Anlässlich 20 Jahre der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl findet bundesweit eine antirassistische Aktionswoche vom 11.05. bis 18.05.2013 in vielen deutschen Städten statt. Auch in Erfurt wird gegen den rassistischen Normalzustand protestiert.
Organisiert werden die Veranstaltungen durch das Antira-Bündnis Erfurt.
Das Grundrecht auf Asyl, auf Schutz vor Verfolgung, ist eine Konsequenz aus dem katastrophalen Umgang mit fliehenden Menschen während des zweiten Weltkrieges. 1953 einigten sich die United Nations auf die Genfer Flüchtlingskonvention. Bis dahin gab es weltweit keine garantierte Zuflucht vor den deutschen Nazis für Juden_innen, Oppositionelle, Exilsuchende. Ihre Aufnahme war vom politischen Willen, Aufnahmequoten, Glück und ihrem Geldbeutel abhängig. Doch die Grenzen sind auch heute noch weit davon entfernt, offen für Schutzsuchende zu sein.
Nach dem in Deutschland Anfang der Neunziger Jahre Flüchtlingsheime brannten und die Debatte über Zuwanderung und Fluchtursachen rassistisch geführt wurde, beschlossen der deutsche Bundestag und Bundesrat die faktische Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl im Mai 1993. Mit dem sog. Asylkompromiss, der Einschränkung des Art. 16 des Grundgesetzes, wurde auch das Asylbewerberleistungsgesetz als Abschreckungsinstrument eingeführt. Seine Folgen waren der Sachleistungsvorrang, die Unterbringung in Lagern und das niedriger festgelegte Existenzminimum für Asylsuchende.
In Deutschland schutzsuchende Menschen dürfen während der Zeit ihres Asylverfahrens ihren Wohnort nicht selbst bestimmen, nach dem jeweiligen Steueraufkommen und Bevölkerungszahl werden sie auf die Bundesländer verteilt. Für in Thüringen lebende Asylsuchende hat sich seit dem Asylkompromiss nicht viel geändert: die überwiegende Mehrheit muss in sog. Gemeinschaftsunterkünften wohnen, ihre Bewegungsfreiheit und medizinische Versorgung werden eingeschränkt, politische Betätigung fast verunmöglicht, Arbeit verboten und die Berichte von rassistischer und respektloser Behandlung seitens der Behörden des Freistaats sind lang.
Nichts destotrotz bleibt der Widerstand gegen diese Zustände ungebrochen, immer wieder kämpfen Asylsuchende und ihre Unterstützer_innen für ein Leben ohne Angst vor Abschiebungen, Einschüchterung und Kontrolle. Abgelegene Heime in der Thüringer Provinz wurden auf den Druck hin geschlossen, skandalöse Vorgänge öffentlich gemacht. Mit unserer gemeinsamen Aktions-und Veranstaltungswoche wollen wir mit Interessierten diskutieren, analysieren und in Aktion treten, um die notwendige Veränderung der aktuellen Situation aufzuzeigen und Ansätze zu ihrer Veränderung zu entwerfen.
Alle noch kommenden Veranstaltungen im Überblick:
14.05.2013, 19 Uhr, [L50], Lassallestr.50, 99086 Erfurt
„Zigeunerjunge“ – spiel mir ein Lied! – Antiziganismus als besondere Form der Diskriminierung
„Mit der Glut von ihrem Feuer starb der Rest von Abenteuer“, so oder so ähnlich heißt es in einem Schlager über“ Zigeuner“ aus den 90ern. Na und? – ließe sich hier fragen, was ist schon dabei? In der Auseinandersetzung mit Sinti & Roma und anderen Gruppen, welche in der Mehrheitsgesellschaft immer noch als „Zigeuner“ bezeichnet werden, sagt so ein Satz jedoch recht viel über das Bild vom „Anderen“, „Fremden“ aus. Zum einen rufen solche Phrasen Klischees in uns auf, wie wir sie gerne haben – Musik, Rhythmus, Geige und an Sexismus grenzende Romantik. Zum anderen zeugen sie von einem Mangel an Sensibilität: Ca. 500 000 Sinti & Roma wurden während der NS-Zeit in Konzentrationslagern ermordet. In so einem Zusammenhang von „ihrem Feuer“, „sterben“ und „Abenteuer“ zu sprechen, ist mehr als nur bizarr. Im Workshop wollen wir u.a. solche Klischees aufspüren. Dementsprechend wird anhand von Film-, Bild- und Textdokumenten sowohl die Geschichte von Sinti & Roma beleuchtet als auch ein Blick auf ihrer gegenwärtigen Lebensbedingungen geworfen. Neben kurzen Inputs liegt hier v.a. der Fokus auf dem Austausch unter den Teilnehmenden.
15.05.2013, 17:00, Radio F.R.E.I., Gotthardtstraße 21, 99084 Erfurt
Diskriminierung durch Behörden
Migrant_innen und Flüchtlinge berichten von erlebter Diskriminierung durch Behörden Migrant_innen und Flüchlinge sind nach wie vor in unserer Gesellschaft einer Diskriminierung ausgesetzt, die unter anderem rassistisch motiviert ist. Diese Diskriminierung zeigt sich auch durch den Umgang der Behörden mit Migrant_innen und Flüchtlinge. Diese relativ wenig thematisierte Form der Diskriminierung hat neben praktischen alltäglichen Problemen auch schwere traumatische Folgen für die Betroffenen. Mehrere in Thüringen lebende Mitmenschen berichten auf dieser Veranstaltung von ihren Erfahrungen durch Behörden wie Schulen, Ausländerbehörden, Polizeiämter, Einwohnermeldeämter, Arbeitsagenturen etc.
16.Mai, 16:00 Uhr, Anger, 99084 Erfurt
Kundgebung, anlässlich des 20. Jahrestages der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl
16.05.2013, 20:00 Uhr, Offene Arbeit, Hinterhaus/ Allerheiligenstr.9, 99084 Erfurt
Der Asylkompromiss93- Entwicklung der Asylgesetzgebung
In der Zeit der rassistischen Übergriffe, Brandanschläge und Pogrome gegen Asylsuchende und Migrant_innen beschloss die damalige Regierungskoalition aus CDU und FDP sowie die SPD eine Grundgesetzänderung, die als Asylkompromiss bekannt wurde. Für Flüchtlinge und Unterstützungsorganisationen bedeutete er die faktische Abschaffung des Rechtes auf Asyl. Die Veranstaltung zeichnet die Entwicklung der Asylgesetzgebung seit den Neunzigern nach. Referent: Steffen Dittes
17.05.2013, 21:00 Uhr, Bahnhofvorplatz Erfurt (Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung in der L50 (Lassallestr.50) statt)
„Willkommen in Erfurt?“ Kurzfilmwanderung zur Flüchtlingspolitik
Erfurt preist sich als Stadt der Vielfalt. Doch wie gestaltet sich das Leben von Geflüchteten, denen eine Unterkunft in der Thüringer Hauptstadt zugewiesen wird? Mit einer Filmwanderung wollen wir ihre Wege und die rassistischen Hürden nachvollziehen mit denen sie täglich konfrontiert werden.
Weitere Infos und alle geplanten Veranstaltungen findet ihr auf frai.blogsport.de und www.rassismus-toetet.de.