Erneute Durchsuchungen bei linken Buchläden in Berlin

Wir haben ja seit über einem Jahr keinen Laden mehr. Ein Glück mag man meinen, denn die Interrim hatten wir früher auch. Seit einiger Zeit zeigt die Justiz wieder verstärktes Intersse an linken Publikationen, wie eine PM mehrerer durchsuchter Buchläden dokumentiert:

Heute [gemeint ist der 26.10.2010] haben Beamte der Berliner Staatschutzbehörde um 11:15 die Schwarze-Risse-Buchläden im Mehringhof und in der Kastanienalle, den Buchladen oh21 und den Infoladen M99 durchsucht – zum sechsten Mal in diesem Jahr! Die Beamte präsentierten wechselnde Begründungen: Mal geht es um die Beschlagnahmung der linken Szenezeitschrift „Interim“, mal um ein antimilitaristisches Flugblatt, mal um die Unschädlichmachung eines Aufrufs für Demonstrationen gegen die Einheitsfeiern in Bremen.
Dieses Mal ging es wieder um die Zeitschrift „Interim“. Im Buchladen im Mehringhof strebte die Polizei zudem an, ein weiteres Verfahren wg. Plakaten zu eröffnen, die zur Beteiligung am Protest gegen den kommenden Castortransport im Rahmen der Kampagne „Castor Schottern“ aufrufen. Über diesen Antrag auf Erteilung eines weiteren Durchsuchungsbeschlusses wurde jedoch von der Berliner Staatsanwaltschaft offenbar erst einmal negativ beschieden. Die Polizei wurde jedoch von der Staatsanwaltschaft angewiesen, die Plakate zu fotografieren.

Staatsanwaltschaft will Buchhändler zur Zensur verpflichten!

Begründet werden die Durchsuchungen der Buchläden mit § 130a StGB („Anleiten zu Straftaten“) in Verbindung mit § 40 WaffenG („Verbotene Waffen inklusive des Verbots, solche herzustellen oder zur ihrer Herstellung aufzufordern“). Bisher ging die Rechtsprechung davon aus, dass die Händler nicht den Inhalt der Bücher und Zeitschriften in ihrem Sortiment kontrollieren müssen. Laut Rechtsanwalt Sven Lindemann, der den Buchladen Schwarze Risse vertritt, versucht die Staatsanwaltschaft nun, die gängige Rechtsprechung zu revidieren.

Buchhändler sollen also zukünftig für die Inhalte der Schriften haftbar gemacht werden, die sie vertreiben! Damit würden die Möglichkeiten legaler und radikaler Opposition massiv eingeschränkt: Was ist eine „Aufforderung“ und was eine „Anleitung zu Straftaten“? Macht sich jemand strafbar, der dazu aufruft, einen Nazi-Aufmarsch zu blockieren? Gegen einen Castor-Transport zu demonstrieren? Einen Bauplatz zu besetzen, um eine Projekt wie Stuttgart 21 zu verhindern? Die Berliner Staatsanwaltschaft erklärt damit nicht nur Widerstandsformen der außerparlamentarischen Opposition zum Verbrechen, sondern auch das Zugänglichmachen von Flugblätter und Zeitschriften, die dazu auffordern.

Die Buchhandlungen protestieren gegen das Vorhaben der Polizei

„Das Tagesgeschäft des Buchladens wird durch die Durchsuchungen massiv behindert, in der Vergangenheit wurden auch immer wieder die Computer beschlagnahmt.“ Frieder Rörtgen, Geschäftsführer von Schwarze Risse weiter: „Es handelt sich um eine politisch motivierte Kampagne der Staatsanwaltschaft. Die Buchläden sollen unter Druck gesetzt werden, damit sie als vorgeschaltete Zensurbehörde des Staates agieren.“

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Castor-Festspiele ab 5. November — Anreise aus Erfurt


Das ist der Zug mit dem radioaktiven Müll, der in einer strukturschwachen Region in einer Lagerhalle abgestellt werden soll.

Die finden das nicht so gut und wollen es verhindern.

Deswegen kommen zehntausende von denen, um den blöden Zug durchzuprügeln.

Was auch der nicht gut findet.

Wer dieses Jahr mitspielen will, kann entweder Freitag (5.11.) oder Samstag (6.11., früh morgens) mit der Offenen Arbeit oder aber am Samstag (6.11. abends) nach dem Ratschlag mit dem redroxx ins Wendland fahren — bitte jeweils zu den Öffnungszeiten anmelden. Weiter soll es von den GRÜNEN (die wollen auch nicht, daß der Zug durchkommt, so richtig aber nur, wenn sie gerade nicht an der Regierung sind) Busse zum Castor geben.

Arnstadt: Prozess nach rassistischem Angriff

Die AGST auf Indymedia zu einem Prozess in Arnstadt:

Am Abend des 24. Oktober 2009 attackierten mehrere Neonazis zwei junge Männer aus der Punk-Szene. Sie wurden dazu von einer Frau mit den Worten angeheizt: „Reißt dem scheiß Nigger die Thüringenfahne von der Jacke, das ist eine Schande für Deutschland“. Vor wenigen Wochen fand vorm Arnstädter Amtsgericht der Prozess statt. Ein etwas verspäteter Prozessbericht.

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Zwei kleine Anti-Castor-Aktionen in Erfurt

Heute fanden anlässlich des Castor-Streckenaktionstags zwei kleine Aktionen in Erfurt statt. Gegen 12 Uhr bewegte sich eine Anti-Atom-Schlange über den Anger. Um 12 Uhr sind die AktivistInnen auf Zuruf verstorben. Zum Glück war ein Katastrophenhelfer vor Ort, der mit einem Spülschwamm die Strahlung abwischen konnte. Die Reaktion der einkaufenden Bevölkerung war eher verhalten.

Ab 15 Uhr protestierten dann ca. 70 Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz gegen Atomkraft. Die Partei „Die Linke“, die Naturfreundejugend und vor allem das Erfurter Sozialbündnis bekräftigten in Redebeiträgen ihr kontinuierliches Engagement gegen die risikoreiche Technologie, während die radikale Linke sich vornehm im Hintergrund hielt bzw. erst gar nicht aufgetaucht war.

Das Jugendbüro Redroxx hatte schon vor ein paar Tagen mit einem Video für den Castor und die heutige Aktion mobilisiert:

Am Dienstag, 26.10, findet nach der KücheFürAlle (ab 20.30) in der Offenen Arbeit ein Koordinierungstreffen für alle, die aus Erfurt zum Castor fahren wollen, statt.

Von der Antifa lernen heißt siegen lernen

Die Botschaft der Antifa an die Mitte war in den letzten Monaten oft: „Macht euren Scheiß alleine“. Den Bürgerbündnissen wurde vorgeworfen, daß sie hierarchisch funktionieren, mit ihrer Massenorientierung ein Neues Deutsches Gemeinschaftsgefühl pflegen und weitgehend auf inhaltliche Standarts verzichten.
Daß zumindest letzteres nicht stimmt, haben die Bürgerbündnisse jetzt bewiesen, indem sie ihre Beteiligung an der Erstellung eines Thüringer Landesprogramms gegen Rechtsextremismus zurückgezogen haben. In ihrer Erklärung kritisieren sie, daß der Prozess der Programmerstellung intransparent verlaufen sei und noch nicht einmal demokratischen Mindeststandarts genügt habe. Der bisherige Entwurf stütze sich in seiner Analyse allein auf die Erkenntnisse der Verfassungsschutzes, weiter würde die Arbeit der Bürgerbündnisse im Entwurf nicht genug genug gewürdigt und es sei keine wissenschaftliche Evaluation von Außen vorsehen. Abschließend heist es, es sei ein Fehler, sich auf die Extremismustheorie zu stützen und damit antifaschistisches und zivilgesellschaftliches Engagement unter Verdacht zu stellen.
Die Botschaft „Macht euren Scheiß alleine“ haben die Bürgerbündnisse damit an die Landesregierung weitergegeben. Wie die Antifaschistische Bündnisarbeit in Thüringen weitergeht, ist offen. Der 20. antifaschistische/antirassistische Ratschlag in Saalfeld am 6.11.2010 ist eine gute Gelegenheit, darüber weiter zu diskutieren.

Anti-Atom-Aktionswoche in Erfurt


Vom 23.-29.10. findet in Erfurt eine Anti-Atom-Aktionswoche mit bislang einer Aktion und mehreren Veranstaltungen statt.
Es geht los mit einer Aktion zum Castor-Streckenaktionstag am 23.10. um 15 Uhr vor dem Hauptbahnhof. Am 26.10. geht es um 20.30 weiter in der Offenen Arbeit mit einem ersten Vorbereitungstreffen zur Vernetzung der Aktivist_innen, die aus Erfurt zum Castor fahren möchten. Am 27.10. gibt es im Redroxx eine Veranstaltung zu Hintergründen und Geschichte der der Anti-Atom-Bewegung und am 29.10. kann man ab 17.00 Uhr in der Offenen Arbeit weiter planen, was man beim Castor machen will, wobei Jens Magerl aktuelle Infos aus dem Wendland bereithalten wird.

Was ist Sabotnik?

Wir arbeiten nun seit 1,5 Jahren erzwungenermassen im virtuellen Raum. Diese Arbeit besteht in der manchmal schleppenden, manchmal recht regelmäßigen Aktualisierung der Terminliste. Sie besteht darin, daneben speziell links(radikale) Aktivitäten zu bewerben. Sie besteht ausserdem darin, davon auch zu berichten und sie zu kommentieren. Manchmal besteht sie auch darin, wenigstens jemanden zu finden, der oder die einen Bericht schreibt.

Deshalb hat das zwar alles Hand und Fuss und wir bloggen nichts, was wir als Gruppe völlig bekloppt finden. Wir sind aber nicht und wollen auch nicht sein:

  • ein monolithischer politischer Block/Blog
  • die Ratgeberin für „wo’s lang geht“
  • eine neutrale Infobox

Aber deshalb veröffentlichen wir auch Arbeiterliederwochenenden, Naziangriffe, Antinationales und Antimilitaristisches, queer-feministisches. Deshalb üben wir auch scharfe Kritik an Aktionen, die wir gleichzeitig bewerben.

Das geht am besten in einer heterogenen Gruppe. Und mit Offenheit: Ein guter Teil unserer Beiträge stammt gar nicht aus unserer Feder, sondern wird uns zugetragen. Auch das finden wir gut. Und so sind wir nicht mit allem einverstanden, was die Genossinnen und Genossen so schreiben, wenn sie unseren gemeinsamen Zugang nutzen. Aber das wollen wir auch gar nicht anders. Und wir freuen uns, wenn sich Leute über uns ärgern. Zumindest manchmal.

(beschlossen, genehmigt und zur Veröffentlichung freigegeben: ZK des IL Sabotnik, 10.09. 2010)

Indymedia: Viel Theater um … nichts?

Nicht einmal vier Wochen lassen sich Medien und Repressionsorgane in Thüringen Zeit, um erfolgreiche Polizei-Maßnahmen gegen Neonazis auch gegen unliebsame Linke zu nutzen.
„Linksextremisten“ seien nach dem Oberstaatsschützer beim Thüringer LKA, Anton Wahlig, in Jena besonders umtriebig. Und der Thüringer Verfassungsschutzchef Thomas Sippel bemängelt: „Zu beklagen ist allerdings, dass in Teilen des demokratischen Spektrums nicht immer die nötige Distanz auch zum Linksextremismus gewahrt wird. Man muss wissen, wenn man als Demokrat Extremisten in seinen Reihen duldet, dann macht man sie immer auch ein Stückchen gesellschaftsfähig.“ (MDR Thüringen Journal, 09.10.2010)

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Heute schon an morgen denken

Auf Indymedia findet sich ein Bericht zur Konferenz für die Aktionen gegen den zu erwartenden Naziaufmarsch im Februar in Dresden unter wenig überraschendem Titel „Aktionskonferenz beschließt Blockade“.

Einen Beitrag zur Diskussion zur Vorbereitung hat die AG17 geschrieben. Unter dem Titel „Dresden – 13. Februar ist mehr als nur ein Nazi-Aufmarsch“ heisst es:

Die Rechnung des Bündnisses „Dresden – nazifrei“ schien 2010 aufgegangen zu sein. Es gab eine Massenmobilisierung und die Nazis konnten ihren Demo-Startpunkt nicht verlassen. Die „Spontandemo“ mehrerer tausend Nazis zu diesem Startpunkt konnte nicht verhindert werden.

Wo ist das Problem?
Alles im grünen Bereich, könnte mensch meinen bei solch einer Erfolgsstory. Wird der Tag jedoch mal etwas weniger oberflächlich betrachtet, so bleibt eine ganze Reihe Manöverkritik zu leisten, was wir an dieser Stelle jedoch nicht tun werden. Uns geht es um die inhaltliche Stoßrichtung, wenn es denn überhaupt eine gibt. In dem ganzen anschließenden Jubel fiel den wenigsten federführenden Gruppen dieses Events auf, dass der Nährboden für den größten Nazi-Aufmarsch Deutschlands in dem Aufruf zu Massenblockaden 2010 nicht mehr angetastet wurde: der Opferdiskurs der Deutschen als Verlierer des 2. Weltkrieges und seine besondere Ausprägung in Dresden. In Dresden wurde schließlich dem Holocaustleugner David Irving als „Historiker“ gehuldigt und die öffentliche Wahrnehmung der Bombardierung stark durch die Goebbelspropaganda beeinflusst. Die Mär von der „Unschuldigen Stadt“ war gefundenes Fressen für die Nazis, die sich im Opferdiskurs eins fühlen konnten mit der Dresdner Bevölkerung. Der Widerstand der dortigen Zivilgesellschaft sah deshalb auch lange Zeit sehr mau aus. Nur langsam und verschämt schleicht sich in das öffentliche Bewusstsein Dresdens, dass es sich wohl doch nicht um eine „unschuldige Stadt“ voller Kunstschätze und Flüchtlinge handelte, sondern um eine Garnisionsstadt, strategischer Verkehrsknotenpunkt und einem florierenden Rüstungsstandort des 3.Reiches. Die Fakten wurden nicht von der Dresdner Bürgerschaft selbst erarbeitet, sie wurden von außen an sie herangetragen z.B. durch Historiker wie Frederick Taylor. Anstatt endlich mal das kollektive Rumgeheule sein zu lassen, wird dieses Gedenken und der eigene Opferdiskurs nun als Geläutertheit gegen die Nazis in Anschlag gebracht. Das nationale „Wir“ der Berliner Republik braucht derzeit keine Nazis und empfindet jene als standortschädlich und Imageschädigung. Weiterlesen

„Freibier statt Hartz IV“ in der ARGE Erfurt

Das Kommando „Sekt statt Selters“ hat heute unter dem Motto „Freibier statt Hartz IV“ in der ARGE Erfurt Freibier und Flugblätter verteilt. Die Leistungsempfänger, die am Monatsanfang in der Schlange stehen, haben eher verhalten reagiert und sich die Zettel und das Bier „für später“ eingepackt. Die Bediensteten waren wenig begeistert: Nach wenigen Minuten wurde das Kommando vom Sicherheitsdienst des Gebäudes verwiesen. Vor der ARGE fanden dann ausführlichere Gespräche mit den Kunden der Agentur statt. Dabei wurde klar: Wenn die Leute nicht mehr im Blick der Sachbearbeiter sind, werden sie deutlich. Viele sind wütend über die verlogene und stigmatisierende Diskussion über die Regelsätze, aber auch über den Umgang mit Arbeitslosen überhaupt. Und wenn eine nette alte Dame in Richtung ARGE ruft „Man müsste sie alle aufhängen“, dann ist diese Ansicht vielleicht nicht der Gipfel der Emazipation, sie zeigt aber, wie wütend die Leute sind.

Das folgende Flugblatt wurde verteilt:

Freibier statt Hartz IV

In Erwägung daß die Regierung den Armen in einem der reichsten Länder dieser Erde lächerliche 7,19€ im Monat für alkoholische Genussmittel nicht mehr gönnt, haben wir beschlossen, heute Freibier in der ARGE zu verteilen. Wir halten die kleinliche Kürzung für einen weiteren Beitrag dazu, Arbeitslose zu entmündigen und ihnen die soziale Teilhabe zu nehmen. Aber wir lassen uns das gemeinsame Feiern nicht verbieten. Wenn man uns die Bezüge immer weiter zusammenkürzt, nehmen wir uns irgendwann was uns zusteht. Wir schauen irgendwann einfach mal da vorbei, wo man für 7,19€ nicht die alkoholischen Genussmittel für einen Monat, sondern ein Glas guten Wein einkauft. Der Kapitalismus produziert in seinem jetzigen Stadium eine nie dagewesene Fülle an Gütern. Es ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte, daß heute Menschen im Elend leben – nicht weil zu wenig, sondern weil zu viel produziert wird und die hohe Produktivität menschliche Arbeitskraft zunehmend überflüssig macht. Auf lange Sicht kann man diesem Irrsinn nur entgehen, wenn man den Kapitalismus abschafft. Aber bleiben wir realistisch: Für’s erste fordern wir eine bedingungslosen Grundsicherung für alle – selbstverständlich auch für Flüchtlinge und llegalisierte. Eine Grundsicherung ohne Wenn und Aber, ohne Ämterschikanen, ohne Hausbesuche, ohne Arbeitszwang und ohne soziale Trainingskurse. Und ohne, daß uns jemand vorschreibt, wofür wir Geld ausgeben.

Kommando „Sekt statt Selters“ im Oktober 2010

Regelsätze selber machen:http://genug.fueralle.org
Infoladen Erfurt:https://sabotnik.infoladen.net
KücheFürAlle und B-Haus:http://haendehoch.blogsport.de

Und noch ein paar Bilder:

Ergänzung: Am 8.10. fand eine ähnliche Aktion in Berlin-Neukölln statt — dort mit Orangensaft und Bier. Weiter so!

Jena: Sonntagsspaziergang am 3. Oktober


Rund 200 Menschen folgten am 3. Oktober dem Aufruf „Schwarz.Rot.Gold. …sind nicht mal alles Farben.“ zur antinationalistischen Demonstration in Jena.

„Gegen Deutschland, Nation und Kapital“ lautete der Slogan auf dem Fronttransparent. In verschiedenen Redebeiträgen wurde entsprechend der deutsche Wahn in seinen verschiedenen Ausprägungen und Erscheinungsformen kritisiert: im Umgang mit Migrant_innen, in der Ideologie des Ethnischen, im klassischen Rassismus. Einige Beiträge wurden aktualisiert und erneut verlesen, etwa „Zum Stand antifaschistischer Bündnispolitik“ (Original hier). Israel war wieder ein wichtiger Bezugspunkt, mehrere Redner_innen erklärten ihre Solidarität.

Die Route führte an verschiedenen Orten finsterer deutscher Geschichte vorbei, etwa am Grundstück der „Grünen Tanne“, dem Gründungsort der Urburschenschaft. Aus der Vereinigung von 1812 sollte sich in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten eine antisemitische, männerbündlerische, militaristische… u.s.w. Bewegung in allen deutschen und vielen österreichischen Hochschulstandorten entwickeln. Zum 200jährigen in zwei Jahren dürfte sich ein erneuter Besuch lohnen.

Dort kam der Demo der schlechte Wartungszustand öffentlicher Güter in die Quere: Ein Teil der Straßenbahnoberleitung hatte sich gelöst und verhinderte, dass die Route auf der vorgesehenen Strecke begangen werden konnte. Die Polizei hingegen verhinderte, dass die Demo am Weinfest in der „Grünen Tanne“ vorbei führte und sorgte für einen Spaziergang durch von Demonstrationen ansonsten ungestörte Stadtteile. Leider ließ man dies unwidersprochen und nutzte auch nicht den neuen Weg zu spontanen Redebeiträgen. So erfuhren nur aufmerksame Beobachter_innen, dass die sich auf der Strecke der durch Jena führenden Todesmärsche befanden und am Denkmal für die Geschwister Scholl und am Wohnhaus Magnus Posers vorbeiliefen.


Randbegrünung: der Jenzig

Ansonsten befand sich, bedingt durch die Routenänderung, ein großer Teil in landschaftlich interessantem Gebiet.

So kam die Demonstration mit einiger Verspätung erst zu ihrem Besuch auf dem Markt, wo erwartungsgemäß wenige Menschen den „Tag der deutschen Einheit“ feierten oder zumindest das Angebot an Bier und Bratwürsten als Zwischenstopp für ihren Sonntagsspaziergang nutzten. Trotz schlechter Musik aus großen Anlagen konnten sie wohl einen Teil der Reden hören, die u.a. an die rassistischen Angriffe auf Migrant_innen im Zuge des Vereinigungstaumels erinnerten.

An dieser Stelle hat sich die Demonstration stark an unseren Tipps dazu, wie man nicht an geschützte Orte kommt orientiert. Angesichts dessen erschien das an die Feiernden gerichtete „Wir kriegen euch alle“ ein wenig großkotzig. Aber man kann ja noch üben.

Noch ein paar Bilder:


Polizeibegleitung


Nationbusters


Wenn das St. Teddy wüsste

Willkommen in Thüringen!

Wenn man auf die Straße geht, sieht man eine Spießerdisko mit schwarz-rot-goldenen Luftballons geschmückt. Dann sieht man, daß alle Gäste mit Nationaltand behängt aus der Disko kommen und durch die Stadt wanken. Wenig später muss man noch sehen, dass vor einem Alternativlokal aus der Kunstszene Leute in Nazi-Klamotten rumhängen. Da weiß man wieder ganz sicher: Man ist in Thüringen. Und da hilft erst mal nur eins:

Und morgen ab nach Jena, 13 Uhr, Holzmarkt: http://keinefarben.blogsport.de.

Wo sind all die Positionen hin? Diskussionsbeitrag von AG17

Die Antifa Gruppe AG17 aus Erfurt befasst sich in einem Diskussionsbeitrag mit dem Aufruf des Bündnisses „Roter Oktober“ in Leipzig. „Roter Oktober“ mobilisiert gegen einen Naziaufmarsch am 16. Oktober in Leipzig.

Wo sind all die Positionen hin? Anmerkungen zum Aufruf des Bündnisses „roter Oktober“ in Leipzig

Ein Aufruf, der gefällt
Der Aufruf des Bündnisses „roter Oktober“ (http://1610.blogsport.de/aufruf/) liest sich flott und eingängig. Es wird erklärt, was die Nazis am 16. Oktober 2010 bewirken wollen und warum es wichtig ist, sich ihnen entgegen zu stellen. Außerdem wird ein wenig Geschichte von Naziaufmärschen in Leipzig vermittelt, wo es einiges zu erzählen gibt. Inhaltlich wird ihr falscher Antikapitalismus auseinander genommen. Das wars dann aber auch schon. Nichts Falsches, aber auch nicht viel. Weiterlesen

Stuttgart 21 Solikundgebung in Erfurt

Räumung des Schlossgartens in StuttgartAm Donnerstag Abend haben in Erfurt ca. 50 Personen aus dem Spektrum von Gerwerkschaftsjugenden, der Partei DIE LINKE und Menschen der radikalen Linken gegen die unverhältnismäßig brutale Polizeigewalt, bei der Räumung des „besetzten Parks“ in Stuttgart, vor dem Erfurter Hauptbahnhof protestiert.
Weiterlesen auf Indymedia | Infos zur Räumung des Schlossgartens in Stuttgart

Heute soll ab 15.00 Uhr eine weitere Protestaktion vor dem Hauptbahnhof in Erfurt stattfinden.

Georg Büchner abgesagt

Die Aktionsgruppe Georg Büchner hat die für Oktober geplante Bankenblockade abgesagt. Als Grund wird die teilweise nur schleppende Mobilisierung genannt: „Die Anzahl der bislang gemeldeten Busse veranlasste einen Teil von uns zur Einschätzung, dass wir eine Blockade über mehrere Stunden durchsetzen könnten, ein anderer Teil hielt das für unwahrscheinlich und verwies darauf, dass die überprüfbaren Zusagen deutlich unter unseren Annahmen lagen.“
Der Europäische Aktionstag gegen Krisenpolitik und Sparpakete hat dagegen heute stattgefunden — leider nicht wirklich sonderlich wahrnembar.

Roter Oktober in Erfurt

Vor etwa einem Jahr wollten Nazis durch Leipzig marschieren und sind an den Gegenaktivitäten verschiedener Gruppen gescheitert. Dieses Jahr wollen sie es erneut versuchen und haben dafür gleich vier Aufmärsche angemeldet. Das Antifabündnis Roter Oktober will das verhindern.
Die Erfurter Antifagruppe AG17 lädt für den 6.10., 19 Uhr zu einer Infoveranstaltung ins Radio FREI in der Gotthardtstraße.

Bad Salzungen/Gerstungen: Gleiche Rechte für alle statt interkultureller Heuchelei

Eine gelungene Intervention in die Selbstbeweihräucherung eines rassistischen Staats und die Komplizenschaft in Teilen der sogenannten Zivilgesellschaft ist The Voice bei einer Veranstaltung im Rahmen der „Woche des ausländischen Mitbürgers“ in einem 4-Sterne-Kurhotel in Bad Salzungen gelungen:

Es sollte eine harmonische Saalveranstaltung im Rahmen der „Woche des ausländischen Mitbürgers“ werden, während derer sich die Staatsbediensteten und die ihnen loyalen Teile der Zivilgesellschaft gegenseitig auf die Schulter klopfen wollten – für den vermeintlichen Beitrag zur Integration von MigrantInnen. Als Sprecher waren unter anderem der Ausländerbeauftragte des Landkreises und der Innenminister Thüringens, Huber (CDU), vorgesehen. Um dem Begriff der „Interkulturalität“ gerecht zu werden, war eine portugiesische Band eingeladen und ein sogenannter „Migrantenvertreter“ aus Gerstungen sollte sprechen. Pikanterweise war dieser Vertreter weder Teil einer Organisation, noch den BewohnerInnen des Gerstunger Flüchtlingsheims bekannt.

Während also die VertreterInnen aus Politik, Behörden und dem gutsituierten Teil der Gesellschaft im 4-Sterne Kurhotel von Bad Salzungen ihrem Verständnis von Integration und „guten Ausländern“ Legitimität verleihen wollten, sollten die rund 80 Bewohner des Heims in Gerstungen – wohlgemerkt „interkultureller“ als so manche Stadt im Wartburgkreis – , still in ihrer von Schimmel, Zerfall und Einschüchterung durch die Heimleitung geprägten Ex-Kaserne sitzen.

Die Veranstaltung hatte bereits ihren Lauf genommen, als sich eine Gruppe von unerwarteten Gästen ihren Weg durch das Restaurant des Nobelhotels bahnte. Die engagierten Sicherheitskräfte wussten nichts so recht anzufangen mit den etwa 30 Flüchtlingen aus Gerstungen und den AktivistInnen von The VOICE Refugee Forum aus Jena, Apolda und Eisenach, die sich nicht wie erforderlich im Voraus angemeldet hatten, um Teil der illustren Gesellschaft zu sein. Es kamen Familien und Einzelpersonen, aus Syrien, Afghanistan, Aserbaidschan, Sierra Leone, Kosovo, Iran und vielen weiteren Ländern, die zum Teil seit acht oder mehr Jahren in der Isolation des baufälligen Heims in Gerstungen leben müssen – ohne jemals zur „Interkulturellen Woche“ eingeladen worden zu sein. Während der Ausländerbeauftragte als Erster sprach, ließ sich die Gruppe in den hinteren Reihen des holzvertäfelten Saals nieder. Das Publikum war geprägt von Abendgarderoben hier, Bundeswehruniformen dort. Auf die Anfrage, ob die aus Gerstungen Gekommenen Raum in der Veranstaltung bekämen, ein dringendes Anliegen vorzutragen, reagierte die Organisatorin des Tages ablehnend. Nach Ende des Programms wäre vielleicht Zeit dafür. Trotz eines Hinweises auf den Hintergrund der Flüchtlinge und den Zusammenhang der Veranstaltung wollte sie sich nicht auf einen Kompromiss einlassen.

Daraufhin begannen die AktivistInnen, Flugblätter (http://thevoiceforum.org/node/1781) zu den Zuständen in Gerstungen und zum sogenannten geladenen „Migrantenvertreter“ im Saal zu verteilen. Die ZuhörerInnen reagierten überrascht, begannen aber zugleich, die Mitteilung zu lesen. Nach einer kurzen Musikeinlage betrat der Innenminister die Bühne und begann mit seiner Rede. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass dieser mit den Stimmen der großen Koalition in Thüringen erst kürzlich wieder das Fortbestehen der Residenzpflicht für AsylbewerberInnen bestätigt hat, konnten die HeimbewohnerInnen und The VOICE – AktivistInnen nicht still seinen Worten lauschen. Die gesamte Gruppe erhob sich und stellte sich zwischen Bühne und Publikum auf. Der Saal wurde etwas unruhig und niemand wusste, was vor sich ging. Von solcher Entschlossenheit überrascht, unterbrach der Innenminister seine Rede und überließ verunsichert den Flüchtlingen das Wort. Diese erklärten zunächst, woher sie kämen und dass sie aufgrund eines dringenden Anliegens gekommen wären. Dem Publikum wurde deutlich gemacht, dass es, wenn es Interkulturalität haben wolle, bitte nicht hier im Saal sitzen solle, sondern mal einen Blick nach Gerstungen werfen könne. Die Bedingungen, unter denen die Menschen dort jahrelang leben müssten, seien unmenschlich und isolierend. Außerdem sei der „Migrantenvertreter“ nicht aus ihren Reihen und würde somit nicht für sie sprechen.

Die Sprache langsam wiederfindend, reagierte der Innenminister mit beschwichtigenden Worten. Der geladene Ausländer sei tatsächlich einfach eine Einzelperson, die sich zum Thema Integration äußern würde, und bezüglich der Zustände in Gerstungen kündigte er an, innerhalb der nächsten sechs Wochen einmal vorbeizuschauen. Dass man derlei Versprechungen nicht brauche, dass es hier nicht kleine Renovierungen, um kosmetische Maßnahmen, gehe, die ohnehin nicht getan würden, machten die Bewohner des Heims deutlich. Es gehe vielmehr darum, dass sie dezentral in normalen Häusern leben wollten. Die ehemalige Kaserne außerhalb von Gerstungen sei sowohl baufällig als auch per se völlig isolierend.

Mit dieser Ansage ließen sie das Publikum hinter sich und der Innenminister setzte nach einer Pause seine Rede fort.

Auf der Terrasse des Hotels führten die Flüchtlinge und AktivistInnen noch Interviews mit einer Pressevertreterin. Diese berichtete, dass der Minister – nachdem die Gruppe aus Gerstungen den Saal verlassen hatte – noch gemeint hätte, sie könnten ja ruhig noch länger bleiben und an der Feier teilnehmen. Die Unterbrechung der Veranstaltung schien ein deutliches Legitimationsdefizit hinterlassen zu haben.

Die zentrale Forderung der Menschen aus der Gemeinschaftsunterkunft Gerstungen bleibt die Schließung des Heims. Menschenwürdige Unterbringung für alle! Und dafür werden sie auch weiterhin kämpfen.

Mehre Info: Das Isolation –Flüchtlingslager in Gerstunge: http://thevoiceforum.org/search/node/gerstungen

Thüringen schiebt ab


Wie der Flüchtlingsrat Thüringen in einer Pressemitteilung schreibt, droht der Gothaer Familie Baruti die Abschiebung nach Serbien oder Kosovo:

Die Eheleute Baruti flohen 1999 zum Ende des Kosovokrieges nach Deutschland. Als Angehörige der Gruppe der Roma wurden sie verfolgt, unter Gewaltanwendung vertrieben, ihr Haus wurde vor ihren Augen zerstört. Die fünf Kinder, allesamt hier geboren, kennen das Herkunftsland ihrer Eltern nicht – sehr wohl aber die Angst vor einer Rückkehr in ein Leben in Armut, Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, mangelnde medizinische Versorgung und kaum Chancen auf Schulbildung. Dieses droht ihnen nicht nur im Kosovo, sondern auch im Falle einer Abschiebung nach Serbien. Da sie nicht im Besitz der serbischen Staatsangehörigkeit sind, könnten sie sich dort nicht registrieren und hätten demzufolge keinen Zugang zu Sozialleistungen oder medizinischer Versorgung.

Die achtjährige Tochter A. erklärt: “Ich wünsche mir, dass alle Menschen, die auf der Straße wohnen, die aus dem Land … wie heißt das noch mal?… – Kosovo … dass die alle Spielzeug, Anziehsachen, Essen und Trinken und viel Freude haben. Und dass kein Krieg mehr ist. Nie wieder. Das wünsche ich mir.” Dass sie selbst mir ihren drei Brüdern und ihrer fünfjährigen Schwester von diesem Schicksal bedroht ist, kann sie nicht fassen.
[..]
Deutschland und die Republik Kosovo haben im April 2010 ein Abkommen unterzeichnet, das die Rückführung von ausreisepflichtigen Personen aus dem Kosovo regelt. Insbesondere die Minderheit der Roma ist von dieser Regelung betroffen. Derzeit müssen etwa 12.000 Roma in Deutschland ihre Abschiebung befürchten, darunter schätzungsweise bis zu 50 Prozent Kinder unter 18 Jahren. Zahlen zu Thüringen liegen nicht vor

Geh doch nach Gera, wenn’s Dir nicht passt!


Antirepression kostet Geld. Das gilt besonders, wenn man in der tiefsten Thüringer Provinz sitzt und Vergehen, die in zivilisierteren Gegenden gerade mal ein Arschrunzeln hervorrufen würden, zu großen Bedrohungen für das Gemeinwohl aufgeblasen und entsprechend verfolgt werden (siehe z.B. hier).
Deshalb findet in Gera im „Sächsischen Bahnhof“ (Vom Südbahnhof aus am Bahndamm entlang stadtauswärts) am 2. und 5. Oktober Soli-Konzerte statt: am 2.10. mit Karl-Heinz Feuermelder, Überraschungsband und Unitedandstrong und am 5.10. mit Glassless und blue screen of death.

Kampagne „Genug für Alle“ startet

Unter dem Titel „Genug für Alle“ wollen sich linke AktivistInnen aus Dresden in die Debatte um ALGII-Regelsätze einmischen:

Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Februar 2010 entschieden, dass die jetzige Art und Weise der Berechnung des Arbeitslosengeldes II nicht mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum vereinbar ist.

Bis Ende des Jahres muss die Bundesregierung ein neues Gesetz verabschiedet haben und ab Januar 2011 eine neue Form der Regelsatzberechnung einführen. Ein dreiviertel Jahr ist scheinbar nichts passiert. Jetzt, kurz vor Ablauf der Frist, kommt ein Entwurf für ein Berechnungsmodell aus dem Ministerium, der dreister nicht sein könnte. In den Tagen davor wurde die Erhöhung von „unter 20 €“ auf jetzt 5 € niedriger und niedriger gerechnet.

Ob das vor dem Verfassungsgericht Bestand haben wird, sei dahin gestellt. In der bisherigen Debatte zeigte sich aber eines:

Eine ernsthafte öffentliche Diskussion über ein akzeptables Arbeitslosengeld II blieb weitgehend aus. Die Debatte beschränkte sich weitgehend auf die Abwehr von menschenverachtenden Vorschlägen (Sarrazins Kochbuch oder Vorschläge eines Chemnitzer Wirtschaftsprofessors vor zwei Jahren), die dadurch überhaupt erst an Popularität gewannen. Bezeichnend dabei ist, dass die Vorschläge in der Regel von Leuten kamen, die Ihre Existenz mit einem Vielfachen des ALG II-Regelsatzes bestreiten – also echten Experten in Sachen sparsamer Lebensführung.

Eine breite, konstruktive Diskussion, die von Grundbedürfnissen in unserer Gesellschaft ausgeht und davon, was für ein menschenwürdiges Leben an Lebensmitteln, Kleidung, Mobilität, Bildungsausgaben etc. notwendig ist, fehlt.

Mit dieser Seite wollen wir das ändern – dabei sind wir auf Ihren Beitrag angewiesen.

Wir wollen weder die Bundesregierung unterstützen, dem Verfassungsgerichtsurteil (im Sinne der Transparenz) Genüge zu tun noch HartzIV retten. Auch jenseits des alten und neuen Regelsatzes gibt es an HartzIV vieles zu kritisieren.

In der aktuellen Situation wollen wir uns aber in die politische Diskussion um die Höhe der Regelsätze einmischen. Weil es eilt. Weil es nicht zum Leben reicht.

[weiter auf http://genug.fueralle.org]

Nazis auf Donnerstagsdemo: „Kümmert Ihr euch drum.“

Als Tierschützer verkleidete nationalsozialistische Jugendliche traten gestern Nachmittag bei der Donnerstagskundgebung auf dem Erfurter Anger auf. Dabei fiel die Nazi-Ausrichtung erst bei näherer Betrachtung auf: ein Thor-Steiner-Täschchen hier, ein „Freies Netz“-T-Shirt da. Las man den Flyer war er auf einer Emanzipatorische-Gehalt-Skala bei ca. -10%. Sprach man sie an, gab es Geschnatter und Geplapper – Nazi-Sprüche eben. Die Donnerstagsdemo reagierte mit einer allgemeinen Durchsage, die betonte, daß Nazis auf der Kundgebung unerwünscht seien. Etwas direkter sind Einzelpersonen vorgegangen, die die PassantInnen auf den nazistischen Inhalt der verteilten Flyer hingewiesen haben.

Über die ziemlich passive Haltung der Donnerstagsdemo gab es bei Einzelpersonen Verärgerung:

In Erfurt ist es Mode, nach anderen zu schreien, wenn es um Nazis geht. Allein die aktions-orientierten Streetart-Künstler_innen setzten sich aktiv gegen die Idioten ein. Die Plexiglasscheiben des Thor-Steinar-Ladens „Trondheim“ wurden gescratscht und die Ladenfassade mit Farbe verschönert. Der Nazi-Army Laden, der unter anderem „Eric & Sons“ beim Bahnhof verkauft, wurde mit Riot – Kunst bedacht. Da freuen sich auch die Leute drüber, aber selbst will sich keiner die Hände schmutzig machen. Vor ca. zwei Jahren hat z.B. ein Mitglied der „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ auf der Tribüne bei einer Stadtratssitzung nach „Leuten vom besetzten Haus“ gefragt. Der Grund: Im Stadtrat befanden sich zwei Nazis — da sollten sich die Besetzter_innen doch bitte mal darum kümmern.

Geplanter Brandanschlag auf Katharina König verhindert

Nachdem in Sachsen derzeit ständig Brandanschläge auf linke Objekte verübt werden, wollten Thüringer Nazis nun offenbar nachziehen. Das Jugendbüro Haskala in Saalfeld zitiert eine MDR-Meldung, derzufolge mit der Durchsuchung des „Braunen Hauses“ in Jena am vergangenen Wochenende ein Brandanschlag auf den Bus von Katharina König verhindert wurde:

Staatsschutz entdeckt “Neo-Nazi-Zelle” – Anschlag auf Abgeordnete verhindert

Jena/Saalfeld. Staatsschützer der Polizei in Saalfeld haben offenbar einen Brandanschlag auf die Landtagsabgeordnete der LINKEN, Katharina König, verhindert. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera bestätigte Informationen des MDR THÜRINGEN, dass gegen zwei Männer und eine Frau aus der Neo-Naziszene ermittelt wird.

Sie sollen zu einer militanten “rechtsextremen Zelle” aus dem Raum Kahla-Pößneck-Jena gehören. Im Juli sollen sie geplant haben, mit Brandbeschleunigern einen Bus anzuzünden, der von der Abgeordneten regelmäßig genutzt wird. Die beiden verdächtigen Männer gehören zu den vier Neo-Nazis, die am vergangenen Wochenende vorläufig festgenommen wurden. Sie standen im Verdacht, Sprengstoff in den Neo-Nazi-Treff “Braunes Haus” in Jena transportiert zu haben. Die Männer kamen von einem Kameradschaftsabend aus Westsachsen, bei dem Karl-Heinz Hoffmann aufgetreten war. Er war in den 1970er und 80er Jahren Chef der militanten rechtsextremen “Wehrsportgruppe Hoffmann”.

Nach MDR-Informationen hörten die Ermittler monatelang fast 20 Telefonanschlüsse von Rechtsextremisten ab. Aufgrund der Erkenntnisse der abgehörten Gespräche startete die Polizei in der Nacht zum Sonntag (12.09.2010) die Razzia im “Braunen Haus“. Bei den Telefonaten waren die Begriffe “C4″ und “Gebrauchsanleitung” gefallen. Die Fahnder vermuteten, dass es sich bei “C4″ um den Plastiksprengstoff handeln könnte und beantragten beim Amtsgericht die Durchsuchung.

Demo ist mit über 150 Leuten gelaufen

So heißt es auf der Mobilisierungsseite. Die Demonstration „Kein Fest. Kein Volk. Kein Volksfest – Destroy the spirit of Dresden“ am vergangenen Freitag zog nach Angaben von Beobachtenden aber eher knapp 200 Menschen an. Sie bewegte sich in der hereinbrechenden Dunkelheit durch die Jenaer Innenstadt.

Es gab wenige Ketten, vier Transpis am Anfang (Bilder gibt es hier). Die Stimmung war weitgehend ganz gut, dafür sorgten oftmals sogar „antifascista“- und „anticapitalista“-Sprechchöre. Die Redebeiträge thematisierten vor allem diverse Absagen (an die in Deutschland angeblich nie existierende ArbeiterInnenbewegung), Austrittserklärungen (aus anderen Antinazibündnissen) und Distanzierungen (von als falsch kritisierten Formen sozialer Kämpfe).
Die Polizei hielt sich sehr zurück, aber das schien ein gegenseitiges Abkommen zu sein. Bereits nach dem Kooperationsgespräch hatten die Veranstaltenden von der zugesicherten Deeskalation gesprochen. Im Gegenzug (?) dazu wurde in einer Durchsage aus dem Lauti darauf hingewiesen, Anti-Polizei-Sprüche mögen die Teilnehmenden bitte unterlassen, „das geht ja woanders, wo das passt, aber hier haben wir heute keinen Grund dafür“. Sehr ernsthaft war zuvor darum gebeten worden, das Abbrennen von Feuerwerkskörpern zu unterlassen, man habe ja „keine Sondernutzung beantragt“.

Der Abend war ein anschauliches Beispiel dafür, dass ein Zusammenkommen von „radikaler Kritik“, einer „Kampfansage an den Kapitalismus“ und Dunkelheit keine mitternächtliche Sprengkraft entfalten muss.
Wer die Demo verpasst hat, darf sich aber auf die „kritische Demonstration am 3. Oktober“ freuen, zu der auch in einem Redebeitrag aufgerufen wurde.

Nach ein paar Tagen nun auch eine längere Bewertung:

Die Uhren ticken anders…

1898 sticht der Anarchist Luigi Lucheni in Genf die Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, Elisabeth (Sissy, auch bekannt als Romy Schneider) nieder. 1911 wird Percival Treite, 1917 Miguel Serrano geboren. 1933 wird das Reichskonkordat zwischen dem NS-Staat und der katholischen Kirche ratifiziert. 1943 besetzt die Wehrmacht die Hauptstadt des von der „Achse“ abgefallenen Italiens. 1989 wird das Neue Forum gegründet, das in Teilen nach ihrem Eintritt bei den GRÜNEN (später als Jäger 90/ Die OlivGRÜNEN bekannt) den ersten deutschen Krieg nach 1945 mitzuverantworten hat.
Und auch 2010 war der 10. September kein guter Tag für die Linke, wenngleich die Demonstration in Jena dankenswerter Weise bereits zwei Tage später vergessen sein dürfte, zumindest bei jenen Teilen der beschworenen „Gegenöffentlichkeit“, die überhaupt Notiz davon nahmen.

Der Report

Nach Angaben der Veranstalter versammelten sich rund 150 Personen. Sie konnten mehreren eingängigen, jedoch keineswegs neuen Redebeiträgen lauschen und bis in die Dunkelheit hinein eine Runde durch Jena laufen. Doch auch der linke Rand „dieser Gesellschaft [verhält] sich zu einem großen Teil apolitisch“(1), und so gab es unterwegs auch diverse Formen musikalischer Untermalung, so auch das in Teilen der Linken beliebte „Antifa-Hooligans“.
Laut Aufruf ließen sich die Themen und Ziele der Demonstration etwa so zusammenfassen (bzw. zitieren):
„Antifaschistische Gruppen bauen gewollt oder ungewollt an diesem Bild eines ’neuen‘ Deutschland mit, wenn ihre radikale Kritik Pragmatismus weicht.“
Bündnisse gegen das faschistische „Fest der Völker“ kranken zunehmend am Pragmatismus, Widersprüche wurden durch einen Minimalkonsens gedeckelt: die gemeinsame Verhinderung der Veranstaltung und „absolute Gewaltfreiheit“(2).
Radikale Kritik der Verhältnisse, die Faschisten immer wieder hervorbringen, bleiben auf der Strecke, die Medien sind daran auch nicht interessiert und zitieren überwiegend „die Parteipolitiker_innen und Funktionäre“. Für die mangelnde Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und die fehlende Kritik am „Wir sind Deutschland“ steht symbolisch der Hype um Dresden: Vielen Antinaziaktivistinnen gehe es nur um das bereinigte Deutschland, ein „wahres Gedenken“ an die deutschen Opfer. Derweil tummeln sich munter antiemanzipatorische Versatzstücke im inkonsistenten Bewußtseinspuzzle der Bevölkerung, Antisemitismus, autoritäres Denken, um nur einige zu nennen. „Gleichzeitig kommt es zu einer verschärften Repression und Ächtung gegenüber jenen, die dieses System für überwindenswert halten.“
Darum: „Für eine radikale Linke ist im Minimalkonsens der Nazi-Gegner_innen kein Platz.“

Wirkung

Ob all das auf die Straße zu tragen gelungen ist, kann bezweifelt werden. Zum einen dürfte es das erste Mal sein, dass Gruppen für ihre Austrittserklärung die Form der Demonstration gewählt haben. Den befragten Passantinnen jedenfalls war der Zweck der Demo nicht klar. Die Ansichten variierten – je nach Wissenstand – zwischen Verwunderung („Das Nazifest ist doch abgesagt, oder?“), Missverständnis („Wie sieht es denn in Griechenland grad aus?“) und dem üblichen „Die paar sollen doch ins Paradies (3) gehen, da stören sie wenigstens nicht den Verkehr“.
Aber mit sowas muss man im politischen Alltag eben rechnen.
Weitaus gravierender dürfte sich hingegen auswirken, dass zwischen linksradikalem Gestus und der erlebbaren Praxis auf Jenaer Straßen gleich mehrere Welten lagen. Die Ordnungsbehörden hatten mit dem Demoanliegen keine Schwierigkeiten, wie sich schon im Kooperationsgespräch andeutete. Entsprechend zurückhaltend agierten auch die Repressionsorgane vor Ort, die die Einschätzung nicht teilen wollten, dass es an diesem Abend um irgendetwas Staats- oder gar Systemgefährdendes gänge. Und damit hatten sie auch nicht so unrecht, denn zentrales Anliegen war, sich von anderen Antinazibündnissen zu distanzieren. Eine derart deutliche, öffentlich ausgetragene Spaltung in der Antinazikämpferinnenfront dürfte weder Staat noch Polizei oder dem Kapitalismus ein Ärgernis sein.
Und so gestaltete sich die Demo zu einem Beitrag zu einem innerlinken Konflikt, für dessen Austragung das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bemüht wurde, um unter Beachtung der Befindlichkeiten der Polizei und recht konsequenter Einhaltung der Auflagen (4) sein Mütchen am nervenden Bürgerbündnis zu kühlen. Zugleich wurden aktuelle Formen sozialer Kämpfe kritisiert, die (historische) ArbeiterInnenbewegung in Deutschland negiert… und Israel die Unterstützung angedroht.
So bleibt, als amüsante Randnotiz, noch zu erwähnen, dass sich nicht nur Thüringer Antifastrukturen einreihten, sondern auch Mitglieder der ungeliebten Bündnisse.

Verzicht!

Man forderte viel, und auf noch mehr gilt es zu verzichten: auf Bündnisse, deren Pragmatismus Widersprüche negiert und nebenbei nicht ohne Erfolg gegen Naziaufmärsche mobilisiert; auf Kämpfe um die Verteilung gesellschaftlichen Reichtums; auf alle und jede, die irgendwie im System mitwirken (Parteien, Gewerkschaften, letztlich auch auf radikale Linke, die ihren Anspruch auf Intervention auch praktisch werden lassen).
Neben diesen Aufrufen zum Verzicht wurde der auch praktisch geübt: kein Wort zu Sarkozys antiziganistischer Politik, kein Wort zum befreiten Aufschrei aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angesichts Sarrazins Thesen, kein Wort zum Atom“kompromiss“, zu zivil-militärischen Zusammenarbeit.

The same…

Damit entfernen sich Organisatorinnen und Teilnehmende der Demonstration, wenn sie das dort gesprochene Wort ernst meinen, zunehmend von den Diskursen und Praktiken der radikalen Linken (i.S. einer auf gesellschaftliche Veränderung durch radikale Theorie und Praxis setzende Linken). Dann darf man sich auch nicht wundern, wenn die Unterstützung aus anderen Regionen eher gering bleibt, wenngleich der Tiefpunkt linker Abgrenzungsprojekte nicht erreicht wurde.
Dass linksradikale Positionen nicht hegemonial sind, dürfte niemanden überraschen. Wäre es anders, wäre der Kapitalismus überwunden oder zumindest in einem ernsten Abwehrkampf, ich säße jetzt nicht am PC. Die Welt sähe anders aus, politische, kämpferische Arbeit würde sich ganz andere Aufgaben stellen (müssen). Damit das mal so wird, diskutieren und intervenieren linksradikale Gruppen weltweit und alltäglich, ganz gleich, ob sie in Pakistan medizinische Hilfe organisieren, Fluchtwege freihalten, das „eigene“, kriegführende Land kritisieren, Betriebe besetzen, die Polizeipräsenz zurückdrängen, sich Zwangsdiensten verweigern und dafür werben sich dem anzuschließen… to be continued
Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass, wer sich den Mühen der Ebene aussetzt, sich auch mal die Hände schmutzig macht. Aber das muss man Linksradikalen (Definition s.o.) eigentlich auch nicht erzählen.

Hier jedoch ticken die Uhren anders. Hier lamentiert man über mangelndes Medieninteresse an den eigenen ideologiekritischen Exkursen, über das fehlende Horkheimer-Verständnis anderer Antinazibündnissen. Well, es kam wohl nicht von ungefähr, die Demonstration ausgerechnet auf den Welt-Suizid-Präventionstag der WHO zu legen.
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1 Aus dem Aufruf zur Demo. Dort spricht man aber ebenso treffend vom „rechten Rand“ der Gesellschaft.
2 2008 hieß es: „Wir sind entschlossen, das rechtsextreme ‚Fest der Völker‘ in Jena zu verhindern. Wir sind solidarisch mit allen, die dieses Ziel mit uns teilen“ (sic!), aus: Jenaer Erklärung: Neonaziaufmärsche verhindern (insg. 704 Unterstützerinnen); 2010 kippte der solidarische Konsens nach rechts: „Wir sind entschlossen, das ‚Fest der Völker‘ in Pößneck zu verhindern. Wir wollen das in gemeinsamen und gewaltfreien Aktionen erreichen. Wir sind solidarisch mit allen, die dieses Ziel mit uns teilen“ (hatte dann auch nur noch 434 Unterstützer, ein Rückgang um fast 40 Prozent).
3 Womit vermutlich nicht das Jenseits, sondern der städtische Naherholungspark gleichen Namens gemeint sein dürfte.
4 u.a. wurde gebeten, auf das Abbrennen von Feuerwerkskörpern zu verzichten, man habe ja auch keine Sondernutzung beantragt; die Polizisten mit unfreundlichen Kommentaren zu bedenken, sei auch nicht richtig, „hier und heute“ gäbe es dafür schließlich keinen Grund

Ergänzung: Hier der angesprochene Redebeitrag zu falschen sozialen Kämpfen, konkret zur Bankenblockade der Aktionsgruppe Georg Büchner:

Bankenblaockaden: Jagt die Profiteure – oder wie linke „Konzeption für die Massen“
aussieht

Die Banken sind schuld an der Krise. Das scheint gesellschaftlicher Konsens zu sein. Dieser Konsens wird von Linksradikalen und Linken aufgegriffen. Nach den Demos mit dem unsäglichen Motto: „Wir zahlen nicht für EURE Krise“ wird nun noch eins draufgesetzt mit „Es reicht – Akteure und Profiteure der Krise blockieren!“. Unter diesem Motto sollen am 18. Oktober 2010 in Frankfurt/Main Banken blockiert werden. Eine „Aktionsgruppe Georg Büchner“ mobilisiert, debattiert und ruft auf. Was ist unsäglich an diesen Slogans? Weiterlesen

Castor? Schottern!


Zahlreiche linke Gruppen und Einzelpersonen erklären hier, daß sie den Castor im Herbst durch das Räumen des Gleisbetts stoppen werden:

Wir wenden uns an die Menschen, die schon seit vielen Jahren im Widerstand gegen Castortransporte aktiv sind; natürlich auch an die vielen Neuen, die in den letzten Jahren ihr Nein! zur Atomenergie auf die Straße getragen haben;

wir wenden uns an diejenigen, die massenhaft gegen den Sozialraub der Regierung protestierten, und die erleben mussten, wie ohne Wimpernzucken darüber hinweggegangen wurde;

wir wenden uns an die Zehntausende, die bundesweit entschlossen etliche Naziaufmärsche stoppten;

wir wenden uns an die Leute in Dörfern, in kleineren und größeren Städten, die nicht bereit sind, angesichts der herrschenden Atom-Politik die Hände in den Schoß zu legen:

Gemeinsam mit Euch, zusammen mit Hunderten, Tausenden von Menschen, wollen wir in der Aktion Castor Schottern! Steine aus dem Gleisbett räumen, wenn der nächste Transport mit Castoren ins Wendland rollt.

[weiter auf http://www.castor2010.org/]

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