden für die Vermeidung diskriminierender Berichterstattung. Methodisch steht das DISS für kritische Diskursanalyse, was vielleicht kompliziert klingt, aber für Wissenschaft auf jeden Fall sehr lesbar und verständlich ist.

Aus der Perspektive Kritischer Psychologie betrachtet Uto Osterkamp Rassismus als Selbstentmächtigung. Der so betitelte Sammelband ist beim Argument-Verlag erschienen und bündelt Texte aus 10 Jahren Forschungsarbeit einer Projektgruppe aus Wissenschaftler_innen, Flüchtlingen, und Praktiker_innen aus der Flüchtlingsarbeit. Entsprechend bietet das Buch eine Reflexion der Alltagspraxis im Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland sowie politische und theoretische Überlegungen z.B. zu institutionellem Rassismus oder zur Funktion der Psychologisierung von „Ausländerfeindlichkeit“. Auch diesem Buch gelingt es größtenteils, komplizierte Zusammenhänge gut lesbar zu formulieren.

Eine Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs liefert der Soziologe und Politologe Robert Miles mit seinem Werk Rassismus, ebenfalls erschienen bei Argument. Das Buch gilt als eines der Standardwerke der Rassismusforschung und legt überzeugend die Entstehungsgeschichte der modernen Vorstellung einer Gliederung der Menschen in „Rassen“ als soziale Konstruktion bzw. Ideologie dar. Weiter diskutiert Miles die Vor- und Nachteile verschiedener Rassismuskonzepte und verbindet diese mit anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit in seiner Definition von Rassismus als wirkmächtige Ungleichheitskonstruktion, die mit materiellen oder symbolischen Ausschlüssen einhergeht. Das Buch folgt mehr als die beiden vorherigen den Regeln wissenschaftlicher Literatur, ist aber didaktisch brillant geschrieben und daher auch für Nicht-Soziolog_innen mehr als lesenswert.

Wie die Mehrheitsgesellschaft Fremdheit herstellt, erklärt die Sozialwissenschaftlerin Birgit Rommelspacher mit dem Begriff Dominanzkultur. Der so betitelte Sammelband untersucht Rassismus, Sexismus und Nationalismus mit Blick auf die Normalitätskonstruktionen und Identitäten der Mehrheit. Das Buch ist im feministischen Orlanda Frauenverlag erschienen und nimmt z.T. schon 1995 vorweg, was in den letzten Jahren unter dem Stichwort Whiteness bzw. Weißsein diskutiert wird — die Untersuchung der Rassifizierung statt der Rassifizierten.

Eigentlich für die Bildungsarbeit geschrieben bietet der Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit neben zahlreichen Methoden auch Hintergrundtexte und Arbeitspapiere zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen im erweiterten Themenfeld Rassismus: Vorurteile, Eigen- und Fremdkonstruktion, Rassismus und Weltwirtschaft, Antisemitismus, Nation und Nationalismus, Rassismus und Sprache, etc. Die Bausteine richten sich an Teamer_innen und Aktivist_innen und bietet mehr als die anderen hier vorgestellten Bücher die Möglichkeit, auf wenige Seiten komprimiert gesellschaftspolitisch relevantes Wissen nachzulesen. Wer sich die Mühe macht, die Hintergrundtexte und/oder Arbeitspapiere aus dem umfangreichen Inhaltsverzeichnis raus zu suchen, findet z.B. einen fünfseitigen Grundlagentext darüber, wieso es sinnvoll ist, über Rassismus als gesellschaftlichem Verhältnis zu sprechen statt von Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenhass.

  • Von deutschen Einzeltätern und ausländischen Banden. Medien und Straftaten. Margarete Jäger, Gabriele Cleve, Ina Ruth, Siegfried Jäger (Hrsg.), Duisburg 1998. Im Infoladen unter MR47
  • Rassismus als Selbstentmächtigung. Ute Osterkamp, Hamburg 1996. Im Infoladen unter MR45
  • Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, Robert Miles, Hamburg 1991. Im Infoladen unter MR48
  • Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht. Birgit Rommelspacher, Berlin 1998. Im Infoladen unter MR46
  • Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit. DGB-Bildungswerk Thüringen, Erfurt 2003. Im Infoladen unter den Büchern, die einfach zu großformatig zum einsortieren sind oder online unter http://baustein.dgb-bwt.de

Mit dem Bus zu M31 nach Frankfurt und Mobiveranstaltung

m31 banner
Nun ist es sicher: wir fahren gemeinsam aus Thüringen mit einem Bus zu den Aktionen rund um M31 nach Frankfurt. Buskarten gibt es ab jetzt für 10€ im Infoladen Sabotnik (Montags von 17 bis 20 Uhr im Veto, Trommsdorffstraße 5, Erfurt), dem offenen Jugendbüro „Red Roxx“ (Mo – Fr von 14 – 19 Uhr Pilse 29, Erfurt) und im Wahlkreisbüro Heidrun Sedlacik (Mo von 10 – 13 Uhr, Di von 10 – 16 Uhr, Fr von 10 – 13 Uhr Gerberstraße 45, Pößneck).

Weitere Infos findet ihr auf der Thüringer Mobiseite m31thueringen.jimdo.com und bei march31.net/de.

Außerdem findet am 27. März um 20.00 Uhr eine Info- und Mobiveranstaltung im veto statt:

Vortrag und Diskussion
Krisentheorie und Krisenprotest

Seit mindestens 15 Jahren formuliert die marxistisch fundierte Wertkritik eine Krisentheorie, die am Ende darauf hinausläuft, dass der Kapitalismus früher oder später an seinen inneren Widersprüchen zugrunde gehen wird. Ließt man heute in der Zeitung von Staatsbankrotts, Bankencrashs und Rettungspaketen, sieht es so aus, als ob der Zeitpunkt des Zusammenbruchs näher rückt. Aber die vielbeschworene Krise ist keine Frage der Wirtschaftspolitik, sondern lässt sich theoretisch aus den Grundkategorien des kapitalistischen Systems ableiten. Wie das geht, erklärt Christian Höner (Autor in der KRISIS und den Streifzügen) im ersten Teil der Veranstaltung.

Selbst wenn die Tendenz zum Zusammenbruch im Kapitalverhältnis angelegt ist, bleibt die Frage, ob der Kapitalismus nicht doch am einen kleinen Schubser braucht, um endgültig in die Grube zu fahren. Außerdem besteht immer noch die Gefahr, dass am Ende eine noch barbarischere Alternative steht. Dass es aus beiden Gründen heraus angebracht ist, sich gegen das zerbröchttp://veto.blogsport.de/kelnde System (anti)politisch zu organisieren, behauptet Karl Meyerbeer und informiert im zweiten Teil der Veranstaltung über den für den 31.3. geplanten Europäischen Aktionstag gegen Kapitalismus.

27. März, 20.00 Uhr
Veto (Tromms­dorff­s­tr. 5, Erfurt)

Queererabend

Diskussion: Was ist ein queerer Raum?

In Erfurt gibt es irgendwie keinen queeren Raum. Jedenfalls nicht so, wie wir ihn uns vorstellen könnten. Normative Räume, wo mackerhaftes Verhalten willkommen ist und das Heteronormative unwidersprochen bleibt, gibt es ohne Ende. Wie lässt sich also ein anderer Raum herstellen? Z.B. im Veto… Und… Was ist eigentlich ein queerer Raum? Ist dieser sichtbar? Liegt dieser im Auge der Betrachter_in? Ist er etwas, das Menschen tun? Etwas, das gut vorbereitet sein muss? Ist er beweglich? Braucht er eine bestimmte Umgebung? Ist es wichtig, wo er sich positioniert? Und wer positioniert eigentlich was? Und mit welcher Absicht? Handelt es sich um eine Strategie? Eine Denkbewegung? Mit festgelegten Normen? Und möglichst viel Glitzer? Oder ist ein queerer Raum der Schritt ins Ungewisse?

Am 26.03 um 19 Uhr im Veto

mehr: wi(e)derdienatur

Critical Mass Erfurt

„Wir behindern nicht den Verkehr,
Wir sind der Verkehr

Critical Mass ist eine Bewegung, die auf die Belange von Radfaher_innen im Straßenverkehr aufmerksam machen will. Wir fordern die stärkere Berücksichtigung der Radfaher_innen bei der Verkehrsplanung in Erfurt. Die Sperrung des Bahnhofstunnl und das löchrige Radwegnetz sind nur zwei Beispiele, die zeigen wie die Interessen von Erfuter Radfaher_innen ignoriert werden.“
sagt http://criticalmasserfurt.blogsport.eu und lädt für morgen (Donnertstag den 22. März) zu einer Critical Mass — Treffpunkt 17 Uhr Willy-Brandt Platz.

Flugblatt: Rassismus bekämpfen!

Flugblatt: Rassismus bekämpfen!
Rechtsterrorismus hat eine lange Tradition in Deutschland. Die Mordtaten des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ sind dabei ein weiterer Höhepunkt. Neun Menschen, die den Tätern nicht deutsch genug aussahen, wurden hingerichtet. Das Motiv: Rassismus. Wir nehmen diesen Umstand zum Anlass um Rassismus auf die Tagesordnung zu setzen. Nazis sollten nicht länger ungehindert agieren können. Wir wollen nicht weiter wegschauen wenn uns Rassismus im Alltag, auf der Straße, in der Schule, im Supermarkt oder wo auch immer begegnet.

Nazis morden
Nicht nur als Terrorzelle, strategisch gezielt und geplant, töten Nazis Menschen die nicht in ihr braunes Weltbild passen. Laut „Mut gegen rechte Gewalt“ starben seit der Wiedervereinigung mindestens 182 Menschen durch rechte Gewalt. Den Taten vorausgegangen sind unzählige rechte Veranstaltungen, Demonstrationen und Aktionen die die Täter besuchten oder an denen sie beteiligt waren. Menschenverachtender Rassismus und Sozialdarwinismus gehören dort zum guten Ton.
Weiterlesen

Gemeinsam zu M31 nach Frankfurt

Mit einem Bus zu M31 - Europäischer ktionstag gegen den Kapitalismus
Im Rahmen des internationalen Aktionstages gegen Kapitalismus „M31“ finden am 31. März eine Demonstration und weitere Aktionen in Frankfurt statt. Wir wollen an diesem Tag gemeinsam aus Thüringen nach Frankfurt fahren um an den Aktionen teil zu nehmen. Aus diesem Grund sind momentan mehrere Gruppen und Einzelpersonen dabei einen Bus zu organisieren. Noch ist nicht klar ob ein Bus fahren wird. Doch es wird um so wahrscheinlicher je mehr Menschen mit fahren wollen. Daher bitten wir darum euch bei Interesse möglichst schnell unter m31thueringen[ät]riseup.net bei uns zu melden.

Weitere Infos zum Aktionstag gibt es unter march31.net.

Saalfeld damals

Den rechten Konsens durchbrechen - Saalfeld 1997/1998Morgen, am 10.3.2012, wird in Saalfeld unter dem Motto „Damals wie heute. Rechten Konsens brechen“ demonstriert. Aber was war eigentlich „damals“?

Schon Anfang der 1990er-Jahre zeichnete sich ab, dass die Region Saalfeld/Rudolstadt eine Hochburg der rechten Szene war. Am 17. August 1992 fand in Rudolstadt ein bundesweiter Hess-Marsch statt, bei dem 2500 Nazis ungestört durch die Straßen ziehen konnten. Kaum ein halbes Jahr später trafen sich verschiedene Nazivereine drei Tage lang unter dem Schutz von Polizei und Wiking-Jugend. Die Straßen waren in dieser Zeit fest in der Hand organisierter Nazis. Überfälle häuften sich, wer sich ihnen entgegen stellte, wurde verfolgt, bedroht, zuhause überfallen. Bei Volksfesten gab es Jagdszenen wie 10 Jahre später in Müggeln, nur mit dem Unterschied, dass das im Saalfeld der 1990er-Jahre niemanden aufregte – Bevölkerung, Medien, Verwaltung und Politik einte die Überzeugung, dass es keinen Rechtsextremismus in Saalfeld gebe, höchstens ein Problem mit gewaltbereiten Jugendcliquen. Folgerichtig wurden Antifas nicht nur von Nazis angegriffen: Von staatlicher Seite gab es Hausdurchsuchungen, bei denen es zu mysteriösen Drogenfunden bei drogenfrei lebenden AktivistInnen kam. Linke und Alternative wurden abgehört und observiert, einmal wurden Besucher eines Hardcore-Konzerts auf der Straße mit gezogener Waffe kontrolliert, ein anderes mal versuchte die Polizei die Türe eines linken Wohnprojekts zu sprengen.

Um diesem rechten Konsens etwas zu entgegnen, rief ein breites Bündnis von lokalen Antifas und der LAG Antifa/Antira zu einer Demonstration „gegen den rechten Konsens“ am 11.10.1997 in Saalfeld auf. Damit begann erst so richtig die Hexenjagd gegen den Antifaschismus. Fast alle lokalen Akteure gerieten völlig aus dem Häuschen darüber, dass ihr braunes Scheißkaff bundesweit als Nazihochburg in die Schlagzeilen geraten könnte. Vor allem lokal distanzierten sich auch Kräfte, von denen man eigentlich erwartet hätte, dass sie sich zumindest pro Forma antifaschistisch positionieren würden – wie die SPD und Teile der GRÜNEN. Die Stadtverwaltung und der Stadtrat Saalfeld veröffentlichte einen Offenen Brief gegen ihrer Meinung nach haltlose Unterstellung. In den Medien begann eine beispiellose Hetze, dem Innenminister gelang es, ein Schreckgespenst von „Chaostagen in Saalfeld“ an die Wand zu malen und die öffentliche Meinung stark gegen die Bündnisdemo zu beeinflussen. In diesem politischen Klima war es leicht für die Versammlungsbehörde von Saalfeld, die Demonstration zu verbieten. Infolge dessen wurden am 11.10. an die 500 anreisende DemonstrantInnen in Gewahrsam genommen, weitere 1400 demonstrierten an verschiedenen anderen Orten gegen das Verbot – u.A. blockierten die aus Berlin angereisten Busse bei Eisenberg mehrere Stunden lang die Autobahn A9.

Was der Heimatschutz aus der Mitte der Gesellschaft eigentlich hatten verhindern wollen, trat danach um so heftiger ein: Bundesweit wurde darüber diskutiert, wie man mit dem rechten Konsens in der Provinz umgehen könne. An der folgenden Demonstration am 14.3.1998 nahmen dann auch erwartungsgemäß mehr als 5000 Menschen teil. Um einer Verbotsverfügung schon im Vorfeld zu begegnen, hatte man sich einen erfahrenen Anwalt besorgt und bundesweite Polit-Prominenz in die Vorbereitung mit einbezogen. Trotzdem konterte die Versammlungsbehörde mit völlig absurden Auflagen und einem riesigen Polizeiaufgebot, dass sich dann auch prompt austoben musste. Auf dem Weg zur Demo fanden umfangreiche Durchsuchungen statt. Später prügelte dann an einem Kreisverkehr in Gorndorf ein bayrisches USK auf DemonstrantInnen ein – wohlbemerkt nicht auf den heraufbeschworenen Schwarzen Block, sondern auf einen völlig gemischten Teil der Demo. Brave StudentInnen, Familien mit Kindern, alte Leute bekamen hier zum ersten Mal Schläge mit dem Polizeiknüppel – eine Erfahrung, die noch Jahre später das gesunde Misstrauen eines Teiles der Zivilgesellschaft gegenüber dem Staatsapparat nährte.

Kaum zwei Wochen nach der Demo zeigte sich drastisch, wieviel von dem Märchen, Saalfeld habe kein Problem mit Rechts, zu halten war: Am 26. März 1998 wurde eine junge Frau aus der linksalternativen Szene von einem Nazi erstochen. Eine Mahnwache am Tatort wurde von Nazis bedroht und von einem Anwohner auf die andere Straßenseite verwiesen. Er machte sich Sorgen um seinen Gartenzaun.

Plakat Demo Saalfeld 11.10.1997
Eines der Plakate für die später verbotene Saalfeld-Demo am 11.10.1997

Bahnhofsvorplatz Saalfeld abgesperrt 1998
Vorsicht, die Chaoten kommen – Bahnhofsvorplatz Saalfeld am 14.3.1998

Polizei durchsucht Anifaschistin in Saalfeld 1998
Alle werden durchsucht

Polizei durchsucht Frank Spieth in Saalfeld 1998
Auch der DGB-Landesvorsitzende Frank Spieht

Demonstration gegen jeden rechten Konsens in Saalfeld am 14.3.1998
Trotzdem kommt eine große Bündnisdemo zusammen

Mehr dazu:

Damals wie heute – rechten Konsens brechen!

Damals wie heute – rechten Konsens brechen! Demo am 10. März in Saalfeld

Antifademo am 10.03.2012 14 Uhr, Bahnhof Saalfeld

In den letzten drei Jahren fanden im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt mindestens 22 Konzerte der rechten Szene statt. Die Nazis verfügen mit dem „Alten Labor“ in Unterwellenborn, dem „Ostfeld 0“ in Schmiedefeld und der „Schwedenschanze“ in Deesbach über mehrere Locations, um regelmäßig Veranstaltungen durchführen zu können. Wäre es nach den Wählerinnen und Wählern im Landkreis gegangen, säße die NPD im Thüringer Landtag. Sie erzielte bei der Wahl 2009 hier das beste Ergebnis. Das Auftreten vom Freien Netz Saalfeld und der NPD wurde in der Vergangenheit immer offensiver und gipfelte schließlich am 03. März 2012 in den Spontandemonstrationen durch die Saalfelder Innenstadt und den Stadtteil Gorndorf.

Update:
Zugtreffpunkt für die gemeinsame Fahrt aus Erfurt ist um 12.30 Uhr am Hbf.

Weiterlesen bei damalswieheute.blogsport.de

Was tun, wenns brenn(er)t? „Verdeckte Ermittler & staatliche Repression“

Vortrag zum Heidelberger Spitzelskandal // 07. März // 19.00Uhr // RedRoXX

Fast ein Jahr lang gewann der Verdeckte Ermittler Simon Bromma Einsicht in politische Aktivitäten und private Bereiche links orientierter Personenkreise in Heidelberg und Umgebung. Getarnt als ordentlich immatrikulierter Student „Simon Brenner“ sammelte er ab Winter 2009 umfangreiche Informationen über Struktur-en und Einzelpersonen, bis er am 12.12.2010 zufällig enttarnt werden konnte. Das Vorgehen von Staat und Heidelberger Polizeidirektion, die noch weitere, bisher unbekannte Verdeckte ErmittlerInnen Heidelberg eingesetzt hatten, ist schockierend, aber Teil zunehmender Repression – vor allem gegen die außerparlamentarische Antifa-Szene, das eigentliche Einsatzziel der Spitzel. Ein Bericht der ins polizeirechtsstaatliche Visier geratenen „Zielperson“ und über die von sieben Menschen angestrengte Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den mit geheimdienstlichen Methoden widerrechtlich durchgeführten Einsatz. Mehr Infos auf spitzelklage.blogsport.de.

Eine Veranstaltung der Linksjugend [’solid] Thüringen in Zusammenarbeit mit der roten Hilfe Erfurt und dem offenen Jugendbüro RedRoXX. Gefördert durch den Freistaat Thüringen.

Saalfeld: Mehrere nächtliche Nazi-Demos

Zum wiederholten Male sollte ein Nazi-Konzert im „Alten Labor“ in Unterwellenborn, einer Nachbargemeinde von Saalfeld, stattfinden, welches aber von der Polizei verhindert wurde. Anmelder war wie üblich Steffen Richter, der in den letzten Jahren für eine Vielzahl von Veranstaltungsanmeldungen in der Umgebung von Saalfeld verantwortlich war. Das Konzert war am Freitag von der Gemeinde Unterwellenborn verboten worden, dieses Verbot wurde jedoch anschließend vom Verwaltungsgericht Gera wieder aufgehoben.
Allerdings wurden die im Januar nach einer Gefahrenverhütungsschau vom Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt erlassenen Brandschutzauflagen nicht erfüllt, sodass das Verbot für öffentliche Veranstaltungen im „Alten Labor“ in Kraft trat.

Nachdem die aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Nazis von der Polizei in Unterwellenborn abgewiesen wurden, sammelten sich nach Polizeiangaben etwa 30, nach Augenzeugenberichten jedoch etwa 50 gewaltbereite Rechte und zogen mit einer Spontandemonstration durch die Innenstadt von Saalfeld um gegen dieses Verbot zu protestieren.

Weiterlesen bei der Antifaschistischen Aktion Saalfeld.

236 Unterzeichner_innen fordern Absage der Sarrazin-Lesung

Nein zu Rassismus in Politik, Alltag und Institutionen
54 Institutionen und Vereine und 182 Einzelpersonen haben heute in einem Offenen Brief die Absage der vom DASDIE-Brettl geplanten Lesung mit Thilo Sarrazin gefordert. Die Lesung bediene “rassistische, sozialchauvinistische und biologistische Einstellungen”, die in der Bevölkerung viel zu stark verbreitet seien. Gleichzeitig verwahrt sich das Bündnis gegen den Vorwurf der Zensur, der inzwischen nicht nur vom Veranstalter, sondern auch von der NPD Thüringen erhoben wird. Dagegen heißt es in dem Offenen Brief: “Obwohl Sarrazin derjenige ist, der massiv Ausgrenzung betreibt, stellt er sich als Opfer einer „political correctness“ Kampagne dar, die ihn in seiner Meinungsfreiheit beschneiden würde.” Gerade dass Sarrazins Buch über eine Million mal verkauft und dem Autor bereits in zahlreichen Veranstaltungen eine Bühne geboten wurde, macht deutlich, dass es sich beim Zensur-Vorwurf um eine Strategie handelt, die nur dazu dient, weit verbreitete Ressentiments als unterdrückte Minderheitenmeinung darzustellen, um ihnen dadurch den Bonus des Tabubruchs zu verschaffen.

Die durch die Lesung beförderte Stärkung und Verbreitung rechter Thesenvergrößern nach Ansicht der Unterzeichner_innen des Offenen Briefes den Nährboden für rechte Gewalt. Allein aus diesem Grunde sei es angezeigt, die Lesung abzusagen. Weiter wies das Bündnis darauf hin, dass die Schützenhilfe der NPD Thüringen – die gleichzeitig auch zum Besuch der Lesung aufruft – deutlich mache, wie sehr die Sarrazin’schen Thesen eine Brücke zwischen rassistischen und sozialdarwinistischen Ressentiments der sogenannten Mitte der Gesellschaft und der Gedankenwelt des Nazifaschismus schlagen.

Weitere Infos: Offener Brief an das DASDIE-Brettl, Website des Bündnisses „Sarrazin absagen“

Konfikte zwischen den Bewegungen und der Regierung Boliviens

Seit nunmehr 5 Jahren ist Evo Morales Präsident Boliviens. Er begann seine Regierungszeit mit dem Versprechen an die indigene Bevölkerung: „Ich gebe Euch Eure Würde zurück“. Dafür leiteten Morales und die Bewegung zum Sozialismus (MAS) einen Prozess des Wandels ein, der einschneidende gesellschaftliche Veränderungen vorsah. Was ist daraus geworden? Eine Zwischenbilanz.

Referent: Bernd Löffler
Der Referent weilte im Oktober und November mit einer Jugendgruppe in Bolivien und berichtet über Beobachtungen sowie einem Kooperationsprojekt von Gruppen der sozialen Bewegungen in Bolivien und Deutschland.

Diskussion / Vortrag
28.02.2012 | 19:00 Uhr
Campus der Friedrich-Schiller-Universität, Jena
Mit Bernd Löffler (Erfurt)

Occupy okkupiert Anti-ACTA-Demo in Erfurt

Bei der zweiten Anti-ACTA-Demo in Erfurt zogen heute nur ca. 400 vorwiegend junge Leute durch Erfurt. Vermutlich wegen des Verlaufs der letzten Demo war die Polizei diesmal mit einem größeren Aufgebot vor Ort. Vielleicht aus Rache oder Frustration über den misslungenen Einsatz vor drei Wochen hat die Staatsgewalt auch gleich gezeigt, wer das Sagen hat und den TeilnehmerInnen das Tragen von Guy-Fawkes-Masken untersagt. Umfangreiche Personalienkontrollen waren nicht nötig — es hatten schon im Vorfeld über 950 Menschen im Internet öffentlich ihre Teilnahme an der Demo angekündigt.

Auch die DemoorganisatorInnen waren diesmal besser vorbereitet, anscheinend stark durch Occupy Thüringen besetzt — die auch gleich das Fronttransparent mitgebracht hatten. Ob das besser war, als die durch die Piratenpartei gestellte Demospitze der letzten Demo sei dahingestellt, das Anliegen Anti-ACTA wurde beide Male nicht sonderlich deutlich.

Von der Sponti vor zwei Wochen übernommen wurden die antikapitalistischen Parolen — „GEMA – ACTA – Kapital – Scheiße“, aber auch „Banken in die Schranken“, wobei letzteres eher verhalten gerufen wurde. Vielleicht, weil unklar war, was die letzteren denn mit Urheberrecht zu tun haben.

Nach einem gemütlichen Demo-Spaziergang durch die Innenstadt musste die Polizei am Ende noch Laufschritt einlegen, um die Konfrontation eines Teils der Demo mit einer Handvoll Nazi-Hooligans zu verhindern. Der andere Teil der Demo gedachte in der thüringischen Occupy-Tradition mit Kerzen der schwindenden Demokratie durch ACTA — was immer noch recht kurz gedacht ist, wenn man bedenkt, dass ACTA nur ein weiteres Rädchen in der mörderischen Maschinerie der kapitalistischen Weltwirtschaftsmaschine ist.

Rassismus ist nicht diskutabel – Sarrazin absagen!

Sarrazin halts Maul!Am 9. Mai soll Thilo Sarrazin aus seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ im Dasdie Brettl in Erfurt lesen. Um dies zu verhindern hat sich das Bündnis „Sarrazin absagen“ gegründet welches den Betreiber des Dasdies, Wolfgang Staub, dazu auffordert die Lesung abzusagen. In zwei Zeitungsartikeln von TLZ und TA kommt Staub nun zu Wort. Er will einen „sachlichen Diskurs“ ermöglichen und hält eine öffentliche Lesung mit dem rassisten Sarrazin für „demokratisch“. Ein Dr. Andreas Lindner fordert die „selbsternannten Zensoren“ (gemeint ist das Bündnis „Sarrazin absagen“) gar zur lektüre des Grundgesetzes auf.
Doch Rassismus ist nicht diskutabel. Und wer rassistischen, sozial-chauvinistischen und biologistischen Positionen ein Podium bietet beteiligt sich an der Verbreitung von Menschenverachtenden Einstellungen.

Hier die Pressemitteilung des Bündnissen:

Dass eine Woche vor dem durch ein Bündnis geplanten Veröffentlichungstermin ein Offener Brief zur angesetzten Sarrazin-Lesung in Erfurt in den Medien kursiert, ist in den engen sozialen Kontexten einer Stadt wie Erfurt nicht verwunderlich. Das Bündnis „Sarrazin Absagen“ wird wie vorgesehen noch bis zum 29. Februar weitere UnterstützerInnen des Offenen Briefes und der Aufforderung an Herrn Staub zur Absage der Sarrazin-Lesung sammeln und danach offiziell Herrn Staub und der Presse den Offenen Brief mit der Liste der UnterzeichnerInnen übergeben. “Dann stehen wir jedoch für ein – (gern auch öffentliches) – Gespräch mit Herrn Staub zur Verfügung. Wir bleiben deshalb bei unserem Zeitplan, damit möglichst viele Personen und Institutionen die Möglichkeit bekommen, sich der Forderung anzuschließen. Zudem haben die heutigen Veröffentlichungen für weitere UnterstützerInnen gesorgt. Diese sollen ebenso die Möglichkeit erhalten, mit ihrem Namen unter dem Offenen Brief an Herrn Staub aufgeführt zu sein”, betont eine Sprecherin des Bündnisses.
Das Bündnis verwahrt sich aber bereits jetzt entschieden gegen die Verleumdung, sie seien “selbsternannte Zensoren in Sachen der Sarrazin-Lesung” und achteten die im Grundgesetz verbriefte Meinungsfreiheit nicht, wie ein Dr. Andreas Lindner dem Bündnis öffentlich vorwirft. Zur Richtigstellung: Das Bündnis fordert gerade kein staatliches Verbot der Lesung oder des Buches. Das Bündnis wendet sich aber an einen privaten Veranstaltungsbetreiber mit der Aufforderung, einer Meinung, die im Kern rassistisch und biologistisch ist, nicht ein Podium und ein Publikum zu verschaffen. Damit manifestiert und befördert er einen gesellschaftlich verbreiteten Rassismus und verdient zudem damit noch Geld.

Rassistische Positionen sind nicht diskussionswürdig und ihnen darf kein zusätzliches Forum geboten werden. Es geht darum, Menschen vor Beleidigungen und verbalen Diskriminierungen durch Sarrazin und seine Anhänger zu schützen. Und nicht zuletzt ist es eine Mär, Thilo Sarrazin sei zu einer sachlichen Diskussion bereit. Zahlreiche Veranstaltungen mit ihm (wie zum Beispiel die Diskussion in der Münchener Reithalle im September 2010) haben dies widerlegt.

Weitere Infos: Website des Bündnis „Sarrazin absagen“, TLZ-Artikel, TA-Artikel

Veranstaltungsreihe: Der Mensch als Bezugspunkt von Moral und Kritik

Veranstaltungsreihe: Der Mensch als Bezugspunkt von Moral und Kritik
In den Nächsten Wochen veranstaltet das Bil­dungs­kol­lektiv Biko mehrere Vorträge unter dem Titel „Der Mensch als Bezugspunkt von Moral und Kritik – Leben und Sterben im Kapitalismus“:

Im Rahmen der Mobilisierung gegen den Papstbesuch in Erfurt im Herbst 2011 kam es in Erfurt zu kontroversen Diskussionen über unterschiedliche Spielarten der Religionskritik. Diese Diskussionen gingen dabei zum Teil weit über den engeren Rahmen der Frage vom Verhältnis zwischen Relgion und Gesellschaft hinaus. Wie begründet man eine Kritik an eugenischen Praxen und den Debatten um die Präimplantationsdiagnostik, wenn man feststellt dass der Papst und rechte Katholiken in eine ähnliche Kerbe hauen? Werden gesellschaftliche Verhältnisse tendenziell naturalisiert, wenn man religiöse Bilder einfach postivistisch-naturwissenschaftlich wiederlegt und dabei nicht nach ihren gesellschaftlichen Bedingungen fragt? Welche Stellung bekommt das Verhältnis von Mensch und Tier, wenn man ein religiös begründetes Menschenbild in Frage stellt? Und welches Gesellschaftsverständnis liegt all diesen Diskussionen zugrunde? In vier mehr oder weniger thematisch zusammenhängenden Veranstaltungen, wollen wir die Diskussion über diese Fragen vertiefen.

Weitere Infos unter mensch.arranca.de.

Gema, ACTA, Kapital, Scheiße – Demo in Erfurt

Scheißhaufen mit Capitalism und Deutschland„Gema, Acta, Kapital, Scheiße“ schallte heute lautstark durch die Erfurter Innenstadt, nachdem eine eher behäbige Demonstration der Piratenpartei durch die DemoteilnehmerInnen gekapert wurde. Es ging gegen das geplante ACTA-Abkommen, dass regeln soll, wie der bereits im Rahmen des TRIPS-Abkommen auf Ebene der Welthandelsorganisation WTO vereinbarte Schutz vor Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzung durchgesetzt werden soll.

Als die Auftaktkundgebung um 15 Uhr auf dem Erfurter Anger beginnt, ist die Stimmung eher gemischt. Viele vor allem junge Leute sind gekommen, um ihren Unmut auf die Straße zu tragen — deutlich erkennbare Nerds mit T-Shirts von Online-Spielen, Punks, die sich vorausschauend einen Kasten Sterni mitgebracht haben, „ganz normale Jugendliche“, dazu das übliche Demo-Publikum aus verschiedenen Parteijugendverbänden und der linken Szene. Bei letzteren ist eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den in Erfurt stark von der Piratenpartei dominierten Protesten zu spüren: „Eine gewisse Grundsolidarität habe ich, demonstriere aber ungern unter einer Piraten- oder einer Deutschland-Fahne“. Für letztere stellte sich bei genauerem Hingucken heraus, dass das Unbehagen nicht berechtigt ist: Die Fahne steckte in einem selbstgebauten Scheißhaufen, ebenso wie die Wörter „GEMA“, „Acta“ und „Capitalism“. Überhaupt gibt es viele einfallsreiche selbstgebaute Schilder und Gadgets, die zum Ausdruck bringen, dass es hier nicht nur darum geht, dass Kinox.to um seine Existenz bangt — aber eben auch, wie die Parole „Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr Mega-Upload klaut!“ zum Ausdruck bringt.

Anti-ACTA-Demo Erfurt
Die Redebeiträge sind wegen der zu klein dimensionierten Beschallungsanlage kaum verständlich, Flugblätter werden nur vereinzelt am Rande verteilt. Aber die Leute wissen auch so, warum sie da sind: „ACTA ist Scheiß-Überwachung“ sagt ein punkiger Teilnehmer, was sich wohl darauf bezieht, dass ACTA vorsieht, Internetprovider dazu zu verpflichten, den Datenverkehr ihrer NutzerInnen auf Urheberrechtsverstöße zu durchsuchen. „Ich bin gegen Eigentum, auch geistiges“ oder „Urheberrecht schränkt die Freiheit des Einzelnen ein, weil man sich Musik vor dem Kauf nicht anhören kann“ meinen andere und befürchten eine Zensur, wenn die freie Verbreitung von Informationen beschränkt wird. Heute wird nur die Verbreitung von Alkohol beschränkt – ein Ordner schickt einen Punk wegen seiner Bierflasche aus der Demo.

Abschlusskundgebung ACTA-Demo Erfurt
Ohne viel Aufregung zieht die Demo 800m vom Anger zur Abschlusskundgebung am Hirschgarten, wo wieder Redebeiträge durch eine viel zu kleine Anlage verlesen werden. Auf dem Platz vor der Staatskanzlei wird auch deutlich, dass wirklich viele gekommen sind – wir schätzen, dass an die 1000 Menschen versammelt sind.

Spontandemo gegen ACTA und Kapitalismus
An diese Stelle hätte die Geschichte enden können und wäre eine weitere langweilige Latschdemo gewesen. Aber die Leute sind wütender als erwartet und so formiert sich unmittelbar nach dem Ende der Kundgebung ein weiterer, nun unangemeldeter, Demozug, der deutlich lauter agiert. Mit „A-Anti-Antikapitalista“ und „Es muss ums ganze gehn“ zieht ein antikapitalistischer Block los, wobei diese Ausrichtung anscheinend so konsensfähig ist, dass der größte Teil der Demo mitzieht — sogar die Jungen Liberalen, die auf Nachfrage erklären, dass sie ja auch für weniger Regeln sind und den real existierenden Kapitalismus irgendwie kritisch sehen. Nur ein kleines Häufchen mit Piratenparteifahnen bleibt verunsichert auf dem Hirschgarten zurück. Weil die Polizei nur mit wenigen Kräften vor Ort ist, kann die Spontandemo noch eine Stunde lang kreuz und quer durch die Innenstadt ziehen.

Man mag fragen, ob es legitim ist, eine Demo gegen ein Anti-Piraterie-Abkommen so deutlich antikapitalistisch aufzuladen. Dass das Anliegen den weitaus größten Teil der DemonstrantInnen mitziehen konnte, spricht dafür. Außerdem geht es ja in der Tat ums Ganze, denn ACTA ist wie schon erwähnt nur ein Abkommen zur Durchführung dessen, was schon 1995 im TRIPS-Abkommen (Abkommen über Trade Related Intellectual Property Rights) auf WTO-Ebene gegen den erbitterten Widerstand der sogenannten „Anti-Globalisierungs-Bewegung“ beschlossen wurde. Wenn TRIPS nun durch ACTA konsequent durchgesetzt wird, bedeutet für Menschen in Industrienationen, dass sie bald nicht mehr den neuesten Blockbuster kostenlos herunterladen können. Für den größeren Teil der Menschheit sind die Folgen schon eingetreten und ungleich ernster. So schützt TRIPS beispielsweise die Interessen von Pharmakonzernen, indem es verbietet, preiswerte Kopien lebenswichtiger Medikamente herzustellen. Effekt ist, dass die Preise steigen und immer mehr Menschen in den Armutsregionen der Welt von grundlegender medizinischer Versorgung ausgeschlossen werden. Im Nahrungsmittelsektor ermöglicht TRIPS, dass KleinbäuerInnen untersagt wird, geerntetes Getreide zur Wiederaussaat zu verwenden, weil die Lizenzbedingungen nur eine einmalige Aussaat erlauben. Verlust der Nahrungsmittelsicherheit ist die Folge. TRIPS macht viele Menschen auf der Welt arm und krank. Dagegen „Alles für Alle“ zu fordern, ist mehr als legitim.

Ergänzung: Ein kleiner Bericht von der Demo findet sich im Telepolis-Forum hier.

Ergänzung: Schneller als die Feuerwehr ein Video von den Filmpiraten:

Heute: Gegen Naziaufmarsch in Weimar

Zwei Veranstalter, darunter der Neonazi Michél Fischer, haben für heute, Freitag, den 10. Februar 2012, in der Zeit zwischen 16.00 und 20.00 Uhr unter dem Thema „Ehrenhaftes Gedenken!“ einen Aufzug in Weimar angemeldet. Der „Trauermarsch“ soll sich zwischen dem Hauptbahnhof und dem Goetheplatz bewegen, wo eine Zwischenkundgebung stattfinden soll.

AntifaschistInnen rufen dazu auf sich den Nazis in den Weg zu stellen. Treffpunkt ist um 15.45 Uhr vor dem Haupbahnhof in Weimar.

Weitere Infos bei Indymedia und dem Bürgerbündnis Weimar.

Danke EVAG

Der MDR meldet, dass ein 24 jähriger Erfurter für sieben Monate in den Knast muss – für die fortgesetzte Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrschein, was beim MDR im Übrigen „Schwarzfahren“ heißt. „Schwarzfahren“ kommt vom jiddischen Wort „Swarz“, das Armut bedeutet. Wer in der BRD arm ist und keine Lust hat, bei -20°C zu Fuss zu gehen, muss eben mit den Konsequenzen leben.

1 39 40 41 42 43 59